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Manroland

09.02.2012 11:37

Too late

Unternehmensberater Michael Dömer* über die Gründe für die Pleite von Manroland und warum das, was Manroland gerade durchmacht, auch anderen blühen könnte.

Michael Dömer: "Letztlich ist es unbestreitbar, dass eine Insolvenz nie alternativlos, sondern durch falsche oder fehlende Entscheidungen ausgelöst ist" © Beigestellt

Die Insolvenz von manroland hatte die Branche geschockt. Es gab zunächst eine gewisse Ratlosigkeit, woran es wirklich lag und wie man das hätte verhindern können. Bemerkenswert war, dass die Medien zumindest bisher mit dem Management und insbesondere dem Vorstand relativ sanft umgegangen sind.

Der Vorstandsvorsitzende Gerd Finkbeiner hatte eine für diese Position in einem Konzern außergewöhnliche Gabe: Seine Empathie schaffte ihm sowohl bei Kunden als auch bei Mitarbeitern hohe Akzeptanz- und Sympathiewerte.

Ich erlebe das häufig, dass genau diese Eigenschaften in Krisensituationen nachteilig sein können, wenn konsequente Entscheidungen und bedingungsloses Einfordern notwendig sind. Führungskräfte und Mitarbeiter verhalten sich meist kontraproduktiv in solchen Phasen, wollen sich schützen. Krisenmanagement setzt klassische Führungsgrundsätze meist außer Kraft.

Wie eigentlich immer, so sollte im Fall manroland gründlich untersucht und hinterfragt werden, auf welche Navigationsfehler eine Insolvenz zurückzuführen ist. Letztlich ist es unbestreitbar, dass eine Insolvenz nie alternativlos, sondern durch falsche oder fehlende Entscheidungen ausgelöst ist. Sicher sind es viele Mosaiksteine, die zusammen das Bild ergeben.

Vorab: Der Markt ist nie schuld, sondern immer die fehlende Anpassung an Marktveränderungen. Insbesondere die Tagesmedien reduzieren das manroland-Problem auf den Satz, das Internet verdränge Print und somit brauche man weniger Druckmaschinen. Das ist Unsinn, bedient aber die Klischees einer naiven Fangemeinde, die nicht Multichannel und Multimedia sondern eine digitale Monostruktur für die Zukunft hält. Ein Alarmsignal an die Print-Lobby, endlich aus der Defensivecke zu kommen.

Ebenso unsinnig und geradezu grotesk ist der jüngst geäußerte Vorwurf, Manroland hätte die technische Entwicklung so vorangetrieben, dass es zu Überkapazitäten gekommen wäre und man sei „selbst Schuld“. Technologischer Fortschritt lässt sich nicht aufhalten und es wäre Selbstmord gewesen, diesen zu verweigern. Eine naive Sicht der Dinge aus Zeiten der Maschinenstürmer.

Wo liegen also nun die Ursachen, welche davon waren vermeidbar?

> Die Marktnachfrage ist seit einiger Zeit rückläufig, was mehrere Gründe hat. Manche sind konjunkturell, manche sind auch zweifellos durch den Strukturwandel der Branche ausgelöst, manche dadurch, dass weniger große Maschinen viele kleinere überkompensieren, die Haltbarkeit länger ist. Auch Kreditprobleme bei Kunden spielen eine Rolle. Das alles führt aber nicht zum Zusammenbruch des Marktes. Anpassungen sind dann nötig.


> Eine besondere Bedeutung hat der Verdrängungswettbewerb, der durch ruinösen Preiskampf der Maschinenhersteller untereinander zu schwindenden Renditen führt.

Die Wettbewerbsaktivitäten der drei großen Player war seit Jahren auf Vernichtung ausgerichtet. Dieser Vernichtungskampf erfolgte weniger über Innovationen als weltweit über Preiskämpfe. Das ist wenig professionell. Es gehört zum Grundwissen, dass bei ähnlichen Grundbedingungen eine Vernichtungsstrategie fast immer nur Verlierer kennt. Der jetzige Zustand der Oligopolunternehmen veranschaulicht das schulbuchmäßig! Ich vermute, dass die Wettbewerber noch nicht erkannt haben, welche Stärke nach der Insolvenz und Übernahme von beiden manroland Unternehmen nun entsteht. Vielleicht ist das aber auch eine Chance der gesamten Branche.

Vergessen wir auch nicht, was der manroland-Pleite vorausging: Die Wettbewerbsverzerrung durch staatliche Subventionen und Bürgschaften an den Wettbewerber Heidelberger verhinderten die Insolvenz von Heidelberger, die wahrscheinlich die von Manroland verhindert hätte. Umso mehr überraschte die Anmerkung des Heidelberger-Vorstands, dass es besser wäre, ein Unternehmen würde vom Markt verschwinden. Übrigens: Heidelberger verkaufte vor Jahren die Rotationsparte an Goss und schaffte sich Luft. Dennoch geht die Entlassungswelle dort weiter. Koebau verkaufte die Tiefdrucksparte und trat in eine heftige Restrukturierungsphase. Auch hier ist die Welt weiterhin unsicher.

Es wurden für Manroland mehrere Restrukturierungsprogramme aufgelegt, die zum einen deutlich zu spät kamen - das Prinzip Hoffnung dürfte da den Vorstand geleitet haben - zum anderen den Namen Restrukturierung angesichts der Marktsituation nicht verdienten. Warum muss erst eine Insolvenz die Erkenntnis bringen, ein Unternehmen von Konzernstrukturen zu befreien und mittelständisch aufzubauen?

Die Denke eines Konzerns mit vielfältigen Hierarchien, selbstständigen Einheiten mit viel Bürokratie, Personal und Berichtswesen sowie Besitzstandsdenken und Herrschaftswissen in den Strukturen führte bei manroland immer mehr zum Bollwerk der Verteidigung und Abgrenzung gegeneinander. Das kostete Geld und Kraft. Der Vorstand setzte zu lange auf Chance und Vertrauen statt rechtzeitig Krisenmanagement zu erklären und durchzugreifen. Die Rolle verschiedener interner und externer Berater des Vorstandes bleibt in diesem Zusammenhang fraglich.

Ich erlebe es immer wieder bei meinen Interim-Management-Mandaten in Krisenzeiten, genauso auch im Mittelstand: Wer bisher in einer Organisation gewirkt hat, kann sich kaum daraus lösen – das gilt insbesondere in Konzernen. Aus den Konzernstrukturen in mittelständische umzuschalten, das hat auch das manroland-Management nicht wirklich geschafft. Das Possehl-Management wird es schaffen, mit Gegenwind aber beharrlicher Konsequenz, da bin ich zuversichtlich. Erstaunlich alleine, in welch kurzer Zeit hier eine Vielzahl von Entscheidungen bereits getroffen wurden.

Die vorhandenen Synergien zwischen Rollenoffset Augsburg und Bogenoffset Offenbach wurden nicht ausreichend genutzt. Im Gegenteil. Abgrenzung und gegenseitige Schuldzuweisungen standen im Wege. Die Integration von Roland Offenbach wurde mental nie vollzogen. Der letzte CEO betrieb im Gegenteil eher eine separatistische Politik. Ein Unternehmen, zwei Kulturen.

Was wäre die Konsequenz gewesen?
Entweder richtige Nutzung der Synergien als Kompetenz in Print oder konsequente Trennung. Die Zeiten haben sich geändert! Während früher viele Kunden einen gemischten Bogen- und Rollenmaschinenpark hatten, ist es schon lange zu Spezialisierungen der Kunden auf ein Segment gekommen. Das spräche für eine konsequente Trennung. Manroland vollzog weder das eine noch das andere. – „In Gefahr und großer Not führt der Mittelweg zum Tod.“

> Manroland ist zweifellos Technologieführer in der Rotation – insbesondere im Heatset. Die Kundentreue und –erwartung ist weiterhin beispielhaft.  Das gilt auch für Teilbereiche im Bogenoffset. Ansonsten wäre es ja auch nicht zu einer Übernahme gekommen. Aber im Bogenoffset wurde eine zu große Palette an Maschienenvarianten mitgeschleppt und von manchen Entwicklungen hatte sich manroland mehr Wettbewerbsfähigkeit erwartet, wie z.B. von der direct drive Technologie.

> Geplante Veränderungen – auch in der Personalstärke – und Anpassungen wurden insbesondere in Offenbach durch mehr als zähe Verhandlungen von den Gewerkschaften verzögert, zum Teil gar verhindert. Ja, es ist sehr bedauerlich, wenn Menschen ihre Arbeitsplätze verlieren oder Besitzstände verloren gehen. Warum aber muss es erst zum Gau kommen mit viel schlimmeren Konsequenzen, um zu verstehen, dass Marktanpassungen Opfer leider nötig machen?

> Last but not least ist den Anteilseignern der Vorwurf zu machen, schnell und rücksichtslos den Stecker gezogen zu haben. Es lagen Pläne der weiteren Restrukturierung auf dem Tisch. Die Aufsichtsgremien hätten die Umsetzung erzwingen und abwarten sollen. Wäre manroland von einem mittelständischen Unternehmer geführt worden - diese Entscheidung wäre so nicht getroffen worden.

Ich denke, der neue Investor Possehl wird noch einen Lernprozess durchschreiten und es wird noch einige Korrekturphasen geben – in der Struktur, im Management und der Marktbearbeitung. Doch es gibt gute Chancen jetzt, mit mittelständischen Strukturen und unkompliziertem und konsequentem Führungsstil das Unternehmen manroland wieder auf Kurs zu kriegen. Der Mittelstand ist und bleibt flexibelste Form der Unternehmensführung. Und – im Gegensatz zu den meisten Equity Philosophien – die sozialste und fairste für unser System Marktwirtschaft.


Michael Dömer ist seit 25 Jahren Unternehmensberater und Interim Manager für die Druckbranche mit Sitz in Güster bei Hamburg sowie  Gründer der Europea Web Association (EWA).

http://www.michaeldoemer.com

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