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Druckmaschinenbau

24.04.2013 14:19

Ohne Ballast

Mit Druckmaschinenbau hatten sie bisher alle nichts zu tun. Diese Fremdheit in der eigenwilligen Branche könnte den neuen CEOs von Heidelberg, Manroland und Goss den nötigen Spielraum für den einen oder anderen Kurswechsel geben.

Ganz zum Schluss wurde es noch einmal ein bisschen sentimental. Bernhard Schreier öffnete den Knoten seiner roten Heidelberg-Krawatte, nahm das textile Dienst-Acessoire bedächtig ab, rollte es zusammen und übergab es einem langgedienten Redakteur. Das war im Dezember und Bernhard Schreier trat an jenem Tag ein letztes Mal im Heidelberg-Werk in Walldorf-Wiesloch vor einer Gruppe Journalisten auf, um sich zu verabschieden. 13 Jahre lang hatte er den Druckmaschinenkonzern geleitet, nicht alle davon waren schlecht, aber die letzten Bilanzen allesamt blutrot. Schreier tat an diesem Tag im Dezember das, was erwartbar und auch typisch ist, wenn Vorgänger über Nachfolger sprechen und die seelischen Wunden nicht allzu tief sitzen: er applaudierte verbal dem nächsten Chef und begrüßte ganz besonders, dass mit Gerold Linzbach nun ein Manager in der Chefetage des Druckmaschinenbauers sitzt, der bisher mit Druckmaschinen eben rein gar nichts zu tun hatte.

Abstandsmesser

Es geschieht derzeit Bemerkenswertes in den Führungsetagen der Druckmaschinenhersteller. Beinahe scheint es, als würde eine ganze Branche ein bisschen Abstand von sich selbst brauchen; darauf hoffen, dass die neuen Vorstandsvorsitzenden die Unternehmen ein Stück weit loslösen können von den tradierten Managementmustern der Druckbranche; vielleicht auch unbelastet sind vom emotionalen Gravitationsfeld, das aufgeladen ist mit Vokabeln maschinenbaulicher Exzellenz und Einzigartigkeit. Nach der Drupa setzte es ein, das große Sesselrücken: Auf Bernhard Schreier folgte bei Heidelberg der ehemalige Chemie-Manager Gerold Linzbach, auf Jochen Meissner bei Goss der ehemalige Kranbau-Manager Richard Nichols. In eine Vakanz stieß bei Manroland Web Systems in Augsburg Eckhard Hörner-Marass, der sich vorher beim Holzbearbeiter Homag seine Sporen verdient hatte.

Produkt-Forensik

Wahrscheinlich ist es unter den drei Neuen gerade Gerold Linzbach, der vor den größten Umbauarbeiten steht, das Unternehmen grundlegend wandeln muss. Er wird das Dickicht der Tabus, das sich in einem traditionsreichen Maschinenbau-Konzern wie Heidelberg ausbreitet, radikal roden müssen. Mirko Geiger, Aufsichtsrat von Heidelberg, hat Linzbach mit ausgewählt. Geiger ist Gewerkschafter der IG Metall. Umso brisanter wirkt, was der Aufsichtsrat gegenüber 4c über die Agenda von Linzbach sagt: “Es sind eben nicht nur die Postpress-Produkte oder die Vorstufe, die man sich genauer wird ansehen müssen. Auch bei einzelnen Produktlinien von Druckmaschinen sollte man die Prozesse überprüfen und dann strategisch entscheiden, welche Maschinensegmente und Formatklassen man weiter bedient und welche vielleicht nicht mehr oder nur mehr eingeschränkt auch bei der Weiterentwicklung.“ Linzbach ist bereits dabei, auszuforschen, welche Produktlinien für den Konzern werthaltig sind und welche vielleicht weniger. Dieses Handwerk nämlich, das beherrscht der 57 jährige. Er ist Teil der so genannten Hoechst-Connection, Managern im Umkreis des ehemaligen Chemie-Giganten, die alle zu Höchstleistungen imstande sind, wenn es darum ging, Konzerne zu repositionieren, teilweise auch zu filetieren. Aus seiner Zeit bei Hoechst kennt Linzbach den heutigen Heidelberg-Aufsichtsratschef Robert Köhler. Ein Insider sagt: Produkte auf den ökonomischen Prüfstand zu stellen, das kann Gerold Linzbach mindestens so gut wie der ehemalige ABB-Sanierer Jürgen Dormann, auch einer aus dieser Hoechst-Connection. Als Dormann im Jahr 2002 antrat, den Mischkonzern ABB in Deutschland zu sanieren, gab es 28 Geschäftsfelder. Als er mit dem Sanieren fertig waren, blieben nur zwölf übrig. Das erklärt das Prinzip der Sanierer aus dem Hoechst-Netzwerk, keineswegs aber die erwartbare Vorgangsweise von Linzbach bei Heidelberg. Das Produktportfolio von Heidelberg ist schließlich wesentlich homogener als das des Mischkonzerns ABB, die wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen den Produktlinien größer, einiges unverzichtbar und vieles sehr gesund.

An der Kreuzung

Etwas abseits steht neben dem in sich eng verzahnten Offset-Portfolio von Heidelberg der Digitaldruck. Dort herrscht Handlungsbedarf für den neuen CEO. Heidelberg hat kooperiert, akquiriert, entwickelt, um im Digitaldruck möglichst breit aufgestellt zu sein, aber die Technlogie-Sammlung wirkt nicht wie ein Gesamtkunstwerk. „Es ist ja unbestritten, dass Heidelberg im Digitaldruck präsent sein muss. Noch aber ist nicht entschieden, mit welcher Technologie das geschehen soll. Vielleicht kann auch Heidelberg selbst nicht abschätzen, welche Technologie im Digitaldruck künftig die bestimmende am Markt sein wird.“, sagt Aufsichtsrat Geiger. Der Gedanke liegt durchaus nahe: Heidelberg hat mit Ricoh eine Kooperation geschmiedet und verkauft die Maschinen unter dem Namen Linoprint C, hat mit CSAT einen Hersteller von Flüssigtoner-Technologie gekauft, entwickelt UV-Inkjet-Maschinen, derzeit für den Etikettendruck. Und Heidelberg versucht mit dem israelischen Nanografie-Pionier Benny Landa zu kooperieren. Zwar ist die Partnerschaft mit Ricoh mittlerweile marktreif, doch die Produktpalette der Japaner nicht besonders breit. „Die Kooperation mit Ricoh funktioniert, wenn auch mäßig. Es ist halt die große Frage, ob das Heidelberg auch technologisch weiterbringen kann“, gibt Mirko Geiger zu bedenken. „Es gibt zwei Möglichkeiten für das weitere Engagement im Digitaldruck: entweder Heidelberg sucht sich einen starken Partner auch über Ricoh hinaus, die technisch mehr abdecken können oder man versucht es auf eigene Faust. 

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Die Zusammenarbeit mit Ricoh verteidigt Heidelberg-Vorstand Marcel Kießling durchaus profunde: „Das Feedback unserer Kunden zeigt, dass wir mit unseren Linoprint C-Drucksystemen und der Kombination mit der Anicolor-Technologie sehr gut aufgestellt sind. So runden unsere Kunden das eigene Angebot um den variablen Datendruck und Kleinstauflagen erfolgreich ab. Wir sehen keine Notwendigkeit für hochvolumige Digitallösungen bei unseren Kunden. Die sind etwas für Spezialisten wie Fotobuch-Drucker.“ Allerdings konzediert Kießling auch, dass Heidelberg bei der eigenen Digitaldruck-Strategie vermutlich gerade an der gedanklichen Kreuzung zwischen Suchen und Finden steht: „Eine ganz andere Frage ist, was wir längerfristig mit dem Digitaldruck anfangen. Da loten wir sehr intensiv verschiedene Möglichkeiten aus: es gibt die Kooperation mit Landa, in der wir evaluieren, was technisch möglich ist. Aber darüber hinaus haben wir mit CSAT eine Akquisition getätigt, die uns Optionen im Flüssigtoner-Bereich ermöglicht.“ Die UV-Inkjet-Maschinen, bei Heidelberg unter dem Namen Linoprint L im Portfolio, sind zwar derzeit auf den Etikettendruck spezialisiert. Das aber muss nicht so bleiben. „Sie bieten auch die Optionen, um in einem weiteren Schritt Produkte für andere Anwendungen, auch im Akzidenzbereich, zu entwickeln.“, sagt Kießling.

Das stattliche technologische Sammelwerk, das da im Digitaldruck entstanden ist, fällt auch Peter Sommer, CEO des Druckkonzerns Elanders Germany im baden-württembergischen Waiblingen auf. Er rät Heidelberg, sich enger an Benny Landa zu schmiegen: „Ich würde mich auf den Bau von Landa-Maschinen konzentrieren, denn da braucht man die maschinenbauliche Überlegenheit von Heidelberg“. Schon im kommenden Februar wird er in seiner Druckerei in Waiblingen einen Feldtest mit einer nanografischen Bogendruckmaschine von Landa durchführen.

Gewinnfrage

Eines der bisherigen Tabus, das Linzbach wohl hinterfragen wird müssen, ist auch die künftige Rolle, die das für Heidelberg früher so zentrale Kleinformat spielen kann. Druckereichef Peter Sommer hat mit seinem eigenen Kleinformat recht drastische Erfahrungen gemacht: „Bis vor zwei Jahren haben wir unsere SM 52 sieben Tage pro Woche 24 Stunden am Tag ausgelastet. Jetzt sind wir schon froh, wenn wir die Maschine eine dreiviertel Schicht pro Tag auslasten können. Die Aufträge, die wir früher auf der kleinen Speedmaster gedruckt haben, sind nun bei den Online-Druckern gelandet. Aber die brauchen mit ihrer Sammelbogen-Philosophie keine SM 52“. Auch die rasante Entwicklung im Digitaldruck könnte langfristig dem Offset-Kleinformat etwas zusetzen, glaubt indes Aufsichtsrat Mirko Geiger: „Man muss sich auch das Kleinformat ansehen. Ich will nicht behaupten, dass das auf der Kippe steht, aber man muss sehen, was man damit vor dem Hintergrund der Konkurrenz aus dem Digitaldruck noch gewinnen kann.“

Die Kompromissferne, mit der Gerold Linzbach den Konzern nun durchleuchten muss, wird bloß begrenzt durch einen leidlichen Umstand: die Finanzen lassen dem durchgriffsfreudigen Konzernherrn kaum den nötigen Spielraum für große Einschnitte. Linzbach muss also kreativ repositionieren, insbesondere das Service-Geschäft ankurbeln, vielleicht jetzt schon die Strukturen vorbereiten auf jenen Tag, an dem sein Spielraum wieder zu wachsen beginnt. Was außerdem von ihm erwartet wird: Heidelberg schneller in andere Branchen migrieren zu lassen, als Auftragsfertiger die ganz eigenen Kompetenzen auszureizen. Derzeit macht Heidelberg imt branchenfremden Aufträgen einen Umsatz von rund 30 Millionen Euro. Der zwingende Befund: da gibt es Luft nach oben. Das Ziel Linzbachs: Mit dem Geschäftsjahr 2013/14 soll das Unternehmen insgesamt wieder profitabel sein. Die letzten Bilanzen zeigen schon: das Ziel ist zu schaffen.

Blütenweiße Bilanz

Eckhard Hörner-Marass befindet sich in einer vergleichsweise privilegierten Situation. Das mit der Restrukturierung, dem schmerzhaft großen Personalabbau haben andere vor ihm erledigt, als Manroland im November 2011 pleite ging und später in die Rollenoffset-Sparte in Augsburg und das Bogendruck-Segment in Offenbach geteilt wurde. Hörner-Marass hat Manroland Web Systems also mit einer fast blütenweißen Bilanz übernommen. Aber er muss ebenso wie sein Kollege Linzbach dringend am Produktportfolio schrauben. Offene Flanken hat Manroland sowohl gegenüber der Konkurrenz von Koenig & Bauer wie auch jener von Goss. So muss Manroland mit dem amerikanischen Hersteller am sehr engen Markt der 96 Seiten-Maschinen im Illustrationsdruck rivalisieren und die Premium-Maschinen am anderen Ende der Produktpalette auch mit einem weniger komplexen, auch für Schwellenländer optimierten Angebot ergänzen. Gerade die Entwicklung der 96 Seiten-Maschinen hat die Ressourcen bei Manroland wie auch bei Goss arg gedehnt, Koenig & Bauer hat dem Treiben dagegen gelassen zugesehen und sich dem technologischen Mimikry der beiden anderen entzogen.

Stolpergefahr

 „Was soll eine chinesische Druckerei mit einer Lithoman mit einer funktionsbestückten Touchscreen-Steuerung anfangen?“, fragt Hörner-Marass im 4c-Gespräch und gibt gleich eine indirekte Antwort: „So eine Maschine muss eigentlich mit fünf Knöpfen auskommen.“ Bloß: von Augsburg nach China, nach Indien, Russland oder Brasilien ist es weit und Manroland könnte nicht nur über das technologische Gefälle zwischen Europa und den BRIC-Staaten stolpern. Im Gegensatz zu Goss hat Manroland keine Produktionskapazitäten in China oder einem anderen der Schwellenländer. Was sich jetzt durchaus ändern könnte: Hörner-Marass lässt gerade evaluieren, ob in diesen Märkten auch lokale Wertschöpfung generiert werden kann, beginnend bei einzelnen Komponenten. Schon weiter ist da Goss: mit dem Industriegiganten Shanghai Electric als Eigentümer und eigener Druckmaschinenfabrik in China dürfte der neue Goss-CEO Richard Nichols die Shanghai-Connection künftig noch stärker ausspielen.

Andere Tugenden

Einen Teil der technologischen Komplexität aus dem Rollendruck zu nehmen, nicht jede Maschine als Unikat zu begreifen, sich nicht mehr bloß auf Kapazität und Geschwindigkeit zu konzentrieren, das rät jedenfalls Leykam Let`s Print-Chef Michael Steinwidder den beiden Herstellern Goss und Manroland. „Im Mittelpunkt werden die Rüstzeiten stehen, aber auch die Entwicklung flexiblerer Maschinenmodelle“, sagt Steinwidder. Steinwidders Wunsch ist fast deckungsgleich mit jenem seines Kollegen Joachim Kühn, Chef der Oberndorfer Druckerei: „Die Konzentration auf Geschwindigkeit reicht nicht mehr. Wir brauchen mehr Standardisierung, die Druckmaschinen müssen auch modularer werden.“ Kühns kühner Wunsch: irgendwann einmal vielleicht Maschinen am Markt vorzufinden, die bei Bedarf wie ein Baukasten erweitert werden können. Mehr als bloße Retrofit-Strategien eben.

Das Dilemma, vor dem Druckdienstleister stehen, beschreibt Michael Steinwidder so: „Man weiß zwar oft nicht, wie sich das Nachfrageverhalten in den nächsten zwei Jahren entwickelt, muss aber eine Investition tätigen, mit der man die nächsten zehn, fünfzehn Jahre leben muss“. Dieses Delta zwischen den schneller rotierenden Nachfragezyklen der Printbuyer und den technologischen Angeboten der Druckmaschinenhersteller wird in nächster Zeit wahrscheinlich eher größer als kleiner.

Die Loslösung von den technologischen Dogmen der Vergangenheit, die von den Neuen in den Chefetagen angestoßen wird, wird vielleicht am offensichtlichsten durch eine recht knappe Diagnose von Eckhard Hörner-Marass. Der muss die Antwort auf die Frage nicht lange suchen, ob der technologische Erfindungsreichtum von Manroland in der Vergangenheit vom Markt immer genügend honoriert wurde: „Mit Sicherheit nicht.“ Es geht neuerdings eben ein bisschen unsentimental zu im Druckmaschinenbau.

(Coverstory Printausgabe 2/2013, 20.03.2013)

Lesen Sie außerdem exklusiv in unserer Printausgabe 2/2013: 

"Nicht mehr jeder Idee nachspringen"

Eckhard Hörner-Marass hat ehrgeizige Pläne für die Umstrukturierung von Manroland Web Systems. Im 4c-Interview spricht er offen über neue Geschäftsfelder, alte Fehler und die eine oder andere Akquisition.

 

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