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Heidelberg

26.05.2014 14:36

"Ein unangemessenes Maß an Depression"

Seit seiner Bestellung zum Chef des Druckmaschinenherstellers Heidelberg hat sich Gerold Linzbach in den Medien rar gemacht. Im 4c-Exklusivinterview spricht er nun erstmals über die neue Partnerschaft mit Fujifilm, seine Pläne für das Offset-Portfolio von Heidelberg und die Zusammenarbeit mit Benny Landa.

4c: Herr Linzbach, Sie haben gerade die neue Digitaldruck-Strategie präsentiert, bei der nun Fujifilm eine zentrale Rolle einnimmt. An solchen Kooperationen und Strategien hat auch bisher kein Mangel geherrscht. Da gab es auch welche, die höchstens als Episoden durchgehen wie die Akquisition des Digitaldruckherstellers CSAT, der recht rasch wieder verkauft wurde. Auch von der Zusammenarbeit mit Benny Landa hört man erstaunlich wenig. Was ist da passiert?

Gerold Linzbach: Sehen Sie: In meinem Büro hängt eine Fotomontage von 50 Baukränen, die sich alle gegenseitig blockieren. Um eine solche Situation bei Heidelberg nicht entstehen zu lassen, haben wir uns die einzelnen Geschäftsfelder genau angesehen. Und da waren auch welche dabei, die auch längerfristig kein profitables Umsatzpotenzial haben erkennen lassen. Oder sie passten nicht in unsere strategische Weiterentwicklung, wie es eben bei CSAT der Fall war.

85 Prozent des gesamten Portfolios von Heidelberg aber sind meiner Überzeugung nach in den richtigen Märkten angesiedelt. Dieser Befund ist sehr wichtig, denn als ich hier begonnen habe, musste ich ein unangemessenes Maß an Depression wahrnehmen, das vielleicht in Betrieben der Textilindustrie gerechtfertigt gewesen wäre, nicht aber bei einem Unternehmen in unserer Branche.  Denn insgesamt betrachtet ist die Branche stabil.

4c: Was aber eben auch als Eindruck Außenstehender bleibt, ist ein gewisses Maß an Hyperaktivität beim Geschäftsfeld Digitaldruck.

Linzbach: Wir haben an vielem herum getüftelt, was im Digitaldruck denkbar ist - an Dry Toner, an Liquid Toner und anderem. Die Forschungsaktivitäten zu einigen Themen haben wir nun gestoppt und uns stattdessen auf die aus Marktsicht vielversprechendsten fokussiert. Mit der Schaffung unserer Digital Unit mit eindeutigen Zielen sind wir nun auch klarer aufgestellt.

Seit drei Jahren arbeiten Sie nun mit Ricoh zusammen. Als Sie damit begonnen haben, war auch die Rede von gemeinsamen Entwicklungen künftiger Druckanwendungen. Mehr als der Vertrieb von Ricoh-Maschinen unter dem Label Linoprint C ist bisher aber nicht daraus geworden. Wird sich das noch ändern?

Mit Ricoh war es zumindest bisher eher eine Vertriebspartnerschaft. Das ändert sich nun. Langsam kommen wir mit Ricoh auf ein Niveau der Zusammenarbeit, wo wir auf das Produkt selbst einwirken und Anpassungen an den Bedarf unserer Kunden forcieren.

Für uns waren die letzten drei Jahre mit Ricoh dennoch sehr erfreulich. Wir haben dadurch auch die Akzeptanz am Markt erhalten, Digitaldrucksysteme verkaufen zu können. Bereits 400 der Systeme konnten wir weltweit platzieren. Für uns hat sich damit das Junktim aufgelöst, dass wir möglichst immer alles selbst herstellen müssen, um es verkaufen zu können.

Was ist nun mit Fujifilm anders als mit Ricoh?

Die Kooperation mit Fujifilm setzt deutlich früher an als jene mit Ricoh, nämlich bereits beim Produktdesign. Die Jetpress 720 hat eine erstaunliche Druckqualität. Als Fujifilm uns Testdrucke vorlegte, waren wir ehrlich gesagt schon sehr beeindruckt, weil die Qualität nahe am Offset war. Das ist jedoch nicht allein entscheidend. Denn wir können unsere Kompetenz im Maschinenbau, unser Wissen um die Anforderungen in Druckereien und schließlich auch unseren Marktzugang durch das Heidelberg-Vertriebsnetz einbringen.

Heidelberg hat das Gespann aus Ricoh und Anicolor-Technologie sehr offensiv als Idealtypus einer hybriden Produktion angepriesen, bei der die Ricoh-Maschine eben den Part des variablen Datendrucks ausfüllt. Das haben nicht allzu viele Druckereien so gesehen. Wie möchten Sie denn nun die Jetpress 720 positionieren?

Bereits heute haben die meisten Druckereien Offset- und Digitaldruck parallel im Einsatz. Viele davon kombinieren in irgendeiner Weise schon beide Verfahren und zeigen sich da sehr kreativ bei neuen Anwendungen. Die Kombination einer Anicolormaschine mit einer Linoprint ist dafür eine effiziente und kostengünstige Variante. Und die Kunden, die sie einsetzen, sind sehr zufrieden.

Was nun die Jetpress anbelangt, so ist es nicht unsere Aufgabe, diese Maschine zu positionieren. Vielmehr prüfen und testen wir das Produkt im Moment und sind von der Druckqualität sehr beeindruckt. Wir haben jetzt zusammen mit Fujifilm die Neuentwicklung einer Akzidenz- und Verpackungsmaschine auf Basis der Inkjettechnologie gestartet. Um damit profitabel arbeiten zu können, muss sie eine große Bandbreite an Produkten zwischen Auflage eins und Auflage 2.000 abdecken können, ohne dass es immer zwingend die Komponente der Individualisierung braucht. Mit unserem Wissen um die industrielle Druckproduktion und den Erfahrungen aus dem Maschinenbau sowie dem Know-how von Fujifilm in der Inkjettechnologie  wird uns das auch gelingen. Eine Nischentechnologie darf die Neuentwicklung keinesfalls sein.

Insgesamt wollen wir Offset- und Digitaltechnologien aus einer Hand anbieten und sie für den Anwender so effizient und einfach wie möglich nutzbar machen.

Vor der letzten Drupa haben Sie mit Ihrer Ankündigung einer Zusammenarbeit mit Benny Landa ein kleines Marketing-Feuerwerk gezündet. Mittlerweile ist das aber abgebrannt, ohne dass daraus ein Produkt geworden wäre. Ist also die Zusammenarbeit mit Landa beendet?

Landa hatte ein sehr exklusives Businessmodell, das auch eine kräftige Eintrittsgebühr erfordert hätte. Wir mussten Landa dann klar machen, dass wir als börsenorientiertes Unternehmen nicht einfach so eine erkleckliche Summe überweisen können, ohne ganz genau zu wissen, was wir dafür bekommen. Es gibt dennoch nach wie vor sehr fruchtbare Gespräche in technologischer Hinsicht.

Wissen Sie, für mich wäre es ja traumhaft gewesen, hätten wir es geschafft, aus Heidelberg, Fujifilm und Landa eine starke Partnerschaft zu formen. Das ist vorerst leider nicht möglich. Persönlich wünsche ich  Landa viel Erfolg. 

Sie haben nun mit der Jetmaster Dimension eine Technologie präsentiert, mit der Sie dreidimensionale Objekte per Inkjet dekorieren können. Damit verlassen Sie aber die grafische Industrie. Ihre Kunden sind nicht mehr Druckereien, sondern vielleicht Sportartikelhersteller, Autoproduzenten oder auch mal Fluglinien. Wie vertreibt man so etwas, wenn man nur Druckereien in der Kundenkartei hat?

Das ist eine sehr gute Frage und in der Tat eine Herausforderung. Bei der Jetmaster Dimension gibt es  viele Überschneidungen mit dem, was wir traditionell machen, da muss ich die Gene des Unternehmens nicht verändern. Aber wir müssen uns dafür einen Partner suchen, der sich in den Vertrieb einbringt.  Dass wir über den Tellerrand unseres Kerngeschäfts hinausschauen, muss man aber auch positiv bewerten.

Sie haben vorhin erwähnt, dass Sie mit Ihrer Allianz mit Ricoh auch den Beweis antreten konnten, nicht alles selbst herstellen zu müssen, was Sie verkaufen. Welche Konsequenzen hat diese Erkenntnis für Ihre eigene Produktion?

Wir müssen uns einmal von der reinen Hardware-Dominanz lösen. In diesem Geschäftsjahr wird sich entscheiden, in welchen Bereichen wir verstärkt OEM-Produkte anbieten werden. Wir sind dabei, unser Produktportfolio in diese Richtung zu prüfen und zu optimieren. Sicher ist: Wir werden weiterhin selbst alle Druckmaschinen bauen, daran hängt unser Herz und Erfolg.

Was bedeutet es für Ihre bisherige Lieferantenstruktur, wenn Sie teilweise OEM-Produkte in Vorstufe oder Weiterverarbeitung anstelle eigener Maschinen vertreiben werden? 

Da wo, wir uns für OEM entscheiden oder heute schon OEM machen, müssen Aufwand und Nutzen in einem gesunden Verhältnis stehen. Keinesfalls darf der Aufwand höher sein als in unserem Kerngeschäft.

Derzeit vertreiben Sie Druckplatten mehrerer Hersteller, darunter auch Fujifilm. Welchen Stellenwert wird Fujifilm in dem Bereich künftig haben?

Diese Komponente werden wir noch deutlich intensivieren. Insgesamt hat das eine andere Qualität der Zusammenarbeit als mit anderen Plattenlieferanten.

Vielen Dank für das Gespräch.

Martin Schwarz

(4c Printausgabe 3/2014)

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