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Kochstudio

27.07.2017 10:29

Bleiwüsten bewandern, Bannerfarmen meiden

Das darf doch nicht wahr sein. In Deutschland werden Printmedien von Entscheidungsträgern immer intensiver genutzt, während Onlinemedien in dieser hoch relevanten Zielgruppe verlieren. Es ist aber wahr. Und das kommt gar nicht besonders überraschend.

Wofür er sich wohl entscheidet? Laut der Statistik wahrscheinlich für die Printausgabe. © Fotolia.de

Da staunte die Fachwelt nicht schlecht. Bei der Vorstellung der jüngsten Leseranalyse Entscheidungsträger (LAE) 2017 für Deutschland brillierten die Printausgaben der Zeitungen und Zeitschriften mit zum Teil satten Leserzuwächsen. Gleichzeitig blieben die Nutzerzahlen der Online-Angebote mit bis zu zweistelligen Verlusten weit hinter den Erwartungen zurück.

Die Häme über die Relevanz deutscher Reichweitenstudien war dann deutlich vernehmbar: Von der „Wunderwelt LAE“ war die Rede. Während die Auflagen mancher Printerzeugnisse bekanntlich seit Jahren rückläufig sind, kann es nicht sein, dass gleichzeitig die Leserzahlen bei den Entscheidern so deutlich steigen. Unvorstellbar, dass die Entscheider immer häufiger zu "Zeit", "Welt" "Stern", "Spiegel" oder "Brand Eins" greifen, dafür aber stern.de, spiegel.de und focus.de im Web weniger oft ansteuern.

Klare Entscheidung

Zugegeben, dieses Ergebnis mutet erklärungsbedürftig an. Jedoch nur für den, der sich mit dem Phänomen der B2B-Entscheider nie auseinandersetzte. Denn seitdem die LAE die Nutzung der Online- und App-Angebote der Wirtschaftspresse erhebt, bietet sich uns das fortwährend gleiche Bild: Bei den Wirtschaftstiteln, insbesondere bei den erhobenen Fachzeitschriften, sind die Printnutzer nach wie vor alleine für 80-90 Prozent der Gesamtreichweiten verantwortlich.

Die dazu immer wieder geäußerte Interpretation, die Entscheider seien eben älter und daher noch nicht in der digitalen Welt angekommen, ist blanker Unfug. Erstens sind 86 Prozent der Entscheider unter 60 und zweitens nutzen nicht weniger als 99,8 Prozent das Internet. Das Gegenteil ist also der Fall: Die Entscheider sind - wie zu erwarten - stark überproportionale Online-User. Genau genommen sind es die Medien-Profis schlechthin.

Da sie aber deutlich mehr Medien als Otto Normalverbraucher nutzen, selektieren sie stark. Sie fragen intensiver nach dem Nutzen der Inhalte und verlangen nach einer deutlich höheren Content-Qualität. So erklärt sich die Stabilität der Printauflagen von Fachzeitschriften. Sie sind für die Entscheider absolut unverzichtbar.

Erkennbare Unterschiede

Das erklärt auch, warum Entscheider tatsächlich einen völlig anderen Medienkonsum bei Zeitungen und Zeitschriften an den Tag legen. Sie nutzen bei Medien das Beste aus zwei Welten. Sie können sehr wohl den qualitativen Unterschied zwischen gedrucktem "Spiegel" und spiegel.de erkennen. Sie bewandern nicht nur die Bleiwüsten von "Zeit", "FAZ" und anderen Printmedien, sie verweilen darin lieber denn je. Dies ist eben ihre Antwort auf die Medien-Digitalisierung.

Das sollte den Printmachern zu denken geben. Wollen sie die wichtigsten ihrer Leser - die Entscheidungsträger - nicht verlieren, müssen sie weiter in Qualität investieren. Das Gegenteil, der Abbau ihrer Redaktionen, gleicht einem Harakiri.
Noch mehr sollte das aber den Marketingentscheidern und Mediaplanern zu denken geben. Es findet eine deutliche Verschiebung der Leser zwischen Print und Online statt. Die Gebildeten, Intelligenten, Kaufkräftigen und Entscheidenden bleiben Print treu. Ihnen reicht die Qualität der Online-Medienangebote oft nicht. Sie haben nicht die Zeit, sich dort auf der Suche nach den für sie relevanten Informationen durch den Content-Belanglosigkeiten und Bannerfarmen zu kämpfen.

Die neue LAE zeichnet auch eine Sternstunde des Qualitätsjournalismus. Sie bricht eine Lanze für hochwertige Inhalte, für relevanten und bezahlten Content. Und der findet - noch immer - vor allem gedruckte Verbreitung.

Thomas Koch*

(4c Printausgabe Deutschland 4/2017)

Thomas Koch, Mediaplaner, Agenturgründer, Ex-Starcom-CEO, Herausgeber von "Clap" und Media-Persönlichkeit des Jahres, schreibt hier regelmäßig über die Zukunft von Print. Folgen Sie Thomas Koch auf Twitter: @ufomedia

 
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