Statistiken und Umfragen, das ist freilich auch ihr Problem, können sehr gefällig, mithin auch wandelbar sein. Natürlich ist die bloße Zahlenbasis unverhandelbar. Aber es kommt dann auf die Position an, aus der man sich den Zahlen nähert, ob die nun beunruhigend wirken oder ohnehin im Planquadrat des Erwartbaren angesiedelt sind. Bei der aktuellen von 4c durchgeführten exklusiven Printbuyer-Umfrage wird diese Brennweite der Deutung sehr offensichtlich.
Insgesamt 171 Printbuyer – Werber, Marketeers, Produktioner, Designer – aus Österreich, Deutschland und der Schweiz hat 4c zu ihrer Einschätzung der Druckindustrie befragt. Im Zentrum der Erhebung: die Kommunikationsfähigkeit der Industrie, ihr Einfluss auf die Entscheidungen von Printbuyern. Die Reaktionen auf die Ergebnisse grätschen irgendwo zwischen Beruhigung bei den Vertretern der Druckindustrie und Alarmismus bei den Printbuyern.
"Ich persönlich finde die Umfrageergebnisse nicht weiter überraschend, wenn man einkalkuliert, dass die großen Hersteller ihre direkte Printbuyer-Kommunikation deutlich reduziert haben. Wir haben in der Vergangenheit auch verstärkt Kommunikation für Printbuyer betrieben. Das war allerdings sehr kosten- und zeitaufwändig und der Nutzen schwer zu erfassen. Wir haben daher unsere ‘HEI Kampagne’ entwickelt, deren Inhalt die wichtigsten Trends und Anforderungen der Branche, also auch die der Printbuyer, aufgreift und unser Angebot dazu in Bezug setzt.”, sagt etwa Thomas Gorpe, der neue Marketingchef des Druckmaschinenherstellers Heidelberg.
Der Einfluss der Werber
Dass 38 Prozent der befragten Printbuyer die Kommunikation der Maschinenhersteller ihnen gegenüber als ungenügend, schlecht oder gar sehr schlecht beurteilen, überrascht auch den Werber Thomas Börgel nicht weiter: “Bei mir ist da nie etwas angekommen.” Nur meint Börgel, Geschäftsführer der auf Industriegüter spezialisierten Werbeagentur Brandhelfer im nordrhein-westfälischen Emsdetten: “Werber und Kreative haben großen Einfluss darauf, ob in der Planung einer Kampagne Print vorkommt oder eben nicht. Maschinenhersteller haben es in der Hand, wie sich das Medium Print weiter entwickelt und dazu kann Kommunikation mit den Printbuyern sehr hilfreich sein. Solange nur das Produkt, also die Maschine, im Vordergrund steht, kann das aber nicht funktionieren.”
Signale der Entfremdung
Diese Verantwortung, das kann man allen Herstellern ruhig unterstellen, wollen sie auch wahrnehmen, bloß: es fehlen nun auch die finanziellen Mittel. Dazu kommen die Enttäuschungen aus der Vergangenheit. “Wenn wir eine Veranstaltung machen und Druckdienstleister und Kreative einladen, so haben wir bei den Druckern eine Response-Quote im deutlich zweistelligen Prozentbereich. Bei den Kreativen sind es vielleicht fünf Prozent. Es ist schwer, an die Printbuyer ranzukommen”, erzählt Klaus Schmidt, Marketingchef von Koenig & Bauer. So ähnlich erlebt diese leichte Entfremdung auch Björn Panne, Geschäftsführer des Clusters Druck und Printmedien in Bayern: "Es fällt bei Veranstaltungen unglaublich schwer, die Entscheider zu mobilisieren. Deren Argument ist dann, dass Druckdienstleister, die auch dort sind, ja ohnehin nur etwas verkaufen wollen. Klar wollen die was verkaufen. Andererseits: wenn man sich dem Dialog mit den Dienstleistern verweigert, wird es umso schwerer fallen, wirkungsvolle Druckprodukte zu kreieren." Womit Panne schon recht gut das schwierige Milieu skizziert, in dem die Kommunikation zwischen Druckindustrie, Druckdienstleistern und Printbuyern sich bewegt. Die Maschinenhersteller nämlich sehen vor allem ihre Kundschaft in der Pflicht, den Printbuyer von den Vorzügen gedruckter Kommunikation zu überzeugen. "Die direkte Kommunikation mit den Printbuyern muss überwiegend von den Druckereien geleistet werden. Schließlich geht es um deren Kunden. Wer diese Kommunikation professionell betreibt, ist am Markt auch erfolgreich. Wer es nicht tut, wird es schwerer haben, sich durchzusetzen.”, sagt Thomas Gorpe.
Riskante Strategie
Für den Geschäftsverlauf des einzelnen Druckers stimmt das natürlich. Aber ob die kommunikative Brücke zwischen Druckdienstleister und Printbuyer tatsächlich so ausgebaut ist, wie das der Branche insgesamt gut tun würde, ist ungewiss. Auf die Frage, ob sie sich von ihrem jeweiligen Druckdienstleister genügend über technische Möglichkeiten informiert fühlen, antworteten zwar mehr als die Hälfte der befragten Auftraggeber mit “ja” oder “eher ja”, doch insgesamt 39 Prozent erwidern darauf “Eher nein” oder “nein”. “Ich würde mich als Maschinenhersteller ja nicht darauf verlassen, dass die Druckdienstleister mein Verständnis von Print genau so in den Markt tragen, wie ich mir das vorstelle”, sagt Werber Thomas Börgel.
Vorausgesetzt, es braucht eine Bündelung der Argumente für Print, eine Justierung der Botschaften, können Hersteller das nicht auf Hunderte kleine Betriebe ohne Abstimmung untereinander abwälzen. “Die Vorteile der technischen Innovationen von Maschinen für den Printbuyer sind oft nicht genügend kommuniziert. Man muss das Medium Print mit Argumenten aufladen. Der Medien-Einkäufer sucht ja nach dem besten Medium für seine Kampagne. Wenn er da wenig über die Wirkungsweise von Print erfährt, dann wird er sich anderen Technologien zuwenden. Der erste Ansprechpartner wäre wohl der Drucker.”, sagt Druck-Lobbyist Panne. Immerhin 27 Prozent der Printbuyer, so zeigt die 4c-Umfrage, informieren sich bei ihren Druckdienstleistern über Entwicklungen in der Industrie, nur Branchenmagazine sind mit 41 Prozent eine noch beliebtere Informationsquelle. “Wir haben immer noch diese Druckerei-Websites mit den reichhaltigen Informationen über Passermarken. Die Druckereien übernehmen leider immer noch allzu gern die technologischen Beschreibungen der Hersteller für ihr eigenes Marketing. Irgendwie ist das ja auch verständlich: die Drucker sind froh, wenn sie mehr Geschäft an Land ziehen können, der Außendienst muss irgendwelche Schlagzahlen erfüllen”, meint der Münchner Produktioner Johannes Woll milde.
Das Glück des Digitaldrucks
Ein bisschen besser als die Offsetindustrie, findet jedenfalls Woll, machen das die Hersteller von Digitaldruckmaschinen. “Die großen Anbieter kommen ja alle aus dem Consumer-Bereich. Die haben gelernt, wie Marketing funktioniert und vor allem, wie notwendig es ist”, lokalisiert Thomas Woll einen historischen Vorteil. Dem würde Alfred Zmek, Marketingmanager bei Canon Österreich, wohl nur ungern widersprechen. Er ortet aber nicht alleine historisch bedingte Vorteile: “Die Digitaldruckhersteller halten womöglich intensiveren Kontakt mit den Druckdienstleistern. Das erfordert ja schon unser Geschäftsmodell: wir sind auch diejenigen, die regelmäßig Verbrauchsmaterial liefern, die sich um die Software kümmern. Das war bei den Offset-Herstellern lange Zeit anders, die haben nur die Maschinen geliefert.” Womöglich spielt den Digitaldruck-Anbietern aber auch ins Revier, dass ihre Technologie noch mehr Potenzial bei der Entwicklung neuer Anwendungen hat – und das Marketing daher eher von den Interessen der Printbuyer geleitet ist.
Das Bratwurst-Muster
Vom deutschen Wirtschaftswissenschaftler Klaus Backhaus hat Werber Thomas Börgel eine sehr verdichtete Zusammenfassung gängiger Investitionsstrategien entliehen: “Wir kaufen nur, was man auch mit Bratwurst und Blasmusik einweihen kann.”. Für einen etwas gezielteren Dialog mit den Auftraggebern von Druckprodukten braucht es keine Blasmusik und keine Bratwurst. Ökonomischer Labsal für die Branche wäre es trotzdem.
Martin Schwarz
(4c Printausgabe 5/2013)