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Bewerber-Strategie

17.07.2011 09:01

Mehr als nur witzig

Ein Grafikdesigner muss kreativ sein - und sich auch dementsprechend präsentieren. Angeblich. Wie Agenturchefs den Faktor Kreativität bei der Bewerbung wirklich gewichten worauf sie ganz genau schauen.

Auf die eruptive Pointe in ihren Arbeiten sind sie ja alle irgendwie versessen.  „Die meisten Menschen empfinden unsere Arbeit bereits als kreativ, wenn es aus ihrer Sicht `witzig´ ist”, sagt Kurt Dornig, Chef der gleichnamigen Design-Agentur. Doch spätestens beim Gestalten eines Kommunikationsauftrittes für ein Bestattungsunternehmen oder eine Drogenberatungsstelle wird klar, dass Originalität nur einen Teil der Aufgabenstellung abdecken kann. „Für mich geht es bei wirklich kreativer Gestaltung um maximales Einfühlungsvermögen und einem emotionalen Zugang zum Thema. Das beginnt damit, sich mit Inhalten vertraut zu machen und reicht bis zur Auswahl des passenden Papiers oder der richtigen Drucktechnik. Und manchmal ist auch die unscheinbarste Lösung die kreativste, weil der Ansatz einfach neu ist“, sagt er.

Dornigs wohl formuliertes Anforderungsprofil für Bewerber zeigt: Kreativität ist für den Bewerber nur eine Trumpfkarte, wenn sie auch ausgepsielt werden kann bei der Umsetzung.

Idee als Produkt

Für Jo Nussbauer von der Werbeagentur Rahofer hingegen ist die Sache mit der Kreativität mitunter etwas einfacher. „Das Produkt einer Agentur ist die Idee“, sagt er. Und somit ist die Kreativität der Rohstoff, aus dem die Ideen geformt werden. Sein Kollege, Charlie Zimmermann, Artdirector der Innsbrucker Agentur Zimmermann Pupp, sieht es ähnlich simple: wenn vom Mitarbeiter mehr zurück kommt, “als man erwartet, dann ist es Kreativität”. Und: Ideen müssen so einfach, so leicht zu verstehen sein, dass “sie jedem hätten einfallen können”.

„Das funktioniert allerdings nur dann, wenn man vorher seine Hausaufgaben gemacht hat und sich mit dem Produkt sowie dem Anliegen eines Auftraggebers intensiv beschäftigt hat”, so Zimmermann. Oder anders: Man steckt wie bei den Goldgräbern, zuerst seinen Claim ab und beginnt erst dann zu graben. Und dann muss man für sich entscheiden, ob das Gefundene genug ist. Oder ob er noch weiter schaufeln soll.

Wie bei der Schularbeit

Allein: Bevor man die Schaufel in die Hand nimmt, braucht man auch einen entsprechenden Vertrauensvorschuss. Vom Chef. Vom Kunden. Wie man dazu kommt? In erster Linie muss man wissen, zu wem man überhaupt passt. “Gerade für Grafiker gilt das, denn schließlich geht es schon um so etwas wie eine persönliche Handschrift – und die kann man auf Dauer schwer verbiegen”, meint Zimmermann. “Wie gut jemand dann wirklich wird, ist natürlich nicht ganz leicht zu beurteilen”, gesteht Gerd Haselsteiner von der Agentur Wundermann PXP. Er fragt sich immer wieder, ob es eher die Awards sind oder doch die Kundenzufriedenheit, die einen guten Kreativen auszeichnen – und kommt nicht wirklich zu einer Antwort. Deshalb hat er für sich einen Vergleich gefunden: „Man kann es ein bisschen mit der Beurteilung von Mathematik- und Deutsch-Schularbeiten vergleichen. In der Mathematik gibt es Rechenergebnisse, die zu einer gewissen Punkteanzahl führen. Bei einer Deutsch-Schularbeit gibt es Rechtschreibfehler und dann kommt der große Bereich des Inhalts dazu, der ähnlich der Kreativität sehr schwer zu beurteilen ist. Da kommt man schnell in Versuchung, die Arbeit mit persönlichem Geschmack zu beurteilen.“ Um Geschmacksdiskussionen zu vermeiden, versucht er deshalb immer nach der genuinen Idee hinter einer Arbeit zu fragen. Denn auch wenn die Umsetzung noch nicht perfekt ist, die Idee jedoch toll, so wird die Arbeit am Ende einzigartig und gut werden, ist er überzeugt.

Die stärkste Idee 

Nicht immer ist übrigens eine einschlägige Berufserfahrung erforderlich. Manche Agenturen, wie zum Beispiel die Wiener Agentur Brainds etwa suchen Quereinsteiger. Das kann zum Beispiel ein Journalist sein oder ein Philosoph, jedenfalls einer, der einen anderen Background als den üblichen mitbringt. Für Brainds-Chef Peter Deisenberger ist das Vernetzen verschiedener Disziplinen von Vorteil, denn „in Agenturen muss man besonders strukturiert und prozesshaft vorgehen und da zeigt es sich bei neuen Mitarbeitern relativ schnell, wie sie mit dem scheinbar so engen Korsett des Prozesshaften umgehen können”.

Verdorbenes Fleisch

Doch bevor es dazu kommt, muss man sich erstmal das Bewerbungsgespräch gut überstehen und sich beweisen. Und das passiert meistens anhand der Mappe, also von Arbeitsbeispielen. “So schön und kreativ sie auch bestückt ist, sie hat ein massives Problem,” so Haselsteiner, „man kann nämlich nur schwer feststellen, wie hoch der tatsächliche Kreationsanteil eines Bewerbers an seiner ist, ob die Ideen und Layouts tatsächlich vom Bewerber stammen.“ Daher macht es Sinn, sich gerade hier ganz genau vorzubereiten. Haselsteiner zum Beispiel fragt da immer ganz genau nach. Diejenigen, die nicht ihre schönste Arbeit herzeigen, sondern die stärkste Idee präsentieren, sind wirklich interessant, glaubt er.

Für den Rest gilt: Wie gut ein Kandidat aber wirklich ist, das erfährt man sowieso nicht im Bewerbungsgespräch. Dazu braucht es schon eine gewisse Zeit. Und deshalb ist es allemal am besten, wenn man trotz Nervosität beim Bewerbungstermin möglichst authentisch bleibt. Denn der Chef wird sich nich t ausschließlich überlegen, was der Bewerber alles kann – sondern auch, wie gut er ins Team passt.

“Auf manche verrückte Bewerbung möchte man sowieso gerne verzichten”, sagt Haselsteiner. Etwa jene, als ein Bewerber verdorbenes Fleisch mit dem Aufdruck “Frischfleisch für Ihre Agentur” gesandt hat.