Creative Printing 2011
09.05.2011 10:28Auf der richtigen Seite
Ob Print wirklich noch Profit bringt und vor allem womit, verhandelten Designer, Druckmaschinen-Manager und Printbuyer bei der Creative Printing 2011. Weichgespülte Freundlichkeiten wurden nicht ausgetauscht. Statt dessen oszillierte das Programm zwischen konstruktiver Provokation und erkenntisreicher Analyse.
Die Usancen seiner eigenen Zunft hat Michael Dömer trotz langjähriger Tätigkeit nicht so sehr verinnerlicht. Während andere Berater bei der Analyse vielleicht unbefriedigender Zustände in die sprachliche Leere der Satzschachtel, des Verklausierens fliehen, schreckte der Hamburger Unternehmensberater in seiner Einführung zur „Creative Printing“-Konferenz im Wiener Metrokino das Publikum gleich einmal auf: „Print bringt Profit ist das Thema dieser Konferenz. Außer dass sowohl Print als auch Profit mit P beginnen, scheint es nicht allzu viel Übereinstimmung zu geben zwischen den beiden Begriffen“, so Dömer.
Dass Print und Profit nicht eine völlig widersprüchliche Begriffspaarung sind, sollte an jenem Nachmittag im Wiener Metrokino bewiesen werden und rund 130 Gäste aus der Druck - und Designbranche waren an diesem Nachweis interessiert. Nicht nur aus Österreich, sondern auch aus Deutschland und der Schweiz kamen in diesem Jahr die Gäste zur größten Druck – und Designkonferenz des Landes angereist - unter ihnen nicht alleine Drucker, sondern auch Designer, Marketing-Experten und Verlagsmanager.
Alibi-Argument
„Print braucht wieder mehr Selbstbewusstsein“, meinte Dömer in seiner Einführung. „Drucker schämen sich ja mittlerweile, dass es sie gibt“. Und die Angst der Drucker vor dem Web, so ist Dömer überzeugt, sei unbegründet, ja ein „schwachsinniges Alibi-Argument“. Denn je mehr sich in den Lebenswelten der Konsumenten auf dem Bildschirm abspiele, desto mehr sehnen sich Konsumenten nach einem Kontrastprogramm für Augen und Finger. „Je mehr sich die Menschen im Web aufhalten, desto wertiger ist Papier“, so Dömer. Und außerdem eröffnet das Web auch für Drucker neue Märkte. „Die Modekette H&M entdeckt über das eigene Web-Geschäft auch wieder Print und druckt Versandkataloge“.
Veränderungen in den Kundenbeziehungen
Einer, der von solchen Wiederentdeckungen beruflich eindeutig abhängig ist, hatte unmittelbar vor seinem Auftritt bei der Creative Printing wohl durchaus erfreuliche Tage hinter sich: direkt von der Print China kam Heidelberg-Vorstand Marcel Kießling nach Wien und machte mit seiner Präsentation dem einen oder anderen vielleicht zerknirschten Drucker Mut. „Es ist beileibe nicht alles so negativ, wie vielfach angenommen. Die Druckbranche ist ein wachsender Markt – trotz Internet und trotz Subventionen“. Im Jahr 2009 betrug das weltweite Druckvolumen 413 Milliarden Euro, für 2015 wird ein Volumen von 455 Milliarden geschätzt. Für die meisten der Drucker in den roten Plüschsesseln des Wiener Metrokino freilich dürfte die Freude höchstens abstrakt sein. Der Großteil des Wachstums findet in Weltgegenden statt, die für den Druckereichef zwischen Wien und Bregenz höchstens als Urlaubsziel, nicht aber als Markt erreichbar sind. In China etwa kletterten die Umsätze der Druckereien jährlich um zehn Prozent nach oben.
Das Geschäft von Druckereien aber wird auch getrieben von Veränderungen in der Beziehung zum Kunden und vielleicht auch im nötigen Perspektivwechsel. Wo es früher genügt hat, einfach die maschinelle Infrastruktur zur Verfügung zu stellen, muss nun wohl auch beraten werden. In dieser Beratung, in der Wandlung des Druckers zum Trendscout für den Kunden, da liegt noch ungenutztes Potenzial. „Denken Sie an die Automobilindustrie. Die wissen genau, wie die Autos der Zukunft aussehen werden“. Von der Wichtigkeit der Kundenbeziehungen hatten die Druckereichefs an diesem Tag schon einmal intensiv gehört: Peter Haric, Mitglied der Geschäftsführung der Triple AG AG hielt im Rahmen der Creative Printing 2011 einen exklusiven Workshop rund um Marketing und Vertrieb für Druckdienstleister.
Magazinige Tageszeitungen
Eine konkrete Vorstellung von der Zeitung der Zukunft hat wohl Thomas Drensek, Chef der Axel Springer-Druckerei in Hamburg/Ahrensburg. Denn in den weitläufigen Produktionshallen seines Betriebs wird täglich an neuen, spektakulären Add Ons für die Zeitungen des Springer-Konzerns getüftelt. „Es wird wieder bunter, verrückter und magaziniger werden“, so Drensek. Für die Springer-Titel „Bild“ oder „Welt“ sowie die Wochenzeitung „Die Zeit“ tüftelt das Team Drenseks dauernd an neuen Technologien, um Leser und Werbekunden wieder für das Medium Zeitung zu begeistern. Mit riesigen Panoramaseiten zum Beispiel, die wahlweise den mittlerweile sehr verblichenen Eisbären Knut oder auch Werbung zeigen. Oder mit Memosticks oder perforierten Seiten wie dem Kinder-Teil der „Zeit“.
„Ich liebe Drucker“
Drensek dürfte sich zurecht eindeutig nicht angesprochen fühlen vom durchaus provokativen Auftakt der Rede des Wiener Designers Clemens Schedler: „Ich liebe die Drucker, aber mit leuchtet nicht ein, warum die auch so viel Müll drucken“. Einen jedenfalls finanziell so genügsamen Kunden haben Druckereien wohl eher selten. Clemens Schedler feilscht nicht, er handelt nicht, er will nicht unbedingt den niedrigsten Preis für sein Vorhaben, sondern jenen, bei dem sich Qualität und preisliche Fairness in Balance halten. "Der Drucker soll ruhig Reserven haben. Er soll auch die Druckplatten austauschen können, wenn er es während des Druckjobs für nötig hält, um die Qualität hochzuhalten", erzählt der Designer - erst kürzlich mit dem Staatspreis für das "Schönste Buch Österreichs", die "Autobiographischen Schriften" von Thomas Bernhard gleichsam geadelt. Eine "Mangel - und Konkurrenzkultur" ortet er in der Branche und unter der leide nun einmal die Qualität. Schedler selbst arbeitet seit Jahren nur mit einer Handvoll österreichischer Druckereien zusammen und nimmt damit auch in Kauf, beim großen Preis-Dumping nicht mitzumachen. Wichtiger, so meint er, ist ihm die Beziehung mit der Druckerei. Und er meint in all den Jahren entdeckt zu haben, dass die Menschen an der Maschine besser arbeiten, wenn der Druckjob auch anständig kalkuliert ist, "selbst wenn der Drucker selbst nicht wirklich weiß, wie viel Marge bei dem Job, an dem er gerade arbeitet, für das Unternehmen abfällt". Ob Flurfunk oder andere Kräfte verantwortlich sind für dieses doch seltsame Phänomen, kann Schedler nicht erklären.
Österreich-Fan
Ein bisschen gezaubert hat dann jedenfalls Ingo Eichel, Business Development Manager bei Adobe Systems in München, auf der Bühne des altehrwürdigen Metrokinos. Er präsentierte diekt vom iPad aus, wischte durch die Folien. Und lobte. “Österreich ist ganz vorne, was digitale Magazine betrifft”, sagt er. Insbesondere das heimische “Red Bulletin” dürfte es ihm angetan haben. “Wunderbar gelungen” sei es da, das Bewegtbild mit der Anmutung von Print auf dem Bildschirm zu kombinieren. Seiner Zeit voraus ist jedenfalls technisch auch die Gratis-Postille “Weekend-Magazin”. Neue Software – und er meint damit wohl auch jene aus dem Hause Adobe – mache es heute eben möglich, auch ohne Programmierkenntnisse und großartige Eigenentwicklungen Printmagazine für die neuen Medienkanäle zu adaptieren.
31.000 Katalogseiten
Mit Print und nur mit Print indes beschäftigt sich Nicole Franke in ihrem Job. Als Einkaufsleiterin für alle Drucksorten des Reisekonzerns TUI ist sie wohl eine der mächtigsten Printbuyerinnen des deutschsprachigen Raums und war in den Pausen der Creative Printing dementsprechend eine ausgesprochen beliebte Ansprechpartnerin der Drucker und Papiermanager unter den Gästen. Immerhin 31.000 Katalogseiten produziert sie pro Jahr. Ihre Arbeit, so gab sie in ihrem Vortrag zu verstehen, wird immer anspruchsvoller. Denn je mehr Print beweisen muss, auch als Verkaufsmittel zu taugen, desto variantenreicher in ihrer Gestaltung werden auch die Kataloge, die Franke produzieren lässt. Da gibt es den schlicht gedruckten Pauschalreisen-Katalog für das kleine Urlaubsbudget, aber auch den goldgeprägten Nobelkatalog für Menschen, die Schlosshotels oder Privatinseln bevorzugen.
Schöne Stadt, hässliche Zeitungen
Inspiration für seine Rede holte sich der polnische Stardesigner und Design Director bei der schwedischen Mediengruppe Bonnier wohl während seiner Spaziergänge durch Wien unmittelbar vor der Konferenz. “Es ist alles so schön in dieser Stadt. Die Architektur, das Design. Und dann schauen Sie sich das mal an”, so Utko und beamte die Titelseiten einiger österreichischer Tageszeitungen auf die Kino-Leinwand. “Diese Designs sind ja teilweise 20 Jahre alt. Respekt, dass die noch funktionieren. Aber Ihr Print-Leute scheint nicht mehr an Print zu glauben, wenn man sich das so ansieht”. Da mag dem einen oder anderen Designer im Publikum der Schreck in die Knochen gefahren zu sein, aber von der Anklage wegen alter Fonts und einfallsloser Seitenschnitte wechselte Utko recht flott zu seiner Antizipation der papiernen Zukunft: “Der Magazin-Stil wird auch in die Tageszeitungen einziehen. Simple Nachrichten haben keine Chance, Exklusivität interessiert die Leser sowieso nicht, weil es im Zeitalter des Web für das gedruckte Medium und dessen Inhalte keine Exklusivität mehr geben kann”, ist Utko sicher. Vielmehr muss kreativer Journalismus Geschichten anders verkaufen, nicht mehr bloß reagieren auf Ereignisse. Das Design spielt da eine immer größere Rolle: “Die jungen Leute haben ja nicht einmal mehr ein Email-Prgramm, die sind in Facebook oder Twitter zuhause. Das bedeutet aber auch, dass sie visuell sehr sensible sind”. Es genügt nicht, wenn man da ein großes Bild und dort ein kleines, hier eine Textbox und dort ein Interview hinein quetscht. Die Zeitung muss als Einheit betrachtet werden. “Im Netz nämnlich gibt es keinen Art Director, de rein Gespür für Design hat und der die Dinge zusammen führt und so verständlicher und konsumentenfreundlicher macht”. Vielleicht ist ja auch das Begreifen der Zeitung und des Gedruckten als optische Antithese zum Web und der ihm innewohnenden Notwendigkeit zum Klick ein Weg, um wieder Profit mit Print zu machen.