Business Design Tools Druck Digital PLUS
StartseiteDruckFeinpapier-TrendsDie neuen Faserschmeichler

Feinpapier-Trends

06.12.2010 13:20

Die neuen Faserschmeichler

Das Geschäft für Feinpapiere zieht ein wenig an. Nicht, weil Druckereien zu den begeisterten Anwendern der Faser-Kreationen gehören, sondern weil Agenturen das so wollen. Und die Papierdesigner wieder ideenreich sind.

Auf Druckereien können die Anbieter von Feinpapieren nicht unbedingt zählen bei der Verkaufsförderung. Zu divergierend ist da die Interessenlage, zu instabil das nur mühsam austarierte Geschäftsmodell der Druckdienstleister: einem Kunden Feinpapier als Bedruckstoff für sein Projekt anzubieten, kompliziert und verlangsamt den Druckprozess, preissensible Kundschaft wird außerdem durch die höheren Kosten verschreckt – und die Margensituation verbessert sich auch nicht. Also wählen Druckereien alternativ lieber konventionelles Bilderdruckpapier, einen Sorglos-Stoff im Drucksaal. „Die Agenturen sind diejenigen, die Wert legen auf das Papier und gerne feine Sorten wählen“, sagt Sandra Kietreiber, Kundenbetreuerin bei Arctic Paper. „Bei Designprojekten ist nicht das Normale gefragt und Papier ein großes Thema. Um sich abzuheben, ist vor allem die Haptik entscheidend“, meint sie passend zur neuen Produktoffensive von Arctic Paper, neue Munken Rough-Qualitäten auf den Markt zu bringen.

„Ich denke, es wird vom Marketing generell versucht, Papier in die Botschaft zu integrieren, damit es sich stärker von elektronischen Medien absetzt. So wird zum Beispiel im Bereich Direct Mail immer stärker die Haptik und Optik des Papiers in den Vordergrund rücken. Dieser Trend ist vielleicht nicht ganz so stark bei Geschäftspapieren zu registrieren, aber auch da empfehlen wir bestimmte Papiere für bestimmte Kundengruppen. Ein eher raues Naturpapier wirkt formaler, konservativer und empfiehlt sich beispielsweise für eine Rechtsanwaltskanzlei oder ein Notariat, während ein Umweltschutzpapier aus 100 Prozent Recyclingfasern, das nicht voll aufgehellt ist, zu einer Umweltschutzbehörde passt“, erklärt Johannes Klumpp, Vertriebs- und Marketingleiter für ungestrichene Feinpapiere bei Mondi.

Wirkstoff Wirkung

Nicht unbedingt, wie es aussieht, eher wie es sich anfühlt, definiert die kommerzielle Stärke von Feinpapieren. Orm Rudolf, bei der Papier Union verantwortlich für den Bereich Premiumpapiere, sieht deshalb auch eine zunehmende Nachfrage. „Print kann nie so schnell sein wie das Internet, aber dafür kann gerade hochwertiger Print viel nachhaltiger sein. Die Anwendungen verlagern sich deshalb in eine höhere Wertigkeit. Mailings werden also weniger in der Masse und vielleicht auch mit einer geringeren Auflage produziert, dafür erreichen sie die Spitze der Zielgruppe. Das bedeutet am Ende des Tages, dass Entscheider schönes Papier wählen, weil damit Wirkung erzielt werden kann. Dazu gehört auch die Refinanzierung. Das heißt, wenn ein schönes Premiumpapier teurer ist als ein Konsumpapier, muss das auf der anderen Seite wieder verdient werden.“
Wie Image oder Ästhetik monetarisiert werden können, leuchtet der Kundschaft aber nicht immer gleich ein – erst einmal wird am Preis gemäkelt. „Einen Designer kann man leicht für hübsches Papier begeistern. Aber Projekte scheitern, weil der Kunde zuerst einmal nur den Preisunterschied sieht“, sagt Rudolf. Die Möglichkeiten zur Monetarisierung von Image oder Ästhetik hat die Papier Union kürzlich in einer Studie mit einem Reiseunternehmen und einer großen PR-Agentur zu illustrieren versucht. „Das kann man ganz kühl rechnen. Der Papierpreis bei einem Premiumapier ist um einige Prozent höher, aber ich erziele damit auch die vielfache Responsequote. Daraus folgt, dass entsprechend weniger Porto benötigt wird und weniger Adressen gekauft werden müssen. In diesen Bereichen findet man deshalb auch sehr viel mehr Premiumpapiere als in der Vergangenheit. Das Papier ist teurer, aber für diesen Mehrpreis gibt es auch einen Mehrnutzen wie eine höhere Responsequote oder mehr Abgrenzung vom Wettbewerb“, so Orm Rudolf.

Die Sparsamen und die Begeisterten

Selbst mit einem höheren Volumen kann der Mehrwert eines Projektes schon gesteigert werden. Sandra Kietreiber: „Vor allem bei kleineren Projekten wird mehr Wert auf besondere Papierqualitäten gelegt. Und Besonderheit heißt in diesem Falle eine besondere Haptik. Damit kann man sich einfach gut vom Standard abheben und fällt mit seiner Werbung mehr auf. Dafür ist es bei Großprojekten, bei denen hohe Auflagen in der Produktion verwendet werden, sehr wichtig, die Kosten zu reduzieren. Dann werden beispielsweise geringere Grammaturen verwendet. Sehr gefragt sind deshalb Volumenpapiere, die trotzdem Kosten sparen.“
Manch Kundschaft freilich stiert weniger skeptisch auf den Posten Papier bei der Gesamtkalkulation eines Druckprojektes: „Viele Kunden veredeln ihre Drucksorten mit außergewöhnlichen Feinpapieren, um einen Eyecatcher zu kreieren oder die Hochwertigkeit ihrer Produkte zu unterstreichen. Einige namhafte Unternehmen lassen Sonderanfertigungen mit einer eignes gestalteten Prägung, Filzmarkierung oder Farbe produzieren, um so Unverwechselbarkeit zu erlangen“, sagt Fedrigoni-Prokurist Marcus Lange.

Wollgefühl

Endlich werden auch die Musterbücher für die Papiere wieder spannender, Innovationen im Feinpapier-Segment lassen das Geschäft wieder etwas vitaler werden. „Zuletzt wurden viele metallische Papiere auf den Markt gebracht. Und dann hat man auf Teufel komm raus versucht, Papier mit noch mehr Fingerschmeicheleien auszustatten. So gab es Papiere, die sich nass anfühlten oder wie die Haut einer Orange. Jetzt wird wieder auf etwas mehr Authentizität Wert gelegt, da gibt es zum Beispiel Produkte, die sich wie Wolle anfühlen und auch wirklich einen hohen Baumwollanteil aufweisen. Oder den Jeanslook. Der ist bei der Papierherstellung recht schwierig zu simulieren, weil bei echten Jeans die hellen Elemente tief in der Stoffstruktur liegen. Aber es gibt ein neues Produkt, wo das nun geschafft wurde“, erzählt Orm Rudolf.
Ob die Investition in solche papiernen Abenteuer lohnt, hängt freilich ganz davon ab, wie geschmeidig sich die Papierwahl in die Anwendung fügt. Brauereien könnten mit Papier arbeiten, das aus den Resten der Bierproduktion, also Biertreber und recycelte Bieretiketten hergestellt wird. Betriebe, die Metall verarbeiten, können Karton verwenden, der einseitig mit einer hochglänzenden, fast spiegelartigen PE-Folie beschichtet ist, wie ihn etwa der Wiener Druckveredler Simsa unter dem Label Metalpaper seit kurzem anbietet.

Schnelle Trends, langsame Produktion

Die Ideen für diese Innovationen kommen direkt aus dem Markt, manchmal nur ist der mit seinen Launen und Turbo-Trends zu schnell für die doch behäbige Papierproduktion: „Wir veranstalten regelmäßig Trendmeetings. Das nehmen wir dann erst einmal auf, verdichten diese Marktinnovationen und stimmen uns etwa mit den Farbscouts ab. An Modezyklen können wir uns nicht halten, denn bis Papier einmal hergestellt ist, kann der scheinbare Trend auch schon wieder vorüber sein. Wir müssen langfristiger denken und handeln, ähnlich wie es die Automobilbranche tut“, erklärt Papier Union-Experte Rudolf.
„Wir nutzen ein siebenstufiges Phasenmodell für den Produktentwicklungsprozess. Das wird bei uns sehr konsequent eingesetzt. Dazu gehört eine Marktmachbarkeit oder Marktanforderungsphase, die technische Machbarkeit, eine erste Vorstufe zur Entwicklung, eine zweite Entwicklungsstufe, ein Papiertest. Vertrieb, Marketing, Produktentwicklung, Produktion, Qualitätssicherung und das Customer Service sind alle mit in diesen Prozess eingebunden. Und am Ende steht dann das fertige Produkt. Die Durchlaufzeiten sind unterschiedlich. Es gibt Produkte, die benötigen 18 Monate, bis sie auf dem Markt sind, und andere entwickeln wir innerhalb von vier Monaten zur Marktreife“, erklärt Johannes Klumpp.
Marcus Lange weiß: „Es ist ein langer Weg, bis ein neues Papier Einzug in unser Sortiment nimmt. Die Idee zu einem neuen Produkt entsteht in unserer Zentrale in Italien. Die aktuelle Mode nimmt dabei auch Einfluss auf die Produktentwicklung. Beispiel hierfür ist das Papier ‚Savile Row‘ für das als Inspiration ein Nadelstreifenanzug dient.“ Wie beruhigend, dass der Nadelstreif schon beinahe ein zeitlos-angesagtes Textilutensil ist und wohl auch bei den nächsten Frühjahrskollektionen der Designer eine Rolle spielen wird. 

Anja Schlimbach

leaderboard,skyscraper,rectangle_cad_300_250,banner_468,rectangle_300_250,rectangle_300_100