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Large Format

22.06.2014 17:52

Sie können auch anders

Ein vergleichsweise erlösträchtiges Terrain ist der digitale Großformatdruck noch immer und entsprechend groß die Anziehungskraft für neue Wettbewerber. Behaupten werden sich in diesem Umfeld jene Spezialisten, die der Drucktechnologie nicht uneingeschränkte Aufmerksamkeit widmen.

Es gab eine Zeit in seiner Karriere, da war das Wetter, markantes insbesonders, eines der schlagendsten Argumente für Mike Horsten. Als der jetzige Marketing-Chef des Großformat-Herstellers Mimaki einst die Geschicke einer niederländischen Großformatdruckerei mitgestaltete, war eines seiner erfolgreichsten Produkte die – das klingt zuerst mal nicht so spannend – Fahne. Fahnen, sie waren in diesem Fall jedoch nur der Stoff, um den herum Horsten ein auffälliges Package baute.

Das Versprechen, das Mike Horsten seinen Kunden gab, war dieses: Widriger Winde wegen wird wertvolle Wirkware weniger wund. Zu Horstens Fahnen-Flatrate-Abo in den zugigen Niederlanden gehörte: die Grundversorgung mit einem Jahresbedarf an Fahnen, ein paar Exemplare auf Lager für den Fall eines zerstörerischen Windstoßes, ein Austausch-Service für kaputt gegangene Stücke. „Die Kunden haben gemerkt: da denkt einer mit“, sagt Horsten. 

Die neuen Marktbegleiter

Die gedankliche Begleitung der Kundschaft ist für Druckereien, die sich auf das digitale Großformat festgelegt haben, das dominante Kriterium für wirtschaftlichen Erfolg. Gerade jetzt, wo der Preisdruck auch dieses Segment erreicht hat. Laut einer Studie des Beratungsunternehmens Infotrends ist das Druckvolumen im Vorjahr stärker gewachsen als der weltweite Umsatz im Großformatdruck. Mehr Marktteilnehmer und nicht gerade die, die mit dem Tugendpool des digitalen Großformats vertraut sind, ortet Tim Greene, Analyst bei Infotrends, als einen der Gründe für diese Schieflage in der Statistik: „Jeder sucht natürlich nach profitablen Nischen und Unternehmen, die früher nie mit dem digitalen Großformat zu tun hatten, steigen jetzt in diesen Markt ein.“, sagt Greene gegenüber 4c.  Es sind insbesondere Akzidenzdrucker, die sich für vergleichsweise billiges Geld in das Spezialistentum einkaufen. Je mehr dieser Druckereien mit ihren manchmal tradierten Vertriebsmustern aber die Schürfrechte in dem Geschäft für sich beanspruchen, desto eher sind die Spezialisten gezwungen, neue Erlösquellen über ungewöhnliche Applikationen oder Services zu erschließen. „Wenn ich einen Tipp für Drucker hätte, dann diesen: investieren Sie vor allem in Ihr Geschäft, nicht nur in Maschinen“, sagt Greene unmissverständlich. In der Studie, die Greene für den Großformat-Verband FESPA erstellt hat, wird das offensichtlich: 57 Prozent der 250 Druckdienstleister, die Greene befragt hat, gaben an, dass ihre Kunden die Lieferung der Produkte an ihren Einsatzort wünschten, bei knapp der Hälfte der Drucker verlangte die Kundschaft nach noch komplexeren logistischen Leistungen.

Anderes Interesse

Gerade im Gravitationsfeld der Aufmerksamkeit, das Messen wie die kürzlich in München abgehaltene Fespa Digital bieten, blühen jede Menge technologischer Schlagwörter. „Natürlich versuchen die Hersteller gerne einen Technologiewandel herbei zu reden“, sagt Roman Mattes. Der Geschäftsführer des auf das Großformat spezialisierten Händlers Alphaset kennt den Einfallsreichtum der Hersteller, Themen zu kreieren, die der Markt dann aber nicht so schnell absorbiert. Grünes Drucken wäre so ein Fall. Da ist Roman Mattes erfahrungsreich etwas skeptisch. „Wir bieten bei Bedruckstoffen auch immer eine grüne Alternative an. Da die Produkte aber meist nicht die gleichen Leistungsmerkmale haben und teurer sind, hält sich die Nachfrage der Endkunden, die natürlich ein Interesse an der Langlebigkeit der Beschriftungen haben, in Grenzen.“, sagt Mattes.

Gegenprogramm

Es war der HP-Konzern, der vor Jahren mit der Vorstellung der Latexdrucker eine Technologie ins Blickfeld geraten hat lassen, die als umweltverträgliches Kontrastprogramm zu Solvent verkauft wurde. Der Verdrängungswettbewerb, der da konstruiert wurde, hat aber nicht richtig Fahrt aufgenommen. „Vor fünf Jahren hat man schon behauptet, Latex würde andere Technologien ablösen. Das ist nicht passiert. Abgesehen davon ist Latex auch wegen des höheren Energiebedarfs natürlich nicht so grün, wie gern behauptet wird“, sagt Marktprofi Mattes.

Die Latex-Technologie von HP und anderen Herstellern hat zweifellos viele Vorteile. Sie ist geruchslos, die Drucke ausgesprochen widerstandsfähig gegen das Ausbleichen. Sie aber dogmatisch gegen Solvent zu positionieren, könnte ein Fehler gewesen sein. Einpreisen nämlich können Großformatdrucker den scheinbar grünen Technologiewechsel nicht. Selbst die FESPA als Verband der Großformatbranche hat in der Rückschau die grünen Hoffnungen der Branche ein bisschen relativiert: „Man muss diesen ökologischen Aspekt im Kontext mit vielen anderen Faktoren in dem Geschäft betrachten“, meint FESPA-Chef Neil Felton gegenüber 4c.

Eine Ablöse der Solvent-Technologie durch Latex wird es nicht so schnell geben. „Solvent ist natürlich nicht tot, das behauptet nur HP“, formuliert Mimaki-Marketingchef Mike Horsten kräftiger. Wohl gemerkt sagt das einer, der selbst einige Latex-Modelle im Angebot hat.

Der Held im Konzern

Woran Printbuyer im digitalen Großformat eher interessiert sind als an technologischen Glaubensfragen: Einfallsreichtum bei den Applikationen und Wissen um deren Einsatzmöglichkeiten. Man muss ein wenig in die Welt eines großen Printbuyers wie der Deutschen Bahn eintauchen, um die Mechanismen rund um die Beschaffung von Großformatprodukten zu verstehen. Da verwaltet Carola Lammich, die Print-Chefeinkäuferin der Bahn, ein Budget von derzeit rund 25 Millionen Euro, das sie an mehr als 180 Druckereien zu verteilen hat. Einige von ihnen sind Großformat-Spezialisten, die Aufträge für Fassadenverkleidungen oder Plakate in den Bahnhöfen erhalten. „Für uns ist der Beratungsansatz wichtig, den eine Druckerei uns vermittelt“, sagt Lammich im Gespräch mit 4c. „Da sitzen ja Bedarfsträger im Konzern und müssen verstehen, wie lange etwa ein Druck hält, bevor er im Sonnenlicht ausbleicht und was es für eine Alternative gibt.“, so Lammich über die Anforderungen eines Konzerns wieder Deutschen Bahn. „Es gibt beim Großformatdruck mehr Anforderungen als im gewöhnlichen Akzidenzdruck“, beschreibt Lammich das ökonomische Reservoir, aus dem Spezialisten schöpfen können. „So ein Bedarfsträger, der bei uns im Konzern einen Auftrag erteilt,  will ja auch glänzen und der Held sein. Ein Drucker hat sich einen Freund geschaffen, wenn er richtig informiert“.  Beratungsfreudige Drucker können hilfreich sein bei dieser Heldenwerdung.

Lammich warnt die Großformatdrucker aber auch, die gleichen Fehler zu begehen wie sie im Offsetdruck vorkommen: „Im Offset war das beherrschende Thema die Rationalisierung der Fertigung. Diese Vorteile wollen Kunden natürlich eingepreist sehen. In die Falle sollten die Spezialisten nicht tappen“, sagt Lammich.

Schneller Rhytmus

Der Hamburger Udo Schendel erwartet indes von Druckereien, sich sehr genau an den strengen Rhythmus zu halten, den andere in der sehr langen Prozesskette vorgeben. Schendel ist Geschäftsführer der auf Außenwerbung spezialisierten Agentur Jost von Brandis und hat ein feines Sensorium dafür entwickelt, welchen Veränderungen das Außenwerbegeschäft ausgesetzt ist: „Die Druckqualität ist für uns kein Thema. Ein Druckdienstleister, der mit uns zusammen arbeiten möchte, fügt sich gut in die Lieferkette ein und stört das Timing nicht. Denn eines müssen wir feststellen: Durch die digitalen Medien gewöhnen sich unsere Kunden sehr schnell an kurze Rythmen und die möchten Kampagnen immer schneller starten. Da braucht es einfach Termintreue.“

Darüber hinaus wird der digitale Großformatdruck seine technologische Autorität bei versionierten Produkten künftig noch stärker unter Beweis stellen müssen. Natürlich gilt das für Anwendungen im Interior Design wie personalisierten Tapeten, neuerdings aber  sogar im Außenwerbe-Bereich: „Plakatkampagnen werden immer regionalisierter. Und mit regionalisiert meine ich nicht Postleitzahlen, sondern eher Straßenzüge. Kleinteiliges Geomarketing ist inzwischen Kriterium bei 80 Prozent der Kampagnen, die wir betreuen. Das ist also auch für den Drucker ein Thema, mit dem er sich auseinander setzen muss“, sagt Agenturchef Udo Schendel.

Freude an den Nuancen

Der disruptive Impuls in diesem speziellen Segment kommt, man ahnt es wohl, eben von den Druckereien und nicht so sehr aus der Maschinentechnologie. Das Wesen dieses Marktes wird geformt durch die Fülle an Anwendungen, die Menge der Substrate und die erweiterten Erlösmodelle von Montage bis Verklebung. Die Leidenschaft für die Ausreizung der Substrat-Vielfalt lebt in Wien Stefan Fiedler, Geschäftsführer des Salon Iris, vor. Auf rund 100 Substraten druckt der gelernte Fotograf mittlerweile. Daraus folgt zwingend: „Es ist ein sehr beratungsintensives Geschäft. Die Kunden kommen zu uns und erwarten diese Kompetenz. Oft geht es da um Nuancen, mit denen sich nicht so spezialisierte Druckereien niemals beschäftigt haben.“, sagt Fiedler. Aus den Nuancierungen und den Substraten folgt aber auch: „Eine Standardisierung gibt es bei uns nicht. Die Vielfalt ist einfach zu groß.“ Pro Stunde produziert der Salon Iris gerade einmal zehn Quadratmeter an Produkten. Rüstzeiten oder Workflow-Optimierungen und was sonst noch das Vokabular industrieller Druckproduktion bereit hält, sind da – im Gegensatz zum Offsetdruck - nicht ganz so dominant. Berechtigter Einwand: es ist schon recht speziell, was der Salon Iris betreibt und die Produktivität von Maschinen selbstverständlich ein Kapitel im Pflichtenheft. Aber aus dieser Produktivität ein so hartes Wettbewerbskriterium wie etwa im Offsetdruck abzuleiten, würde den Möglichkeiten in dem Markt nicht gerecht. Auch wenn nun die Effizienzmeister aus dem Offsetdruck in das Geschäft mit den noch großzügigen Margen drängen, haben die Spezialisten eben einen Vorsprung: „Sie verstehen den Markt besser und die Vielfalt der Anwendungen“, diagnostiziert FESPA-Chef Felton.

Kerzenkommerz

Rund um den Großformatdruck tun sich Komplementärmärkte auf, die Drucker auch ohne große Investitionsschübe erschließen können. Ein dem Großformatdruck durchaus nahes Betätigungsfeld bietet die Bedruckung von 3D-Objekten und damit die Möglichkeit, der Kundschaft neben Bannern oder Postern für Shops auch gleich Werbemittel zu liefern. Für rund 2.500 Euro ist ein entsprechendes Zusatzaggregat von Mimaki zu haben, das relativ einfach auf einen Mimaki-Flachbettdrucker montiert werden kann. In Großbritannien hat eine Druckerei damit kürzlich brennendes Verlangen bei einer bestimmten Kundenklientel geweckt: Sie bedruckt damit etwa Kerzen für Hochzeiten.

Sturmwarnung

Zum damaligen Flaggen-Flatrate-Abo von Mike Horsten gehörte ganz nebenbei auch ein Abogeschenk: wenn Sturm aufzog, verschickte Horsten Warnungen per Mail an die Kundschaft, damit die ihre Flaggen rechtzeitig einholen konnte. Damit macht man sich in den windumtosten Niederlanden vermutlich Freunde.

Martin Schwarz

(4c Printausgabe 4/2014)

Der #4ctalk zum Thema

Welches Potenzial hat der Großformatdruck wirklich? Diese Frage wollen wir mit Ihnen diskutieren. Bei unserem nächsten #4ctalk auf Twitter am 27. Juni von 13 bis 14 Uhr. Bitte fügen Sie Ihren Beiträgen einfach den Hashtag #4ctalk hinzu, damit andere Diskussionsteilnehmer Ihren Beiträgen folgen können. Wir freuen uns auf eine angeregte Diskussion!

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