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Papier-Innovation

16.02.2016 10:13

Papierne Weisheiten

Ein Auftrag. Ein störrischer Niederländer. Eine Papierfabrik in Indien. Eine Idee. Aus all dem entstand Paper Wise, ein Papier, das aus Agrar-Abfällen gewonnen wird.

Fündig wurde er, gewonnen hatte er vorerst trotzdem nichts. Als Peter Van Rosmalen, Manager beim niederländischen Verpackungsgroßhändler  Moonen Packaging vor mittlerweile neun Jahren im Auftrag des Unternehmens nach nachhaltigen Verpackungslösungen zur Erweiterung der Produktpalette suchte, entdeckte er eine für ihn faszinierende Lösung in der Schweiz. Pacovis, ein Schweizer Unternehmen, hatte ein Einweg-Geschirr auf den Markt gebracht, das anstelle von Kunststoff aus Zellstoff von Agrarabfällen bestand. Doch als sich Van Rosmalen danach erkundigte, ob dieser Zellstoff auch eingesetzt werden kann, um Papier und Karton zu produzieren, waren sich die Hersteller ziemlich sicher, dass dies wohl nicht möglich sein würde. Sein damaliger Arbeitgeber war an der Fragestellung, die Van Rosmalen bewegte, deutlich weniger interessiert: Moonen Packaging wollte Handel treiben und nicht Grundlagenforschung.

Das hätte das Ende der Geschichte sein können. Aber Van Rosmalen gab nicht auf. Moonen Packaging einigte sich mit dem wissbegierigen Van Rosmalen: Wenn er es schaffen würde, aus dem Abfall-Zellstoff ein Produkt zu entwickeln, würde Moonen Packaging der erste Kunde sein. 

In Kagithapuram

Doch der Weg von Abfall zu Papier war lang. Ohne spezielle Vorkenntnisse in der Papierproduktion, allein von der Idee beseelt, Papier und Karton aus Agrarabfällen herzustellen, begann er nach Unternehmen zu suchen, die dieses Vorhaben gemeinsam mit ihm umsetzen wollten. „Es hat mich überrascht, dass in Europa keiner daran interessiert war“, so Van Rosmalen, der schließlich in Indien fündig wurde. Das Werk, das im Süden Indiens im Ort Kagithapuram in der Provinz Tamil Nadu liegt, existiert seit 1984 und hat bereits 1993 einen eigenen Windmühlenpark angelegt, sodass es heute in der Lage ist, seine Produktion zu 100 Prozent mit Windenergie zu bestreiten.

Außerdem wurde vor einigen Jahren eine Zementfabrik auf dem Firmengelände gebaut, um die Abfälle aus der Papierproduktion darin weiter verwerten zu können. In unmittelbarer Nachbarschaft zur Papierfabrik entstehen zudem große Mengen an Agrarabfällen. Zu Van Rosmalens Glück war der Geschäftsführer dieser gut ausgestatten Fabrik bereit, Testpapier und -karton aus Agrarabfällen zu produzieren sowie gemeinsam an der Entwicklung einer PaperWise-Fabrik zu arbeiten.

Brüssel

Um die für den europäischen Markt erforderliche Papierqualität gewährleisten zu können, wurden nicht nur die Werksmitarbeiter weitergebildet, sondern auch eine Lebenszyklusanalyse für das Produkt in Auftrag gegeben. Die mit der Studie beauftragte Universität Amsterdam fand dabei heraus, dass die Umweltbelastung über den gesamten Lebenszyklus betrachtet Paper Wise-Papier insgesamt um 47 Prozent niedriger als bei FSC-Papier von Holzfasern und 29 Prozent niedriger ist als bei Recycling-Papier. „Der Unterschied zum FSC-Papier war größer als wir erwartet hatten“, so Van Rosmalen, der zuvor in Brüssel dafür gekämpft hatte, ein EU-Eco-Zertifikat für sein Papier zu bekommen. Doch keine Chance: keine EU-Eco-Zertifizierung ohne FSC-Zertifizierung. Mittlerweile wurden für Paper Wise bereits zwei weitere Lebenszyklusanalysen erstellt, die zu ähnlich positiven Ergebnissen kamen. Diese wurden nicht etwa von Paper Wise selbst, sondern von zwei Kunden beauftragt.

Genügend Abfall

„Eigentlich ist es nichts Besonderes, mit Agrarabfällen zu arbeiten. Da ist genauso Zellstoff drin enthalten wie in Bäumen. Sobald man den Zellstoff gewonnen hat, ist der Prozess der Herstellung identisch wie bei herkömmlichen Papieren“, berichtet Van Rosmalen. Bei den Agrarabfällen handelt es sich meist um Stängel und Blätter von Nutzpflanzen wie Reis, Getreide oder Zuckerrohr, die nach der Ernte übrig bleiben. Erstaunlicherweise werden nur 20 Prozent der Nutzpflanzen, die jährlich angebaut werden, zu Nahrung für Mensch und Tier verarbeitet – 80 Prozent werden zu Agrarabfällen, von denen wiederum nur ein kleiner Teil als alternative Energiequelle oder Dünger verwendet wird. „1,8 Prozent des jährlich anfallenden Agrarabfalls weltweit würden ausreichen, um den gesamten Papier- und Kartonverbrauch in Europa für ein Jahr abzudecken“, rechnet Van Rosmalen sich Mut an.

Kopier-Erfolg

Insbesondere bei kleineren Bestellmengen ist der Preis allerdings um 20 bis 30 Prozent höher als bei Normalpapier. Zum einen wird derzeit noch in geringeren Mengen und weniger effizient produziert als in europäischen Papierfabriken und zum anderen sind die Transportkosten höher. „Natürlich wäre es besser, wenn wir Paper Wise irgendwann in Europa produzieren könnten, andererseits muss man auch sagen, dass wir an unseren jetzigen Fabrik-Standorten maßgeblich zu sozialen Entwicklungen für die lokale Bevölkerung beitragen“, sagt Van Rosmalen. Die Fabrik hat zwei Schulen und ein kleines Krankenhaus errichtet, die von den Mitarbeitern, deren Kindern und den Bewohnern der umliegenden Dörfer kostenlos genutzt werden können. „Solange ich mit Paper Wise eine Kombination aus Innovation, gutem Produkt und sozialer Verbesserung schaffen kann, bin ich zufrieden“, so Van Rosmalen. Während der langen Entwicklungsphase von zwei Jahren hielt er seine potenziellen Kunden immer fleißig telefonisch auf dem Laufenden. Im April 2015 begann dann der offizielle Verkauf von Paper Wise-Produkten – von Kopierpapier über Etiketten bis hin zu Verpackungen. In Deutschland wird Paper Wise nun von der IGEPA-Gruppe vertrieben, in Österreich und die Schweiz besorgt Pacovis den Vertrieb.

Kopierpapier ist bisher der größte Markterfolg von Paper Wise. Irgendwann, so hofft Van Rosmalen, werden dann auch Druckereien und die Verpackungsindustrie auf Paper Wise kommen. 

Anja Schlimbach

(4c Printausgabe 1/2016)

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