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Zeitungsdruck

22.10.2013 10:13

Ende der Verbannung

Er war bisher höchstens auf weit entfernten Eilanden eine Option für die Zeitungsproduktion. Das Engagement von Presse-Vertrieben und die Nöte der Verlage könnten nun aber den digitalen Zeitungsdruck auch auf dem Festland ankommen lassen.

Lokale Beilagen für regionale Medien in der Lombardei: die Druckerei CSQ in Bergamo ist vor mehr als einem halben Jahr in den digitalen Zeitungsdruck eingestiegen. © 4c

Gegen diese Mangelerscheinung kann man nun wirklich nichts machen. „Leider sind nicht genügend Inseln verfügbar“, seufzt der Chef der Druckerei CSQ. Der Betrieb, den Di Cian leitet, steht im norditalienischen Bergamo, mitten auf dem Festland, gut erreichbar, nur 40 Kilometer nördlich der Millionenmetropole Mailand. Inseln aber, das war bisher der Konsens, sind die zentrale Voraussetzung dafür, mit digitalem Zeitungsdruck ökonomisch ins Trockene zu kommen. Dario Di Cian hat es trotz der topographischen Widrigkeiten gewagt: seit Frühling dieses Jahres betreibt Di Cian eine T230-Rollendruckmaschine von HP, um Zeitungen auch digital drucken zu können

Viel Wasser drumherum, lange und teure Transportwege und am besten noch eine touristische Destination – das waren die idealen Voraussetzungen, um auf diese Variation der Produktion zurück zu greifen. Die Chancen, die der Technologie zugestanden werden, sind nicht viel größer als die Inseln, auf denen sie heute schon genutzt wird: auf Malta, auf Zypern und natürlich im fernen La Reunion im Indischen Ozean, östlich von Madagaskar, südlich von Mauritius und ziemlich genau in der Mitte von Nirgendwo.

Fehler Personalisierung

Langsam aber befreit sich der digitale Zeitungsdruck von seiner Verbannung auf fernen Eilanden, setzt sich auch dort fest, wo Transportwege kurz und billig sind und daher vermeintlich keine Veranlassung besteht, sich mit der neuen Technologie zu befassen. Um für die Branche an Relevanz zu gewinnen, muss der Digitaldruck nun vor allem eines überwinden: die Fehler, die seine Schöpfer begangen haben, als sie zu Beginn, rund um die Drupa 2008, den digitalen Zeitungsdruck als Instrument verkaufen wollten zur Etablierung einer völlig neuen Art der Zeitung. Doch keiner wollte diese völlig andere Zeitung, die personalisierte nämlich. Erst Ende 2012 hat die Schweizer Post ihr Projekt einer solchen ganz persönlichen Zeitung, „My Newspaper“ hieß sie, aufgegeben. „Diese Personalisierung als Einstiegsszenario aufzubauen, hat einfach nicht funktioniert. Personalisiert werden Informationen nun eben online“, sagt Alwin Stadler, beim Druckmaschinenhersteller Manroland für das Digitaldruck-Geschäft verantwortlich.

Nicht nur Zeitung

Nochmals Bergamo, nochmals das Druckhaus CSQ; weil an jenen Produkten, mit denen Dario Di Cian seine Maschine füllt, sich womöglich am schärfsten abzeichnet, wie der Digitaldruck im Zeitungsumfeld zurecht gestutzt wird auf Normalmaß. CSQ druckt für die beiden regionalen Zeitungsverlage, denen das Druckhaus gehört, lokale Beilagen, außerdem zwei russische Zeitungen und tagsüber Direct Mailings. „Es ist kein Geschäft, aber es ist eine Chance“, sagt Dario Di Cian nach etwas mehr als einem halben Jahr Erfahrung mit der Maschine. „Damit es auch ökonomisch funktioniert, drucken wir eben auch Produkte, die weit weg sind von der Zeitung“, so Di Cian. Noch braucht es dieses Produktpuzzle, um die Maschinen sinnvoll betreiben zu können. Dafür wurden die Maschinen auch weiter entwickelt: „Die Qualität hat merklich angezogen, mittlerweile sind auch genügend Papiersorten vorhanden“, sagt Manroland-Manager Alwin Stadler.

Falsches Kalkül

Beim vermuteten Kerngeschäft dagegen kann man mit einiger Sicherheit behaupten: die Hersteller von Digitaldruckmaschinen haben das Beharrungsvermögen von Verlagen unter – und den Faktor Faszination an der digital gedruckten Zeitung völlig überschätzt. Ihr Kalkül war: wenn die Auflagen der Zeitungen weiter sinken, müssen Verlage irgendwann einmal den Digitaldruck als letzte Möglichkeit zur wirtschaftlich sinnvollen Zeitungsproduktion in Betracht ziehen. Falsch. Durch den automatischen Plattenwechsel, den etwa eine Cortina von Koenig & Bauer bietet, lohnt die Offsetproduktion auch noch mit vielen kleinen Teilauflagen. Selbst wenn Teilauflagen so klein werden, dass sich ihre Produktion nun nicht mehr lohnt, weichen Verlage eher darauf aus, Lokalausgaben zusammen zu legen oder aufzugeben.

Nur eine Überbrückung

Dem Digitaldruck stehen sie aus zweierlei Gründen noch skeptisch gegenüber. Erstens: die Kosten der Tinten und der Maschinen selbst. „Der digitale Zeitungsdruck ist zumindest aus unserer Sicht noch nicht ökonomisch sinnvoll umsetzbar. Außerdem sprechen wir ja nicht über Kleingeld. So eine digitale Maschine kostet schon mal rund die Hälfte einer konventionellen Zeitungsdruckmaschine, aber ihre Nutzungsdauer ist weit geringer.“, sagt Kurt Kribitz, Geschäftsführer der Druckerei des Styria-Verlags in Graz. Und zweitens: die fehlende Perspektive. „Das Problem liegt eben auch darin, dass der Leser so etwas nicht unbedingt als neu wahrnimmt. Und dafür bedeutet es eine hohe Investition der Verlage.“, sagt Kribitz. Damit hat er recht. Digitaldruck nur deshalb einzusetzen, weil sich eine Offsetproduktion bei sinkenden Auflagen nicht mehr lohnt, ist nur ein technologischer Bypass für ein weiter bestehendes Problem am Markt. Die Attraktivität des Produkts Zeitung wird sich damit nicht erhöhen, das vermeintliche Licht am Ende des Tunnels könnte doch nur die Grubenlampe des Totengräbers  sein.

Gescheiterte Verlage

Wenn denn ein Schub für den digitalen Zeitungsdruck kommt, so werden regionale Zeitungen antreten müssen. Mit ihrem bisherigen Krisenmanagement sind sie rigoros gescheitert. „Die Verlage haben begonnen, die Lokalteile ihrer Zeitungen aus Kostengründen zu reduzieren. Und gleichzeitig beklagen sie sich, dass sie Leser verlieren. Das ist doch etwas schizophren, denn es sind ja genau die lokalen bis hyperlokalen Inhalte, weshalb Menschen eine Regionalzeitung lesen. Der Weg muss sein, die Inhalte noch kleinteiliger zu gestalten. Aber diese Umstellung vollzieht sich langsam.“, erzählt Ingo Schultz, Vertriebsleiter beim Pressevertrieb IPS im deutschen Meckenheim. Regionalzeitungen, diese These hält sich seit Jahren, könnten am ehesten in der privilegierten Situation sein, ihre Printprodukte gegen die Konkurrenz aus dem Web zu verteidigen. Aber ein Blick auf die Statistik macht skeptisch: seit dem Jahr 2000 sind die Auflagen deutscher Regionalzeitungen um knapp 22 Prozent gefallen, nur Kaufzeitungen und Sonntagszeitungen haben mehr Gravitation am Lesermarkt eingebüßt. Zwingende Schlussfolgerung: das redaktionelle Sparen, das Zusammenlegen oder Aufgeben von Lokalausgaben, das Aushöhlen des eigentlichen Kerns, hat bisher höchstens die Kostensituation entspannt.

Plattenwechsel statt Kulturwechsel

„Die Modelle müssen von den Verlagen kommen. Es braucht einen Kulturwechsel“, beschreibt Manfred Werfel, stellvertretender Chef der internationalen Zeitungsorganisation WAN-Ifra die Herausforderung. Bisher aber war eher Platten – und nicht Kulturwechsel angesagt. Das ändert sich langsam und die weißen Ritter können nur die Distributoren sein. Kein Partner in der langen Wertschöpfungskette des Produkts Zeitung ist eher prädestiniert dafür, den digitalen Zeitungsdruck aus seiner Starre zu lösen. Um lokale Inhalte auch zum Leser zu bringen, braucht es Mikrologistik, die Pressevertriebe besser beherrschen als andere.  „Wir wissen um die Vertriebschancen, wir wissen, wie die Relation zwischen verkauften und unverkauften Exemplaren ist und wir können Hybridprodukte mit einem Offsetteil und einem digital gedruckten Teil leicht konfektionieren“, erzählt IPS-Vertriebsleiter Ingo Schultz. Seit Februar betreibt IPS gemeinsam mit einem Berliner Grossisten eine Kodak  Versamark VL 4200 in Berlin-Schöneberg. „Unsere Druckmaschine steht in Berlin gleich neben der Kommissionerhalle des Pressegrossisten“, sagt Schultz. Da gehört sie auch hin.

Aus der Provinz

Es sind kleine und mühsame Schritte, die IPS setzen muss. „Wir versuchen, mehrere Verlage aus anderen Teilen Deutschlands zu überzeugen, ihre Zeitungen in kleinen Auflagen für die Hauptstadt zu drucken. Rund um die Bundestagswahl bieten wir den Verlagen verstärkt an, ihre Titel in Berlin zu produzieren und zu vertreiben“, erzählt Schultz. Allerdings bekennt er auch: es ist unendlich mühseliger, in Berlin Geschäft zu generieren als in den zwei Druckstandorten in Rom und Mailand, die das Unternehmen ebenfalls betreibt. „Nach Italien wollen die ausländischen Tageszeitungen, da sind ja auch die Touristen.“

Test-Geschäft 

Wie auch CSQ in Bergamo muss IPS in Berlin seine Druckkapazitäten einstweilen noch mit Kollateralgeschäft füllen und macht das sehr gewieft: „Ein schönes Nebengeschäft sind unsere Händlerplakate. Die Verlage können Versionen für jeden Bezirk oder sogar jeden Straßenzug in den Handel bringen. Das kommt hervorragend an und als Distributor sind wir dafür natürlich gut aufgestellt“, sagt Schultz. Die je nach Kiez veränderten Plakate für die Zeitungen, sie sind schon einmal ein Betabusiness für das Hyperlokale.

Allesleister

Die Vertriebslogistik als Katalysator eines halbwegs erfolgreichen Geschäfts mit dem Digitaldruck hat auch Rodd Winscott erkannt. Winscott, Chef der Druckerei Newsweb Printing in Chicago hat leider ebenfalls keine Inseln parat, dafür aber eine TKS Jetleader-Maschine im Drucksaal. „Uns ist klar, dass wir das ganze Paket anbieten müssen, vom Druck bis zur Distribution. Ohne das kann dieses Geschäftsmodell nicht funktionieren. Das können wir gewährleisten durch unsere Verträge mit zwei Pressevertrieben hier in Chicago“, sagt Winscott. Was für andere Druckereien das ferne und schwer erreichbare Eiland ist, sind für Winscott die vielen sehr aktiven Minderheiten in Chicago, rund 100 an der Zahl. Für die druckt er Zeitungen, teilweise, wie etwa für die polnische Volksgruppe, täglich. Entwicklungsspielraum aber ortet Winscott vor allem bei ausländischen Titeln, die vielleicht auch nur für einen begrenzten Zeitraum auch in Chicago präsent sein möchten, etwa während Kongressen oder Messen. „Wir können für europäische Zeitungen alles vom Druck bis zur Lieferung an Zeitungskioske anbieten“, meint Winscott – und genau dieses Multitasking braucht es.

Für ihn jedenfalls zahlt sich der kleinauflagige Druck aus: „Bei einem Titel mit 2.000 Exemplaren bleibt uns beim Druck auf unserer Goss Community-Maschine eine Gewinnspanne von etwa 15 Prozent, produzieren wir das gleiche auf der TKS Jetleader, sind wir bei 40 Prozent.“ Statt fünf Druckern wie bei der Goss benötigt er für den Betrieb der TKS Jetleader nur einen.

Winscotts Szenario

Winscott hat sich ein durchaus nachvollziehbares Szenario zusammen gereimt, warum alles gut wird für den digitalen Zeitungsdruck. „Die Verlage werden sehen, wie die Auflagen der großen Printtitel rasant fallen, je mehr digitale Produkte sie anbieten. Das ist eine große Chance für den Digitaldruck. Sie werden dann neue Ideen für kleinauflagige Nischenprodukte, für bestimmte Zielgruppen, entwickeln müssen, mit denen man auch Geld verdienen kann“. Rodd Winscott hat für den Fall schon vorgesorgt und vor kurzem eine zweite Digitaldruckmaschine bestellt.

Martin Schwarz

 

4c aus Chicago

Newsweb Printing in Chicago druckt einige Exemplare dieser 4c-Ausgabe auch auf unterschiedlichen Sorten Zeitungspapier. Wollen Sie eines dieser besonderen Exemplare erhalten, um die Möglichkeiten und die Qualität digitalen Zeitungsdrucks kennen zu lernen, so senden Sie uns bitte einfach ein Mail an . Dieses Service ist für unsere Leser natürlich kostenlos.

(4c Printausgabe 6/2013)

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