Adobe Alternativen

21.09.2012 08:57

Die Billig-InDesigns

Apples Mac-Appstore bietet Programme aus unzähligen Kategorien zum Download. 4c hat die DTP-Apps unter die Lupe genommen. Von Rainer Scheichelbauer

Adobe Alternative iStudioAll in two: iStudio hat ein einziges Fenster und eine riesige Scroll-Palette, in der alle anderen Funktionen zusammengefasst sind. © Beigestellt

Aus dem Archiv Vektor-Nachwuchs Und sie bewegen sich doch App Store nun auch für den Mac Jetzt schlägt es 13 Über Dinosaurier Comeback der Flunder-Macs Fontlab Studio 5.1 im Anflug

Sucht man im Apple-Appstore nach Layout-Apps, stößt man bald auf zwei Tools, die viel gemeinsam haben. Beide heißen „Publisher“, einmal aus dem Hause Swift, einmal von iStudio. Beide kann man derzeit für weniger als zwanzig Euro auf die Festplatte laden. Die Lernkurven sind flach und leicht zu nehmen: Für beide Programme gibt es ausführliche Video-Tutorials, mit deren Hilfe man nach einem Nachmittag den Dreh raus hat. Wer die Programme ausprobieren will, muss also nicht viel Zeit investieren.

Swift Publisher

Der Swift Publisher setzt – ähnlich wie Apples iWork-Programme – auf ausgefeilte Vorlagen. Rund 180 sind bereits eingebaut, für 15 Dollar mehr bietet der Hersteller ein Zusatzpaket mit extra Fonts, Vorlagen und Clipart. Die Programmierer haben sichtlich Wert auf die Integration ins Mac-System gelegt: Von Haus aus wird das Versionen-Speichern und der Vollbildmodus von OS X unterstützt. Der Publisher ist außerdem eine volle 64-Bit-App und performt auch erwartungsgemäß gut.

Im Betrieb fallen viele kleine Gustostückerl auf. Das Kalender-Tool etwa kann schnell den Kalender für einen Monat erzeugen. Der Haken: Einige Attribute wie Schriften, Linien und Farben lassen sich zwar adjustieren, das Kalenderobjekt lässt sich aber nicht für eine genauere Bearbeitung in seine Bestandteile zerlegen.

Vorlagen-DTP mit Haken

Das Prinzip der intelligenten Vorlage zieht sich durch das Programm – auf Kosten der Flexibilität. So bietet der Swift Publisher eine ganze Reihe von so genannten „Smart Shapes“ an. Das sind Vektorobjekte, deren Aussehen mit einstellbaren Parametern geändert werden kann. Mit ihnen lässt sich schnell ein Stern in ein Fünfeck umwandeln und die Anzahl der Seiten dynamisch anpassen, ohne die Form neu aufziehen zu müssen. Kehrseite der Medaille: Auch die smarten Formen lassen sich nicht in bearbeitbare Pfade lösen, wenn man dann doch einmal eine speziellere Form benötigt.

Bilderrahmen lassen sich leicht wiederverwenden, indem man einfach auf ein neues Bild im „Source Panel“ klickt. Dieser Abschnitt des Fensters zeigt nicht nur die mitgelieferten Cliparts und Smart Shapes an, sondern kann auch den Inhalt eines beliebigen Ordners wiedergeben – praktisch für den Zugriff auf Bilder in einem Projektordner.

Zur Bildbearbeitung klickt man einfach doppelt auf ein Bild. Im nun erscheinenden Dialog lassen sich Beschnitt, Farbeinstellungen und Effekte einstellen. Will man einen einmal angewandten Effekt aber wieder loswerden, muss das Bild neu in den Rahmen laden.

Alle anderen Einstellungen lassen sich über den „Inspector“ am rechten Fensterrand vornehmen. Der Inspector hat vier Abschnitte mit Attributen fürs Dokument, die Abmessungen des aktuellen Objekts, die Farben und Inhalte desselben und Text.

iStudio Publisher

Der große andere Appstore-Layouter, iStudio Publisher, verfolgt ebenfalls den Ein-Fenster-Ansatz. Im Gegensatz zu Swift ist iStudio noch immer ein 32-Bit-Programm, das letzte Update liegt auch schon ein Jahr zurück. Dafür läuft iStudio auch noch auf einem alten G4.

Leider merkt man das in der Performance und der Stabilität unter Mountain Lion. iStudio lässt sich leicht überfordern: Ein einfacher Textfluss über mehrere Seiten kann die App bereits in die Knie zwingen. Wer mit iStudio layouten will, sollte also nicht allzu große Projekt planen – und regelmäßig speichern.

Auch iStudio setzt auf Vorlagen. Die Templates sind aber nicht ins Programm integriert, sondern befinden sich online. Beim Anlegen eines neuen Dokuments wird man auf eine Webseite umgeleitet, von der  immerhin bereits über 400 verschiedene Vorlagen geladen werden können. Der Vorteil: Die Datenbank wird regelmäßig erweitert und gepflegt, auf Trends wird schnell reagiert. So finden sich bereits Vorlagen für Apples iBook-Service.

In der „Shape Library“ gibt es auch Formvorlagen für Vektorobjekte. Im Gegensatz zum Swift Publisher erlaubt iStudio aber die nachträgliche Bearbeitung mit dem „Reshaping“-Werkzeug. Die Formen sind also nicht auf Gedeih und Verderb „smart“.

Zerknirschung beim Zeichnen

Apropos Vektor: Bei den Zeichen-Tools weist iStudio mit dem „Multi-Line-Tool“ auf den ersten Blick eine innovative Idee auf. Der User soll sich nicht mehr um Pfadpunkte und Anfasser kümmern, sondern nur sagen müssen, was für eine Art von Kurve er haben will und die Punkte angeben, die sie durchlaufen soll. Genauer betrachtet stellt sich die Herangehensweise allerdings als zu umständlich heraus. Einfaches Klicken und Ziehen der Bézierpunkte, wie man es von den gängigen DTP-Apps kennt, gibt es nicht. Stattdessen muss man sich bei jedem Segment für einen von sieben Segmenttypen und eine von vier Ausrichtungen entscheiden. Macht man einen Fehler und drückt Befehl-Z, muss man den ganzen Pfad von vorne beginnen.

Das Pfad-Tool von Swift Publisher ist ebenfalls so gut wie unbrauchbar. Einen bestehenden Pfad fortzusetzen ist zum Beispiel nicht möglich. Alle gezeichneten Punkte sind Kurvenpunkte, Ecken kann man nur nachträglich hineinarbeiten. Freilich: Pfade zeichnen ist nicht unbedingt die Kernkompetenz eines Layout-Programms.

Typo-Katastrophe

Typografie zählt aber sehr wohl zu den Kernkompetenzen. Den Umgang mit Schrift beherrschen beide Apps leider nur sehr eingeschränkt. Vor allem iStudio schneidet hier katastrophal schlecht ab. Farbe, Größe, Zeilenabstand, Einrückung und Abstand zum nächsten Absatz, mehr kann iStudio nicht. Es gibt keine OpenType-Features, keine Sprachen, kein Zeilenregister, keine Absatz- oder Zeichenformate, keine hängende Punktuation. Dafür besteht das Schriftmenü aus unnötigen Schriften-Samples.

Die Swift-Lösung baut immerhin auf der Text-Engine von Apple auf und bietet somit zumindest einige Opentype-Funktionen. Außerdem kann man Formate anlegen. Dumm nur, dass die Formate nicht dynamisch mit dem Text verknüpft werden. Ändert man ein Format, muss man es händisch neu zuweisen. Typografisch hat also auch der Swift Publisher einem Programm wie TextEdit nicht viel voraus.

Zwei zu null für Adobe

Die typografische Mängelliste ist verblüffend lang. Für professionelle Typografie disqualifizieren sich deshalb beide Programme. Das ist erstaunlich schwach, weil beide bereits einige Jahre auf dem Markt sind. Vorläufig muss sich Adobe also noch keine Sorgen um seine Marktposition machen. Beide Billig-Programme bieten schlicht einen zu geringen Funktionsumfang für brauchbares DTP.

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