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30.09.2012 12:19

Rachingers digitale Demenz

Johanna Rachinger, Generaldirektorin der Österreichischen Nationalbibliothek, will Bücher künftig nur noch in ihrer digitalen Variation sammeln. Und übersieht dabei, dass das Wesen eines Buches nicht alleine in dessen Inhalt besteht.

Johanna Rachinger, Generaldirektorin der Nationalbibliothek: sie will Bücher nur noch digital sammeln. © ÖNB

Aus dem Archiv Google zahlt schon Nicht mehr als eine Momentaufnahme Ein Blog vor dem Start der österreichischen NZZ Posthume Preise Mit allem ausgestattet Nur ein Stockwerk Ein Zerrbild

Was ÖNB-Generaldirektorin Johanna Rachinger in der letzten Woche bei einer Pressekonferenz vorstellte, wäre unter normalen Umständen ein Fall für die Randspalten der Tageszeitungen gewesen: ihre „Vision 2025“ über die Zukunft der Nationalbibliothek. Doch das Orchideen-Thema hat es auf die Titelseiten geschafft, wenigstens ein zentraler Punkt von Rachingers Vision: Bücher sollen künftig nicht mehr physisch, sondern nur noch in ihrer digitalen Form von der Bibliothek gesammelt werden. Rachinger argumentierte ihren Plan mit dem Platzmangel, unter dem die Institution leidet.

Nachvollziehbar ist das allemal, andererseits sollte man von der prominentesten Bibliothekarin des Landes, einer Hüterin des österreichischen Kulturschatzes, erwarten können, anders zu argumentieren als der Filialleiter einer Einzelhandelskette.

Nun fordert die IG Autoren Rachinger zum Rücktritt auf. „Bücher bzw. Printmedien als kollektives gesellschaftliches Gedächtnis dürfen keinesfalls ausschließlich in virtueller Form aufbewahrt werden“, schreibt die Interessengemeinschaft der heimischen Autoren, außerdem bestehe die Gefahr, dass die technologische Veränderung, die der elektronischen Speicherung und E-Books nun einmal eigen ist, die Zugänglichkeit über eine lange Dauer nocht garantiert werden könne. Das kulturelle Erbe würde also der digitalen Demenz, die systemimmanent ist, anheim fallen.

Nun muss man kein hoffnungsloser Nostalgiker sein, um Rachingers Plänen mit noch einem wesentlichen Argument zu begegnen: ein Buch ist mehr als die Summe seiner Inhalte. Ein Buch und dessen Charakter lebt auch von seinem Körper, vom Wechselspiel aus Inhalt, Typografie, Papier, Bindung, Haptik, vielleicht sogar von seinem Geruch, der sich im Laufe der Jahre verändert. Das hat Rachinger offenbar nicht in Erwägung gezogen bei ihren Plänen, was für eine Bilbiothekarin leider auch nicht wirklich ein Befähigungsnachweis ist. Da ist es schon reichlich seltsam, wenn Rachinger gleichsam als Beruhigungspille für die aufgebrachte Öffentlichkeit einschränkt, solche Bücher weiterhin physisch zu sammeln, die „haptischen Wert“ hätten. Es fragt sich: wer soll das beurteilen? Sie vielleicht? Nach der Ankündigung ihrer Pläne darf man daran zweifeln, dass sie das kann. Und abgesehen davon: gerade Bücher, die nach Rachingers Auffassung haptischen Wert hätten, würden vielleicht noch mehr Regalmeter fressen.

Mit Kompromissen wird man in der Frage nicht weiter kommen, mit bibliothekarischem Beurteilungsvermögen auch nicht; nein, Bücher werden auch künftig in ihrer gedruckten Form zu sammeln sein, egal, ob sie nun nach Rachingers Verständnis haptischen Wert haben oder eben nicht.

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Maximilian Pirgfellner Brillant (5)Unnötig (0) Antworten 03.10.2012 23:10 Kommentar melden Permalink
Irrsinn
Die Dame versucht, zu ihrem Schutz sei das behauptet, mit absolut ungeeigneten Mitteln zu Mitteln zu kommen. These 1.
Die Dame versteht nichts von einer Bibliothek vom Rang einer OENB. These 2.
Hoffen wir, die wir lesen können und Bücher lieben, dass es These 1 ist.

Dr. Bernd Gallob Brillant (3)Unnötig (0) Antworten 03.10.2012 12:47 Kommentar melden Permalink
Mit Karl Kraus: Hinaus aus Wien
Frau Rachingers hilflose Reaktion auf die Aussendung des Autorenverband, Bücher weiter zu sammeln käme viel teurer als digitale Phantome zugunsten von Google zu speichern, könnte man doch ganz „logisch“im Unsinn dieser Dame weiterdenken

Am billigsten kämen gar keine Bücher!
Konzerte ersetzt man durch das Abspielen von DVD’s, etwa im Musikverein, kommt viel billiger
DVD-Abspielungen ersetzten auch viel billiger alle Theatervorstellungen
In Museen reichen ohnehin Hologramme oder Farbfotos

usw. usf.

Und so eine Dame verwaltet den größten Buchschatz Österreichs, sie muss Bücher hassen.
Man sollte sie unverzüglich ihres Amtes entheben!

Und von wegen „billiger“.
Am Ende des Tages besitzt Google digital alle Bücher den OeNB, einen Riesenschatz von hunderttausenden Exemplaren.

Googles schreibt jährlich viele Milliarden $ Gewinn, mit jedem „Click“ (z.B. bei der Suche nach Büchern der OeNB) klingelt die Kassa – bei Google.

Google verdient also, und das sicher nicht zu knapp. Für Österreich, in dem dieser Bücherschatz über mehr als zwei Jahrhunderte gesammlt worden ist, bleibt dabei eine angeblich „billigere“ Lagerung in der Zukunft übrig. Neben der Technologieanwendung, die weltweit ohnehin schon Standard ist.

Mit welcher Berechtigung hat Frau Rachinger eines der größten Vermögen des Landes so einfach verschenkt?

Dr. Bernd Gallob Brillant (4)Unnötig (0) Antworten 03.10.2012 12:45 Kommentar melden Permalink
Frau Rachingers hilflose Reaktion auf die Aussendung des Autorenverband, Bücher weiter zu sammeln käme viel teurer als digitale Phantome zugunsten von Google zu speichern, könnte man doch ganz „logisch“im Unsinn dieser Dame weiterdenken

Am billigsten kämen gar keine Bücher!
Konzerte ersetzt man durch das Abspielen von DVD’s, etwa im Musikverein, kommt viel billiger
DVD-Abspielungen ersetzten auch viel billiger alle Theatervorstellungen
In Museen reichen ohnehin Hologramme oder Farbfotos

usw. usf.

Und diese Dame verwaltet den größten Buchschatz Österreichs, sie muss Bücher hassen.
Man sollte sie unverzüglich ihres Amtes entheben!

Und von wegen „billiger“.
Am Ende des Tages besitzt Google digital alle Bücher den OeNB, einen Riesenschatz von hunderttausenden Exemplaren.

Googles schreibt jährlich viele Milliarden $ Gewinn, mit jedem „Click“ (z.B. bei der Suche nach Büchern der OeNB) klingelt die Kassa – bei Google.

Google verdient also, und das sicher nicht zu knapp. Für Österreich, in dem dieser Bücherschatz über mehr als zwei Jahrhunderte gesammlt worden ist, bleibt dabei eine angeblich „billigere“ Lagerung in der Zukunft übrig. Neben der Technologieanwendung, die weltweit ohnehin schon Standard ist.

Mit welcher Berechtigung hat Frau Rachinger eines der größten Vermögen des Landes so einfach verschenkt?

Nikolaus Hamann Brillant (0)Unnötig (2) Antworten 01.10.2012 14:46 Kommentar melden Permalink
Hoffnung vs. Skepsis
Zu hoffen wäre, dass Frau Rachingers Ankündigung nur ein Schuss vor den Bug der die ÖNB finanzierenden Öffentlichen Hand sei, um die notwendigen Mittel für ausreichenden Speicherplatz herauszuschlagen. Skepsis ist allerdings angebracht, wurde Frau GD Rachinger doch erst vor Kurzem von der Wirtschaftsuniversität zur Managerin des Jahres gewählt. Dieser Ehre wäre sie wahrscheinlich nicht teilhaftig geworden, wenn man ihr nicht zu Recht nachsagen könnte, die ÖNB wie ein Unternehmen zu führen. Und das bedeutet immer: Einsparung von Kosten auf Teufel-komm-raus!
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