Business Karriere Design Tools Druck Digital
StartseiteDesignAuftragsvergabeDie Billigmacher

Auftragsvergabe

16.12.2012 09:54

Die Billigmacher

Die einen gieren nach Aufträgen, die anderen nach günstigen Alternativen zur Arbeit von Agenturen. Der Abgleich der Interessen von Auftraggebern und Designern hat eine neue virtuelle Industrie entstehen lassen: Crowdsourcing-Plattformen. Besonders kleine Unternehmen bedienen sich zunehmend der anonymen Kreativ-Pools.

Da kann ja nichts mehr schiefgehen. „Sie vertrauen uns Ihr Projekt an. Unsere Designer präsentieren Ihnen dutzende Entwürfe. Sie moderieren Ihre Änderungswünsche. Sie erhalten Ihr neues Logo.“ So betreibt die Crowdsourcing-Plattform Wilogo.com Kundenfang. Ob Logo, Drucksorten, Homepages, Verpackungen, Flyer, T-Shirts, für all das tummeln sich dort Designer, die sich fast jeder Aufgabe, die da hereinschneit, gerne annehmen. Dafür müssen sie keine Akquise leisten, sind aber auch einer üppigen Konkurrenz ausgesetzt: 15.000 Designer haben sich auf Wilogo bereits registriert. Bei wilogo.com lukriert der Designer für seine Arbeit etwa 120 Euro, der Kunde muss dafür ab 195 Euro hinblättern. Die Spanne ist die Provision für den Betreiber - und das Rad dreht sich schnell. „Pro Tag kommen etwa 100 Aufträge rein, seit Monaten steigt das Auftragsvolumen bei uns enorm“, erzählt Katrin Esche. Sie ist zuständig für den deutschsprachigen Support bei wilogo.com.

Website für 800 Euro

Der Designer registriert sich bei Wilogo kostenlos mit seinen persönlichen Daten, gibt Referenzen an und erhält einen Zugangscode. Danach kann er sich gleich einen Auftrag aus dem gut gefüllten Portfolio herauspicken. Wie viele andere international teilnehmende Designer allerdings ebenfalls mitmachen, erfährt er vorher nicht. Der Auftraggeber auf der anderen Seite legt ebenfalls einen Account an, bezahlt den Betrag, der für seine Wunschkategorie zutrifft und definiert schriftlich sein Briefing. Ab einem Auftragsvolumen von etwa 200 Euro ist er dabei und bekommt dafür Logovorschläge. Eine Website schlägt als teuerstes Paket mit etwa 800 Euro zu Buche. Für ein paar Euro mehr kann man Upgradings ordern, etwa an bestehenden Entwürfen noch Änderungen vornehmen lassen. Auftragnehmer wie auch Auftraggeber werden sich nie kennen lernen, sie agieren über Nicknames auf der Plattform und bleiben ansonsten anonym. Für Wilogo und andere Crowdsoursing-Plattformen ist das wichtig: nur so kann man verhindern, dass sich Designer und Auftraggeber jenseits der Plattform einigen. Die Zeitspanne für das Erstellen eines Designs ist limitiert. Innerhalb von ein paar Tagen müssen die Entwürfe hochgeladen werden. Im Idealfall entscheidet sich dann der Kunde für sein Lieblingssujet. Der Gewinner wird benachrichtigt, erstellt eine Vektorgrafik, die der Auftraggeber herunterladen kann. Der erhält mit der Bezahlung, die er vorher getätigt hat, das uneingeschränkte Nutzungsrecht auf das Werk.

Unverbindlich bleiben

„Wir sind die Schnittstelle zwischen Designer und Unternehmen“, sagt Katrin Esche. Sie steht mit Rat und Tat zur Seite wenn es beim Einstieg Fragen gibt, Probleme oder Unklarheiten auftauchen und managt auch die Administration. „Der persönliche Kontakt ist den Kunden doch immer noch sehr wichtig“. Ihre Telefonnummer findet man sehr prominent ganz oben auf der Startseite. Das ist nicht überall so. Bei 12designer.com, einer anderen Plattform, steht im Impressum unter Kontakt zwar eine Telefonnummer, aber daneben liest man: „E-Mails sind uns am liebsten“. Man will also nicht reden, unverbindlich bleiben, am liebsten anonym, wie die ganze Geschäftsidee. Dafür wird man als registrierter Designer von dort aber per Mail benachrichtigt, wenn ein neues Projekt bei 12designer.com reinflattert.

12designer.com wurde 2009 von Eva Missling in Berlin gegründet. Missling arbeitete lange in einer Agentur. Ihre Geschäftsidee erklärt sie so: „Ich vermittle jetzt im großen Stil und bringe beide Parteien zusammen, Unternehmer und Freelancer.“ 12designer.com kann mittlerweile in fünf Sprachen genutzt werden: englisch, deutsch, französisch, spanisch, italienisch. So deckt sie den europäischen Raum flächendeckend ab. Dafür holte sie sich jeweils Muttersprachler ins Team und suchte sich Entwickler, die mit ihr die Plattform vermarkten. 12designer.com ist für alle kreativen Aufgaben gewappnet, sogar Möbeldesign, Videos und Jingles werden angefragt. Mittlerweile hat Eva Missling ihr Unternehmen an 99design.com verkauft, einer der ersten und größten Designplattformen mit Hauptsitz in Melbourne.

Geld zurück-Unwesen

Die Designer sehen die Marktplätze im Web nicht immer so entspannt. Der deutsche Grafiker Michael Bertrams, Chef der Designagentur Zahmundzornig, etwa meint, dass ein Logo für 200 Euro oder eine Website für 500 Euro realistisch betrachtet völlig unter Wert verkauft ist. Trotzdem arbeitet er nebenbei für die Plattform www.designenlassen.de. Er und sein Team nutzen das Portal bei Leerläufen oder „wenn wir neben unseren Arbeiten für Bestandskunden den Nervenkitzel im Wettbewerb suchen“. Unter dem Nickname zahmundzornig hat er mit dieser Arbeitsweise gute Erfahrungen gemacht und auch schon mehrere Wettbewerbe gewonnen. Aber er meint auch: „Es ist wichtig, dass nicht massenhaft gute Designs verhökert und gute Designer verheizt werden. Die Preisgeld-zurück-Garantie für Auftraggeber scheint mir zudem manchmal ausgenutzt zu werden. Bei der riesigen Auswahl an hochwertigen und unterschiedlichen Designs, die man hier bekommt, ist es für mich schwer nachvollziehbar, warum manchen Kunden aus der Auswahl nichts gefällt.“

Für Daniel Sack, Artdirektor im Studio Hollinger in Wien, kommt persönlich eine Mitarbeit auf einem der Designplattformen nicht in Frage. Er schätzt den direkten Kontakt zum Kunden und möchte ihn nicht missen. Erst durch ein ausführliches Gespräch kann man erspüren, was der Kunde will. Design ist für ihn immer auch ein bisschen Philosophie. Es braucht eine grafische Klammer, einen roten Faden, der sich durch alles zieht, das kann dieses Fastfood Design nicht bieten. „Man hat doch als Designer auch eine beratende Funktion“, sagt er, „da kann man nicht wie ein Breitband-Antibiotikum drüber gehen“. Sinn würden die Plattformen freilich für kleine Unternehmen machen.

Psychologie-Designer

Das Gros der begeisterten Mitmacher auf solchen Crowdsoursing-Plattformen stellt sicherlich die Gruppe der Studenten und Quereinsteiger. Die gehen ganz locker an den Start und schauen mal, was rauskommt. Usama el-Awad ist Psychologiestudent in Bamberg. Sein Geld verdient er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni. Er kam per Zufall über Google auf die Plattform von Wilogo.com und nennt sich jetzt Designer. „Es hat mir einfach Spaß gemacht und die Möglichkeit, zu gewinnen hat mich gereizt,“ Als Autodidakt hat er sich inzwischen die wichtigsten Basics angeeignet, produziert am Fließband und braucht für ein Logo mittlerweile viel weniger Zeit als früher.

Otto ist sauer

Maik Otto ist einer jener Kleinunternehmer, die Design-Plattformen in Anspruch nehmen. Denn: Maik Otto hat ein Zeitproblem. Er führt mit seinem Bruder einen Online- Bikeshop und nannte das Geschäft Ottobike. Das Logo war dem des Otto-Versandhauses nicht unähnlich. Doch dann kam eine einstweilige Verfügung vom großen Versandhaus. Das Logo musste weg und schnellstens ein neues her. Eigentlich hätte er sich selbst eines kreiiert, aber unter dem Zeitdruck war das nicht möglich. Er wandte sich an wilogo.com. Binnen vier Tagen wurden ihm 72 Logos präsentiert, das neue Ottobike-Logo wurde in Moskau geschaffen.

Visuelle Probleme ganz anderer Art hat Sinisa Kandic. Er gründete dieser Tage einen Verein mit dem schönen Namen „Wir sind Europa“. Dafür brauchte er ein Signet. „Für den Start war der Preis ein Faktor. Für ein eigenes Unternehmen würde ich allerdings den persönlichen Kontakt zum Designer bevorzugen“. Er erhielt 108 Vorschläge und fand es gut, dass der Output nicht von einem einzigen Team, sondern von 20 Designern aus der ganzen Welt kam. Mit drei Entwürfen war Kandic zufrieden, der Rest war mittelmäßig bis schlecht. Kandic jedenfalls glaubt: „Auch wenn diese Plattformen viel kaputtmachen, sie bringen neue Chancen für alle. Wir müssen uns umorientieren und uns den neuen Medien stellen.“ Vielen Designern bleibt auch gar nichts anderes übrig.

Suzanne Sudermann

leaderboard,skyscraper,rectangle_cad_300_250,banner_468,rectangle_300_250,rectangle_300_100