Business Blog
01.01.2013 07:21
Google zahlt schon
Die Forderung der Verlage nach einem Leistungsschutzrecht für ihre Webinhalte ist vor allem eines: eine Bankrotterklärung ihres digitalen Geschäftsmodells.
Was der Leser nicht mehr bereit zu zahlen ist, soll nun Google übernehmen. © Fotolia
Auch in Österreich soll es nach deutschem Vorbild 2013 kommen: das Leistungsschutzrecht. Es soll Google und andere Suchmaschinen zwingen, für Nachrichten-Inhalte, die etwa auf Google News gelistet sind, den Urhebern, also den Verlagen, eine Gebühr zu bezahlen. Die Argumentation der Verlage: Google würde unter anderem mit den Inhalten, die zuvor Redaktionen erstellt hatten, Werbeeinnahmen erzielen, obwohl die Leistung, die diesen Einnahmen zugrunde liegt, eben nicht bei Google seine Urheberschaft hat, sondern bei den Redaktionen der Medien.
Doch diese Argumentation weist eine gewisse Schieflage auf, gespeist im wesentlichen von drei Bugs: erstens können die Betreiber von Nachrichten-Websites jederzeit die Crawler von Suchmaschinen durch eine winzige Veränderung im Quellcode ihrer Seiten aussperren. Zweitens zeigt Google auf seiner News-Seite gar keine Werbung an, das Service wird also querfinanziert durch andere Services der Suchmaschine. Und drittens werden nur Titel und die ersten paar Zeilen der jeweiligen Story in den Google News angezeigt, die ganze Geschichte gibt es dann nur auf der Website des jeweiligen Anbieters zu lesen.
Wofür Google also zahlen soll, ist der virtuelle Transport der Besucher zu einer journalistischen Leistung, die der Urheber für diese Besucher ohnehin kostenlos anbietet. Das virtuelle öffentliche Verkehrsmittel Suchmaschine soll also zur Kasse gebeten werden dafür, dass es User auf eine fremde Website bringt, die ihrerseits mit ihren Werbeformen ein Konkurrent des Verkehrsmittels ist. In der Argumentation der Verlage wird auch manifest, wie schwierig es ist, den einzelnen Playern feste Rollen zuzuweisen: ist Google nun Kunde der Verlage, weil deren Inhalte gelistet werden, sind die Verlage gar Kunden von Google, weil sie über die Suchmaschine Klicks und damit indirekt auch Werbeeinnahmen generieren oder sind die beiden Spieler bloß Konkurrenten um den Werbekuchen – wobei Google wesentlich erfolgreicher agiert als die Verlage?
Die Rollenverteilung muss vorerst wohl ungelöst bleiben. Mit Gewissheit aber bleibt zu behaupten: die Forderung der Verlage, per legislativer Keule virtuellen Wegzoll einzufordern, ist eine traurige Bankrotterklärung ihres digitalen Geschäftsmodells, mit dem sie sich offenbar verspekuliert haben. Entfernt man die ideele Patina vom Schutz des geistigen Eigentums, bleibt als nackte Begründung für das Leistungsschutzrecht nur ein Argument übrig. Jenes nämlich, dass Google für die vertanen Monetarisierungschancen der Verlage gerade stehen muss und all die stolzen unabhängigen Medienunternehmen unter den Google-Rettungsschirm kriechen.
Nach mehr als einem Jahrzehnt, in dem insbesondere Tageszeitungen ihren Lesern durch die kostenlose Bereitstellung ursprünglich gedruckter kostenpflichtiger Inhalte im Netz eingebleut haben, dass Inhalt unverkäufliches, ergo also kostenloses Gut ist; nach mehr als einem Jahrzehnt, in dem viele Zeitungshäuser bemerken mussten, dass Werbeeinnahmen im Web eben nicht reichen, um journalistische Leistungen bezahlen zu können; nach wenigen Jahren, in denen einige Verlage ihre Inhalte auch kostenlos für iPad und andere Tablets aufbereiten, haben sie feststellen müssen, dass der Leser endgültig darauf konditioniert ist, alles jederzeit kostenlos konsumieren zu können. Eine Gratis-Kultur gibt es im Netz, eine Bezahl-Kultur eher nicht. Manchem Konsumenten gefällt dieses Kannibalisierungsballett der Verlage vielleicht. Das Leistungsschutzrecht ist in diesem Tanz nun der Ausfallschritt, um vielleicht doch noch stabile Einnahmen erzielen zu können.
Ein Abonnent der Printausgabe aber, der seine Abogebühr bezahlt, empfindet das nicht mehr als selbstverständlich, sondern im schlimmsten Fall als Nepp und im besten Fall als Solidarbeitrag zur Verhinderung einer vollständigen ökonomischen Implosion der Branche. Es ist schon ein Kunststück, so strategisch den eigenen Untergang zu planen: die Printausgaben kannibalisiert, die Netz-Inhalte zur Gratis-Deponie verkommen haben zu lassen, die Tabletisierung der Nachrichtenaufbereitung ebenfalls für die nächste Gratis-Offensive zu nutzen. Und das Schlimmste dabei ist: Zeitungen verlieren ihre Bindung zum Leser, denn wer für Inhalte bezahlt, fühlt sich emotional eher an eine Zeitungsmarke gebunden – und das nicht nur durch seinen Abbuchungsauftrag.
Nachdem nun also die Verlage – bis auf wenige Ausnahmen – gescheitert sind mit ihren Versuchen, genug Einnahmen durch die einseitige Monetarisierung über Werbekundschaft zu erzielen, eskalieren sie ihre angenommene Konkurrenz mit dem Gratis-Nachrichtensammler Google über den Gesetzgeber: der möge doch durch so etwas wie eine Inhaltssteuer dafür sorgen, dass wieder Geld in die Kassen gespült wird. Die Idee, die angeblich schmarotzenden Suchmaschinen einfach auszusperren, haben viele natürlich sofort verworfen, denn damit würden ja die Zugriffe und damit auch die zu erzielenden Werbeeinnahmen arg leiden. Immerhin rund 100.000 Klicks schickt Google weltweit auf die Websites von Verlagen. Pro Minute.
Sollte es tatsächlich zu einem Leistungsschutzrecht kommen, würden die Verlage zwar von Google und anderen für ihre Inhalte entlohnt werden, doch das ist bloß ein Pyrrhussieg: ihre Motivation, am strukturellen Problem ihres Tuns, dem Kostenlos-Wettrennen im Netz, etwas zu ändern, würde wohl noch mehr sinken. Es würde einen Grund weniger geben, die Selbstkannibalisierung aufzugeben. Insofern wäre das Leistungsschutzrecht mehr Kollateralschaden als Nutzen. Seine Verhinderung wäre indes für Zeitungen womöglich ein guter Anlass zur Selbstreflexion.
Martin Schwarz
vor allem muss man eines bedenken. Die Verlage jammern, dass sie zu wenig Geld verdienen. Aber grade im Online-Bereich ist das in Deutschland eine weitere Hürde. Jeder Shopbetreiber, Ebayverkäufer oder sonstiger Marktteilnehmer kennt es. Betreibt man im Internet ein Geschäft, muss man zig Paragraphen beachten, zum Teil die Onlineplattformen an die „deutschen Erfordernisse“ umprogrammieren, zum großen Teil auch schlicht aufgeben, weil das in Deutschland nicht möglich ist oder viel zu viele Risiken beinhaltet. Sehr viele Marktteilnehmer im Onlinegeschäft haben schon Abmahnungen in Deutschland erhalten.
Statt hier den Paragraphendschungel zu entrümpeln, den Verlagen einfache „Einklick-Bestellungen“ ohne großen juristischen, programmiertechnischen Aufwand zu ermöglichen, geht man lieber den Weg, der genau für das Versagen im Onlinegeschäft in Deutschland verantwortlich ist, nämlich die restriktive Regulierung des Internetmarktes durch die Regierung. Nicht umsonst kommend die erfolgreichen Unternehmen im Internet allesamt aus dem Ausland. StudiVZ z.B. war mal sehr erfolgreich an die Facebook auch interessiert war und für einen dreistelligen Millionenbetrag kaufen wollte, es dann aber sein lassen hat, weil es mit den deutschen Datenschutzgesetzen ein Problem bekam.
Deutschland ist ein konservatives Land, ein Land der Juristen, ein Land wo alles geordnet, geregelt werden muss, zum Großteil von Leuten, die selbst überhaupt keine Ahnung von der Materie haben. Das Ergebnis ist das Gegenteil von Innovation im IT-Markt.