Business Karriere Design Tools Druck Digital
StartseiteBusinessPrint-MarketingDann doch drucken

Print-Marketing

24.01.2013 14:45

Dann doch drucken

Online allein ist auch keine Lösung. Immer mehr Unternehmen, die ihre Geschäfte ausschließlich im Web abwickeln, entdecken das Instrument Print als Ausweg aus der virtuellen Verwechselbarkeit. Sogar Google scheint hin und wieder Printwerbung zu brauchen.

Lesen Girl Mädchen Katalog MagazinCouchpotato: auch Online-Unternehmen vertrauen immer öfter Print-Marketing, weil sie damit die Kundschaft in jeder Lebenslage erreichen können. © Fotolia

Es sind nur einige Sujets und nicht einmal besonders spektakulär, aber deren Auftraggeber alleine hat fast schon Beweiskraft für die Wirksamkeit von Gedrucktem. Ausgerechnet die Online-Weltwerbeorgel Google bediente sich im Sommer dieses Jahres der Printwerbung in mehreren kanadischen Tageszeitungen, um die Großartigkeit des eigenen Adwords-Programms zu zeigen. Mit einem simplen Spruch: "Wissen Sie, wer einen Haarschnitt braucht? Menschen, die nach einem Haarschnitt suchen". Illustriert wurde die Botschaft mit einem kleinen abgedruckten Adword eines kanadischen Choiffeurs namends Harry`s Haircuts. Die zwingende Schlussfolgerung aus dem Erscheinen der Inserate lautet wohl: Google ist Google nicht genug, will es seine Interessen durchsetzen, sein Kerngeschäft auch gegen künftige Mitbewerber absichern. 

Ein Geständnis

„Genial” findet der deutsche Mediaplaner Thomas Koch die Strategie Googles, sich der Printwerbung zu bedienen, denn „Google beweist damit, ein Problem auf sich zukommen zu sehen, dass es noch gar nicht gibt: dass die Suchmaschine als unangefochtener Marktführer an einen Punkt gelangen könnte, an dem sie nicht mehr wachsen, sondern nur mehr verlieren kann”. Der diagnostizierten Genialität liegt aber auch ein unausgesprochenes Geständnis inne: dass Google andere Medienkanäle braucht, um seine Botschaften in den Märkten verwirbeln zu können, dass auch die feinsten Algorithmen keine Gewährleistung für die Stabilität des Geschäfts sind. „Man denkt immer, eine Marke, die online entstanden ist, müsste alleine in der Online-Welt zurechtkommen. Das stimmt aber nicht”, so Koch gegenüber 4c. Der Online-Schuhhändler Zalando ist so ein Fall. 1.000 Mitarbeiter, schätzungsweise eine Milliarde Euro Umsatz, ganz viele Probleme. „Die haben enorme Kosten am Bein, das Geschäftsmodell wird infrage gestellt. Sie müssen also ihre Kunden dazu kriegen, häufiger zu bestellen. Und dazu brauchen sie neue Maßnahmen”, sagt Koch. Die Online-Möglichkeiten indes sind beinahe ausgereizt, Zalando lässt nun auch Kataloge drucken.

Weg von der Deponie

Es sind die Symptome einer Sättigung, die derzeit zu beobachten sind; einer Sättigung der Möglichkeiten, die das Web Online-Marken bietet, um sich zu profilieren, neue Kundenschichten zu öffnen, bestehende Kundschaft konstanter zu erreichen. Immer mehr dieser Unternehmen investieren nun in Gedrucktes, machen Printwerbung, setzen auf gedruckte Kataloge oder Magazine. Online-Magazine bringen nach Jahren der bloßen Netzexistenz plötzlich gedruckte Ausgaben heraus. Eine Erwartung eint sie: durch Gedrucktes unterscheidbarer zu werden, Identität zu mehren, nicht mehr mit Millionen anderer Online-Händler, Online-Magazine, Online-Marktplätze auf der Suchanfragen-Deponie zu landen, sondern präsenter, erinnerlicher, angreifbarer zu sein.

Kampf um das Zeitbudget

„Print wird immer mehr zum Luxusprodukt. Im Netz werden vor allem Nachrichten im wahrsten Sinne des Wortes im Vorbeigehen konsumiert, im Print wird Zusätzliches genossen”, sagt der studierte Theologe und Journalist Alexander Görlach. Aus seiner Drive-in-Kapelle der gepflegten politischen Debatte im Web, The European, hat er sich vor wenigen Wochen eine gedruckte Kathedrale erschaffen. Alle drei Monate wird The European nun gedruckt erscheinen, immerhin in einer Auflage von 50.000 Stück. Obwohl er drei Jahre nach Start seines Projektes 200.000 Leser monatlich auf seine Website locken kann, reifte in den vergangenen Monaten bei Alexander Görlach die Erkenntnis, dass es schwierig werden könnte, unter all den anderen Online-Angeboten wirklich genügend Aufmerksamkeit für seine Inhalte im Netz zu erhalten – und gerade die langen Texte des European sind im täglichen Online-Zeitbudget der Leser ein spürbarer Bestandteil. „Es gibt für uns aber eben einen Ausweg:  ein hochwertiges Printprodukt, das aber auch hochpreisig sein muss”, so Görlach. Acht Euro kostet der European im Zeitschriftenhandel.

Der Wunsch nach Unterscheidbarkeit

Der Berliner Medienwissenschaftler Peter Littger erklärt das Tun des European, aber auch anderer Online-Marken mit dem urmenschlichen Wunsch nach Distinktion: „Der Mensch möchte sich abgrenzen von anderen, das bringt uns viel Befriedigung und funktioniert mit Printprodukten hervorragend”, so Littger gegenüber 4c. Wer den European unter dem Arm herumträgt, ihn unauffällig auffällig auf dem Kaffeehaustisch liegen lässt, signalisiert damit seiner Umwelt etwas; ein Printtitel ist sozusagen Papier gewordenes Adjektiv für seinen Besitzer. Mit dem Web funktioniert das nicht. Littgers gewagter Vergleich: „Auch der Porsche wäre nicht so viel wert, wenn der Nachbar nicht wüsste, wie teuer der ist." 

Müsli-Magazin

Auch für sich selbst suchen Online-Marken immer mehr Distinktion – und finden sie in Gedrucktem. Der junge Passauer Max Wittrock, Geschäftsführer des Müsli-Versandes Mymuesli.com etwa. Er bringt im kommenden März schon die dritte Ausgabe seines Kundenmagazins heraus, Auflage rund 100.000 Stück, von Wittrock großteils selbst geschrieben. Für das Geld, das Wittrock in das Kundenmagazin gesteckt hat, hätte er ziemlich viel Google-Werbung bekommen, seine Klicks wahrscheinlich gesteigert, alles feinsäuberlich ausgewiesen in den Analysen, die Google zur Verfügung stellt. Aber Müslimacher Wittrock wollte etwas Anderes: „Wir haben so eine breite Produktpalette, die können wir eigentlich nur in einem Druckprodukt richtig präsentieren”, sagt er. Mit Leidenschaft hat er an seinem Magazin gebastelt, frühzeitig den Anspruch aufgegeben, „ein zweites Red Bulletin” zu schaffen, aber doch eines erreicht: „Ein Magazin ist für uns Premium, wir wollen auch eine Premiummarke sein.” Und nur im gedruckten Magazin kann Wittrock Geschichten erzählen, die ihm so wichtig sind, um der Müslimarke Mymuesli.com auch Geschichte und Persönlichkeit zu injizieren. In der aktuellen Ausgabe etwa hat Wittrock ganz ausführlich den Lieferanten der Haferflocken für die Müslis vorgestellt. „Der Kunde wird anspruchsvoller bei seinem Online-Kaufverhalten, er will mehr über das Unternehmen erfahren”, begründet Wittrock seinen Schritt in die Offline-Welt. Einer seiner Kunden ist übrigens Mediaplaner Koch, weiter nördlich in Düsseldorf. Da er „für den Einkauf” im Hause Koch verantwortlich zeichnet, kennt er die Herausforderung von Mymuesli.com: „Die müssen alles dafür tun, damit ich unter gar keinen Umständen auf die Idee käme, Müsli von jemand anderem zu bestellen. MyMuesli kann mit der Präsenz des Magazins eines Katalogs den Wettbewerb ausbremsen”, erzählt er. Denn mit dem Müsli-Machwerk auf dem Couchtisch erhöht sich die unterschwellige Präsenz des Themas Müsli im Kochschen Wohnzimmer erheblich, während wohl sonst erst der Bedarfsimpuls auf die Website von Mymuesli – oder einem anderen Anbieter – führen würde.

Und das Schöne ist: Das Magazin wird eher an Freunde verteilt. Dementsprechend hat Wittrock auch in eine aufwendige Ausstattung beim Druck des Magazins investiert – bloß eine Enttäuschung musste er erleben: „Ich habe viele Duftlacke getestet, aber die haben alle nicht die Geschmacksrichtungen unserer Müslis simulieren können. Das war schon sehr artifiziell, wie das gerochen hat.” Vielleicht sind es ja gerade die nach Unterscheidung, Qualität und originellen Ideen dürstenden Online-Marken, die ein schönes neues Akquise-Revier für Druckdienstleister darstellen könnten.

Endlich ernst genommen

Auch die direkte Wechselwirkung zwischen Gedrucktem und den Klickraten ist mittlerweile einigermaßen erforscht. Ausgerechnet von Google, das sich mit einer Studie wieder mal als Kronzeuge der Wirksamkeit von Print hervorgetan hat. In der Studie testete Google, wie sich das Suchvolumen nach einer deutschen Automarke durch die Beimengung von Print- und TV-Elementen in den Kampagnenmix verändert. Das erfreuliche Ergebnis: Das Suchvolumen erhöhte sich während der gleichzeitig laufenden TV- und Printkampagne um 19 Prozent, die ausschließliche Printkampagne ließ das Suchvolumen alleine um elf Prozent anschwellen. Es gibt sie also doch, die Möglichkeit einer Interaktion zwischen Print und Web.

Solche Zahlen hat Elke von Borcke noch nicht erhoben, zu früh ist es dafür. Erst Ende Oktober hat die Marketingchefin von Dawanda.com, einem deutschen Online-Marktplatz für Selbstgemachtes, die erste Ausgabe ihres gedruckten Magazins LoveMag herausgebracht – in einer Auflage von 300.000 Stück. Sie registriert wenige Wochen nach dem Erscheinen des aufwendig gedruckten Werkes immerhin einen Bedeutungsschub: „Mir kommt es vor, als würden wir jetzt ernster genommen als zuvor. Wir werden am Markt ganz anders wahrgenommen”, sagt von Borcke gegenüber 4c. Es hätte auch vorher kein Grund für mitleidiges Lächeln bestanden: Dawanda.com ist einer der am schnellsten wachsenden Online-Marktplätze im deutschsprachigen Raum, auf 140 Millionen Page-Impressions bringt es die Website mittlerweile. Sehr klug gewählt hat Dawanda den Distributionsweg für sein Magazin: Gute Kunden und Partner wurden gefragt, ob sie jeweils 50 Exemplare abnehmen und im Freundeskreis verteilen würden. Viele sagten zu, der Magazinkreisel kam in Schwung.

Geschichtslose Banner

„Das Magazin ist ein wichtiger Ideenspender für unsere Kundschaft, ich kann da unsere Themenwelten viel opulenter darstellen, als es mir im Web jemals gelingen könnte, denn da sind wir einfach limitiert”, sagt von Borcke. Die Dame kann auch aus dem Vollen schöpfen, der Budgettopf dürfte bei Dawanda prall gefüllt sein: „Ich bin überzeugt davon, dass eine Marke wie Dawanda, die einerseits viel Persönlichkeit hat, aber auch erklärungsbedürftig ist, alleine über Online-Marketing nicht so gut funktionieren würde”, meint von Borcke. „Storytelling kann ich eben am besten gedruckt betreiben, da sind die Darreichungsformen im Web beschränkt”, assistiert Mediaplaner Koch. Ein Banner mag blinken und funkeln und glitzern, wie er mag, er wird die Geschichte hinter einem Unternehmen nicht erlebbar machen können.

Die Inserate von Google in den kanadischen Tageszeitungen dürften für einige Kanadier, die vielleicht gar ein neues Haupthaar-Styling gebraucht hätten und sich auf Harry`s Haircuts gefreut hatten, eine herbe Enttäuschung gewesen sein: Die angegebene Webadresse für den Friseurladen führte ins Nichts, den Laden gab es nicht. Es ist eben vieles virtueller, als man es sich in der Online-Welt wünschen würde.

Martin Schwarz

 

leaderboard,skyscraper,rectangle_cad_300_250,banner_468,rectangle_300_250,rectangle_300_100