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04.05.2013 20:06

Die Offliner vom Verband

Die neue Kampagne des Verbands Österreichischer Zeitungen zum Tag der Pressefreiheit lässt die heimischen Verleger als Modernisierungsverlierer dastehen. Das haben sie nicht verdient.

Ein bisschen Google-Bashing: Kampagne des Verbands Österreichischer Zeitungen. © voez

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Wenn Interessenvertretungen beschließen, mal so richtig Interessen zu vertreten, muss das nicht zwingend im Interesse der Vertretenen sein. Die aktuelle Kampagne des Verbands Österreichischer Zeitungen (VÖZ) ist vielleicht ein Klassiker dafür, wie man die eigene Branche durch eine bittere Melange aus seltsamer Positionierung und hanebüchener Argumentation schlecht aussehen lässt – nämlich als Sekte von Modernisierungsverweigerern, die erstens nichts von sozialen Medien und vom Internet verstehen und sie deshalb zweitens in ihnen das bitgewordene Böse vermuten würden.

In den drei Sujets, die rund um den Tag der Pressefreiheit in vielen österreichischen Tageszeitungen geschalten wurden, ist etwa eine googleähnliche Startseite zu sehen, in deren Suchfeld „Pressefreiheit“ eingetippt wurde. Bloß wird das bekannte vielfarbige Google-Logo durch das Wort „Zensur“ ersetzt und – damit es auch wirklich jeder versteht – ein offenbar chinesischer Panzer abgebildet. Darunter dann das Erklärstück für die unsägliche Collage: „Suchmaschinen sind für viele das erste Werkzeug der Informationsbeschaffung im Internet. Qualitätsjournalismus lässt sich aber durch Suchalgorithmen nicht ersetzen. Denn unabhängige Zeitungen und Magazine schaffen erst die Inhalte, die wir im Web finden und auf die wir uns erst verlassen können.“ Das ist nun einigermaßen nachvollziehbar, wenn auch nicht übertrieben brillant argumentiert. Doch die Collage mit chinesischem Panzer, chinesischen Schriftzeichen und dem zum Wort „Zensur“ gewandelten „Google“-Logo hat eine weniger starke Verbindung zum Text als vielmehr zur intuitiven Assoziation, dass Google irgendwie in die Nähe der chinesischen Interpretation von Meinungsfreiheit gerückt wird. Die Offline-Fraktion des VÖZ wird das wahrscheinlich brüsk von sich weisen. Aber wenn es nicht so gemeint war, dann ist es einfach nur schlecht gemacht. 

In den beiden anderen Sujets geht es dann um Facebook und Twitter. „Likes sind kein Qualitätsmerkmal“ heißt es da reichlich schlau und – ebenso tiefgründig argumentiert – „140 Zeichen reichen nicht aus!“. Stimmt. 140 Zeichen reichen auch nicht aus, um das gedankliche Areal der Kampagnenmacher zu vermessen und das ist vielleicht auch schon ein Teil des Problems: es gibt wenige Kampagnen, deren Ziele durch Schwaden von Missverständnissen derart im Nebel liegen. Deshalb sind mehrere Interpretationen abseits jener mit Google und China beinahe zwingend nötig.

Wenn der VÖZ mit einer solchen Kampagne die Vorzüge der gedruckten Zeitung akzentuieren und sie als Gegenstück zur 140 Zeichen-Like-Aufmerksamkeitsökonomie positionieren wollte, dann müsste den Funktionären vielleicht mal irgend jemand erzählen, dass die meisten der VÖZ-Mitglieder jetzt schon recht erfolgreich die sozialen Medien nutzen.

Medienunternehmen dagegen, die meinen, sich von den Vernetzungstendenzen im Web abgrenzen zu müssen, werden auch ihre gedruckten Cashcows nicht retten können. Worauf es ankommt, ist, zu begreifen, wie die beiden Parallelwelten Offline und Online nicht kollidieren, die Inhalte auf den jeweiligen Medienkanal abzustimmen. Print kann in diesem Konzert der Medienvielfalt eine melodieführende Rolle übernehmen. Viele Zeitungen in diesem Land machen das bereits hervorragend. Als Mitglieder des VÖZ werden diese Unternehmen und ihre Chefs nun aber zumindest indirekt in einen Argumentationsnotstand kommen, weil es ihre Interessenvertretung ist, die so etwas verantwortet. Das haben sie nicht verdient.

Die technologische Juche-Kampagne der Abschottung von modernem Teufelszeug wie dem Web hat übrigens auch international ein Echo. Das gefällt dem VÖZ, deshalb erachtet er die Kampagne als gelungen. Der Chefredakteur der Online-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung, Stefan Plöchlinger, bezeichnet die Aktion als „dümmste Analogkampagne der Welt“, der deutsche Blogger Stefan Niggemeier hält österreichische Verleger für „noch bekloppter“ als deutsche. Und der amerikanische Journalismus-Guru Jeff Jarvis, übrigens des Deutschen sehr gut mächtig, twitterte zur Kampagne einfach nur ein entgeistertes “Oy“. 140 Zeichen sind machmal doch genug.

Der VÖZ ist übrigens auch auf Facebook. Und in Google findet man die Netzseite des Verbands ebenso. Dürfen die denn das?

Martin Schwarz

 

 

 

 

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