Kochstudio

19.03.2014 16:07

Schlaf ist nicht gesund

Die Rabatte, die die Zeitschriftenverleger mittlerweile Kunden und Agenturen hinterhertragen, sind die falsche Antwort. Aber was bitte war noch mal die Frage?

Die Prozente purzeln: Die Verlage haben keine Strategie gegen die Rabattschlachten gefunden. Im Gegenteil. Sie fördern sie noch. © Fotolia.de

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Das Mediageschäft hat sich gewandelt. Galt es früher, insbesondere mit Hilfe des stark segmentierten Zeitschriftenmarktes individuelle  Zielgruppen so pointiert wie mit keinem anderen Medium anzusprechen, regiert heute der Kampf um den besten Deal.

Rabatte statt Zielgruppe

Der jüngste Kampf zwischen Gruner+Jahr und Burda um den Printetat der Firma Kneipp zeigt exemplarisch, wohin die Mediaplanung steuert. Bislang belegte man auch den „Stern“, womöglich in der Absicht, Frauen und Männer und gebildete, kaufkraftstarke Verbraucher an sich zu binden. Nun muss es Burda richten. Frage: Wie viele „Mein schöner Garten“ und „Freizeit Revue“ muss man belegen, um den „Stern“ wettzumachen? Die Antwort lautet: 70 Prozent. Das ist – so pfeifen es die Spatzen vom Dach – der Rabatt, den Burda bot.

Man muss sich das so vorstellen: Der Anzeigenkunde wirft sein Printgeld in den Ring und es bekommt derjenige Verlag den Zuschlag, der den höchsten Rabatt verspricht. Warum ist man da nicht früher draufgekommen? Jahrzehntelang haben die Agenturen kostspielige Mediaplaner beschäftigt, die Verlage chic gekleidete Verkäufer ausgebildet, die Forscher neue Wege gesucht, um die Effektivität der Mediapläne zu steigern – dabei geht es doch so einfach.

Den Unterschied tanzen

Romantisch veranlagte Vertreter der Planungsdisziplin reiben sich die Augen und wundern sich. Aber das sind nur ein paar wenige verträumte Festhalter an der früheren Waldorf-Mediaplanung, als Planer noch den Unterschied zwischen „Brigitte“ und „Freundin“ tanzen konnten. Heute regiert der Rabatt-Stift.

Wie konnte es so weit kommen? Nun, die Zeitschriftenverleger haben geschlafen. Gut zehn Jahre lang. Während der Preiskampf beim Fernsehen tobte und die Onlinemedien immer neue Wege ersannen, um das Internet zum Gammelmedium zu machen, sahen die Print-Macher wortlos zu, wie ihr Marktanteil Jahr um Jahr sank. Statt sich auf ihre konkurrenzlosen Vorzüge zu besinnen, schliefen sie. Kein Wort war zu hören von Zielgruppen und Affinitäten, von der unverzichtbaren Stärke der Zeitschriften bei Markenaufbau, -Differenzierung und -Pflege. Statt gegen andere Medien zu kämpfen, bekämpfen sie sich nun gegenseitig.

Das Media-Tal der Ahnungslosen

Sie warteten seelenruhig die nächste Generation der Marketingchefs und Mediaplaner ab: Digital Natives, für die Print nicht stirbt, sondern längst tot und überflüssig ist. Den jungen Entscheidern über die Media-Milliarden ist kein Vorwurf zu machen. Es hat ihnen ja niemand erzählt. Nicht ihre vorgesetzten Mediadirektoren, nicht die Verleger. Die junge Generation der Mediaplaner ist ahnungslos – im wahrsten Sinne des Wortes. Zu dumm nur, dass dabei die Marken leiden. Sie verlieren an Loyalität und zudem Marktanteile an die Handelsmarken, die den traditionsbeladenen Marken mit lustigen TV-Spots den Rang ablaufen.

Nun müssen sich die Verleger sogar von Boris Schramm, dem obersten Printeinkäufer der GroupM, vorführen lassen. Er schlägt ihnen vor, ihre Portfolios abzuspecken. Er hält die steigenden Rabatte in Wirklichkeit „für eine Frage des Tarifsystems“ und eine „Bereinigung“ für notwendig. So einfach wird einem heutzutage das Geschäftsmodell unter den Füßen weggezogen.

Mitleid mit den Zeitschriftenverlagen ist jedoch nicht angebracht. Sie haben ihre Zukunft selbst verpennt. Schlaf ist nicht immer gesund.

Thomas Koch*

* Thomas Koch, Mediaplaner, Agenturgründer, Ex-Starcom-CEO, Herausgeber von „Clap“ und Media-Persönlichkeit des Jahres, schreibt hier regelmäßig über die Zukunft von Print. Seine Kolumne erscheint in der Printausgabe von 4c Deutschland. Folgen Sie Thomas Koch auf Twitter: @ufomedia

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