Heidelberg
05.04.2014 00:28
Keine Blockaden mehr
Der Druckmaschinenhersteller Heidelberg probt den technologischen Frühjahrsputz: das bisher mindestens experimentfreudig anmutende Digitaldruck-Engagement erhält eine marktfreundlichere Gliederung. Und Heidelberg-CEO Gerold Linzbach schließt im 4c-Exklusivinterview zeitnahe Umstrukturierungen im Offset-Portfolio nicht aus.
Heidelberg Jetmaster Dimension: Dreidimensionales Drucken. © Beigestellt
Das Repertoire der kleinen Betriebscombo, die an diesem Abend aufspielte, kam aus einer Zeit, als Printmedien noch keine Konkurrenz zu befürchten hatten und analoge Druckverfahren schon mal gar nicht: „La Paloma“, erstmals 1863 gesungen, wurde ebenso gespielt wie „Marina“, der Meta-Schlager von Rocco Granata aus dem Jahr 1959.
Der Anlass der abendlichen Musikrevue dagegen diffundierte schon deutlicher ins schwierige Jetzt: der Druckmaschinenhersteller Heidelberg lud ein, um Kunden und Journalisten seine neue Digitaldruck-Strategie vorzustellen.
Heidelberg hat ja schon vieles hinter sich, was als Digitaldruck-Strategie verpackt worden war: Zur Jahrtausendwende mit der Nexpress; 2011 mit Ricoh; kurze Zeit später mit CSAT; 2012 mit Benny Landas Nanographie. Viele dieser Strategien waren erstaunlich kurzlebig. Die Nexpress ist zur Gänze an Kodak gegangen, CSAT wurde schon etwas mehr als zwei Jahre nach der Übernahme wieder verkauft, die pünktlich vor der Drupa 2012 hervor gezauberte Kooperation mit Landa hat – das bestreitet auch niemand bei Heidelberg – deutlich an Dynamik verloren.
Linzbachs Baukran-Ballett
Im Büro von Heidelberg-CEO Gerold Linzbach hängt eine Fotomontage, die auch verdeutlicht, welchen Effekt die digitalen Wirrungen der letzten Jahre für Heidelberg haben könnten. Da sind 50 Baukräne zu sehen, die sich aber leider gegenseitig blockieren. Einige dieser Baukräne trachtet Linzbach nun abzubauen. „Wir haben uns die einzelnen Geschäftsfelder genau angesehen. Und da waren auch welche dabei, die auch längerfristig kein profitables Umsatzpotenzial haben erkennen lassen. Oder sie passten nicht in unsere strategische Weiterentwicklung, wie es eben bei CSAT der Fall war.“, sagt Linzbach im Exklusivinterview mit 4c.
Produktdesign mit Fujifim
Der neue Baukran im unternehmerischen Stilleben von Heidelberg ist nun Fujifilm. Die erst im November kommunizierte Partnerschaft mit dem japanischen Hersteller nimmt eine zentrale Position ein. „Die Kooperation mit Fujifilm setzt früher an als jene mit Ricoh, nämlich bereits beim Produktdesign. Mit Ricoh war es zumindest bisher eher eine Vertriebspartnerschaft.“, sagt Linzbach gegenüber 4c.
Was das bedeutet, lässt sich im Keller der Unternehmenszentrale erahnen. Da steht in der Forschungsabteilung eine Jetpress-Bogendruckmaschine von Fujifilm, an der Heidelberg-Techniker herum tüfteln. Fujifilm mag grandiose Inkjet-Druckköpfe bauen können, aber Heidelberg hat die maschinenbautechnische Erfahrung, Papierbögen mit großer Präzision durch so eine Maschine zu schleusen. Da könnten sich Kompetenzen aufs Trefflichste ergänzen.
Auch bei einem anderen Projekt, an dem da im fensterlosen Keller gebastelt wird, hat Fujifilm eine tragende Rolle inne: gemeinsam mit Gallus baut Heidelberg an einer digitalen Etikettendruckmaschine mit Fujifilm-Inkjettechnologie, die schon im Herbst bei der Label Expo in Chicago vorgestellt werden soll. Es ist ein Vorhaben mit einem zumindest theoretisch gewaltigen Potenzial: Nur fünf Prozent des gesamten Volumens im Etikettendruck werden derzeit digital produziert.
Der persönliche Fußball
Inkjet ist künftig der „Basistreiber für neue Anwendungen“, sagt Produktionsvorstand Stephan Plenz, und zwar „innerhalb und außerhalb unserer Branche.“ Genau dorthin, nämlich ziemlich weit außerhalb der mit reichen Erfahrungen gepolsterten Komfortzone der klassischen Druckmärkte, wagt sich Heidelberg nun auch mit dem Projekt Jetmaster Dimension. Dreidimensionale Projekte vom Fußball bis zum Auto sollen mit der – auf Inkjet-Druckköpfen von Xaar basierenden Technologie – bedruckt werden können. Die deutsche Online-Druckerei Flyeralarm hat schon das erste System angeschafft. Bezahlt wird Heidelberg in dem Fall übrigens – und auch das könnte mal Teil einer Strategie werden – pro Druck. Flyeralarm wird mit dem System Sportbälle individualisiert bedrucken.
Mögen Inkjet und damit vor allem Fujifilm auch ins Zentrum der Heidelbergschen Digitaldruck-Avancen gerückt sein, hat das jedenfalls keine sichtbar negativen Konsequenzen für die Zusammenarbeit mit Ricoh. Was bisher eben nur Vertriebsgemeinschaft war, könnte nun gar mehr werden: „Langsam kommen wir aber auch mit Ricoh auf ein Niveau der Zusammenarbeit, wo wir auf das Produkt selbst einwirken und Anpassungen an den Bedarf unserer Kunden forcieren.“, so Linzbach.
Schließlich hat Heidelberg auch durch den bloßen Vertrieb der Ricoh-Maschinen unter dem Label Linoprint C ganz nebenbei einen marktpädagogischen Effekt mitnehmen können, der für einen Offset-Anbieter nicht zu unterschätzen ist: „Wir haben durch die Kooperation mit Ricoh auch Akzeptanz am Markt erhalten, dass wir Digitaldrucksysteme verkaufen können.“, so Linzbach im 4c-Gespräch. Abgesehen davon: immerhin 400 Maschinen hat Heidelberg seit 2011 weltweit absetzen können.
Insgesamt erwartet sich Linzbach aus dem Digitaldruck-Geschäft einen Umsatz von rund 200 Millionen Euro.
Die Druckmaschinen sind tabu
Es sind aber nicht nur die Umgruppierungen im Digitaldruck-Segment, mit denen Heidelberg in diesem Geschäftsjahr den Beweis antreten wird müssen, vom bloßen Druckmaschinenhersteller zum Systemhaus zu mutieren. Denn ziemlich weit oben auf Linzbachs Agenda steht auch, zu überprüfen, ob Heidelberg tatsächlich und mit dem bisher gelebten Anspruch der Absolutheit alle Aggregate für den Offsetdruck von der Vorstufe bis zur Weiterverarbeitung selbst herstellen muss. Tabu sind auf dieser Agenda wohl nur die Druckmaschinen selbst: „In diesem Geschäftsjahr wird sich entscheiden, in welchen Bereichen wir verstärkt OEM-Produkte anbieten werden. Wir sind dabei unser Produktportfolio in diese Richtung zu prüfen und zu optimieren. Sicher ist: Wir werden weiterhin selbst alle Druckmaschinen bauen, daran hängt unser Herz und Erfolg.“, so Linzbach gegenüber 4c. Überraschung dürfte es da mutmaßlich keine mehr sein, dass auch da Fujifilm wieder eine exponierte Position einnimmt: „Wir arbeiten mit Fuji auch beim Vertrieb von Druckplatten zusammen. Das werden wir noch deutlich intensivieren. Insgesamt hat das eine andere Qualität der Zusammenarbeit als mit anderen Plattenlieferanten.“, so Linzbach.
Martin Schwarz
Lesen Sie das komplette Interview mit Gerold Linzbach exklusiv in unserer nächsten Printausgabe (3/2014)!