Paywalls

16.07.2014 11:55

Sehr durchlässig

Entweder Großverlag oder kaum Erfolg. Kaum ein Verlag verdient mit bezahlten Online-Inhalten wirklich Geld. Das Paywall-System Laterpay versucht etwas Neues: den Leser kaum merken zu lassen, dass er an einer Paywall steht.

Durchdringliche Wand: Laterpay will die Leser sanft an die Paywall gewöhnen. © Fotolia.de

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Da ist jemand offenbar gut gelaunt und zuversichtlich. „Wir erleben im Markt einen Zuspruch, der eine ganz neue Qualität besitzt. Die Leute finden unser Konzept nicht nur gut, sie sprechen uns sogar an, zum Beispiel auf Veranstaltungen wie der Republica.“ Cosmin Ene, CEO beim Münchener Micropayment-Dienstleister Laterpay, hat einen überraschend holperlosen Start hingelegt, seit er im März dieses Jahres ein sehr weiches Paywall-System vorgestellt hat. Ene glaubt fest daran, dass die Klickparaden langfristig nicht die harte Währung des Ökosystems Web sein können: „Viele Verlage und Geschäftsführer wollen weg vom Diktat der Reichweite und Werbung. Der Trend geht klar hin zur Relevanz von Nachrichten und definierten Zielgruppen“.

Das Start-up gibt den Publizisten ein Tool an die Hand, mit dem sie digitale Inhalte vermarkten können. Denn Verlage sollten das Leserverhalten in ihrer Vertriebsstrategie berücksichtigen. Leser haben sich emanzipiert und ihr Surfverhalten ist nicht mehr so tradiert und vorhersehbar wie es vielleicht einmal war. Ein bisschen Golfsport, ein bisschen Bundeskanzler, ein bisschen Hundeerziehung. Der Social-Paymentdienst Flattr, ein auf Frewilligkeit basierendes System, war bisher nicht der Macroerfolg. Er wird vom User eher als Mitleidsbutton wahrgenommen. Vielleicht braucht ja der Leser den Bezahlzwang – in einem selbstgewählten Rahmen? 

Transfer aus dem Gaming

Die Erkenntnis, dass Menschen im Web nicht gegen große Bezahlschranken laufen wollen und geistige Güter lieber in kleinen Portionen kaufen, kam dem Gründer von Laterpay während seiner Zeit bei einem Musiklabel.  Denn niemand will langlaufende Paywallverträge abschließen, wenn der Gegenwert unklar ist.

Dabei kommt Laterpay auch das Engagement im Gaming-Bereich zugute, wo einige der Katalysatoren für Bezahlbereitschaft schon länger erfolgreich umgesetzt werden als im Journalismus. „Wir und die Verlage können nur zusammen Geld verdienen. Das muss allen klar sein“, erklärt Daniel Raumer, Produktmanager für den Games-Sektor bei Laterpay. Bei einem Gratisspiel zahlen User gerne einen Kleinbetrag, um weitere, exklusive Inhalte wie Items oder eine neue Spielstufe zu erreichen. „Dieses sogenannte „free to play“-Konzept kann durch Laterpay auch mit journalistischem Content als „free to read“ funktionieren“, sieht Raumer die Chance.

Mit fünf Euro sind Sie dabei

Das Aufregende an Laterpay ist, dass der Leser sehr unauffällig in das System rutscht: Per Klick auf den Laterpay-Button entrichtet der Leser nominell einige Cent. Der Artikel selbst oder kostenpflichtige Sonderfeatures wie Bildgalerien oder Videos, werden daraufhin freigeschaltet. Soweit nichts Bahnbrechendes. Doch: Die ersten Male – bis eine Summe von fünf Euro aufgelaufen ist- kosten auch die Laterpay-Artikel den Leser nichts und er muss sich auch keinen Registrierungsorgien unterwerfen. So kann er sich ein Bild über das Preis-Leistungs-Verhältnis machen. Erreicht der Kunde die magischen fünf Euro, wird er noch eine Weile an Registrierung und Zahlung erinnert, bis er vor der Paywall gestoppt wird. Zudem gibt es die Option, die Bezahlung schlechter Artikel abzulehnen. Die Anmeldung ist geräteübergreifend möglich, auf dem Tablet, auf dem PC oder dem Smartphone.

Als Datensammler sieht sich Laterpay nicht und mit Fairness gegenüber den Verlagen wollen die Bayern auch auf der Kostenseite punkten. Wichtig ist es für Ene, die Transaktionsgebühren niedrig zu halten. Die sind ihm bei anderen Anbietern, speziell im wachsenden Mobilbereich, viel zu hoch. Laterpay erhält pro Transaktion 15 Prozent, was sich im Markt vergleichsweise moderat ausnimmt. Der Betrag beinhaltet die Gebühren für die Finanzdienstleister wie Paypal oder Kreditkartenunternehmen. Zum Monatsende bekommen Anbieter wie Nutzer eine Monatsabrechnung ähnlich dem Einzelverbindungsnachweis der Telefonrechnung.

Begehrte Spezial-Webseiten

Mit dem System möchte Laterpay zuerst die Blogger, die kleinen Verlage überzeugen. „Wenn Laterpay mit diesen Kunden den Markt durchdringt, werden wir automatisch die großen Verlage erreichen. Denn dann wächst der Anpassungsdruck in der Branche“, lautet Enes Fazit aus den Marktbeobachtungen. Um die Masse der Klein-Publizisten zu erreichen, ist dem Bezahldienst der Aspekt der Selbstintegration wichtig. Hier ist zunächst das WordPress und Joomla-Plug-In im Angebot. So kann sich der Blogger das Plug-In runterladen, ein Händlerkonto einrichten und live gehen. Laterpay nimmt vom Verkaufspreis besagte 15 Prozent, versteckte Upfrontkosten, das Abstottern der Installation, gibt es nicht. Andere CMS lassen sich über eine API-Schnittstelle anbinden.

Wider aberwitzige Kosten

Wichtig für das Laterpay-Modell ist es, dass Verlage ihre bestehenden Vertriebsstrategien überdenken. Die sehen vor, Zeitschriften-, Zeitungs- und Webmarken als ganzheitliches Produkt zu verkaufen. Nicht scheibchenweise via Micropayment, welches als Bezahlweise verlagsintern immer wieder auf Widerstände stößt. Das weiß Christian Hasselbring, ehemals Manager des deutschen Nachrichtenportals „stern.de“, sehr gut: „In meiner Zeit bei den Verlagen habe ich in und mit den unterschiedlichsten Managements gearbeitet. Eines der zentralen Anliegen ist dabei immer, Verlagsprodukte als Einheit zu verkaufen.“ Die Bundel mit Abomodell sollen das Produkt schützen, auch im digitalen Bereich. Hasselbring verantwortet jetzt das Business Development bei Laterpay und rät den Verlegern: „Um erfolgreich zu sein, müssen die journalistische und die verlagsorganisatorische Seite einen Kompromiss zwischen Produkt und optimaler Monetarisierung finden.“ Deshalb sollten unterschiedliche Bezahlmodelle mit variablen Inhalten bestückt werden, es wird einen Mix aus Gratis und Bezahl-Modellen geben. Laterpay möchte verschiedene Varianten der Zusammenarbeit mit Verlegern bieten: Verlagsabo und Micropayment schließen sich dabei nicht aus. Außerdem müsse der Verlag wenig Geld in eigene Lösungen investieren, sieht Hasselbring einen Vorteil: „Denn die Ausgaben, mit einem eigenen Modell im Markt aktiv zu sein, sind ja aberwitzig.“

Frei wie der Wind

Gering ausgeprägt sind die bisherigen Aktivitäten im Empfehlungsmarketing – im Gegensatz zum niederländischen Micropayment-Anbieter Blendle (siehe 4c-Ausgabe 03/2014). Ene verdeutlicht: „Unsere Technik steht für einen im Handeln und Navigieren freien Leser. Die eingesetzte Technik von Laterpay besitzt keinen Empfehlungscharakter“. Sicherlich kann es Sinn machen, fachverwandte Inhalte zu bündeln oder darauf zu verweisen. „Wenn ich hier den Blick nach vorne richte, könnte das ein unabhängiger, darauf spezialisierter Partner übernehmen. Wir selbst sehen uns heute als Dienstleister für hervorragende Technologie im Micropayment.“ In diesem Sommer, voraussichtlich Juli, startet Laterpay das Geschäft im deutschen Markt. Über Kundennamen hält man sich bedeckt. Prinzipiell ist das Konzept international ausgelegt. Für die Kollegen und Konkurrenten von Blendle empfindet Ene übrigens volle Anerkennung: „Je breiter die Geschäftsmodelle des Micropayment und Pay-per-Use im Markt aufgestellt sind, umso schneller steigt ihre öffentliche Wahrnehmung und desto eher etablieren sie sich“.

Ingo Woelk

(4c Printausgabe 5/2014)

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