Paywalls
29.12.2014 07:47
Geteilte Wände
Zwei europäische Startups, Blendle und Readly, versuchen Verlage von einer Alternative zur jeweils eigenen Paywall zu überzeugen. Sie bieten Gemeinschaftsportale zur Monetarisierung der Inhalte an und möchten nun international expandieren.
Blendle will nun auch international auftreten. © Beigestellt
Ein Spotify oder iTunes für Nachrichen – das neue Geschäftsmodell für Medien? Auf diese Wette setzen jedenfalls neuerdings die New York Times und der deutsche Verlagsriese Axel Springer. Die beiden Medienhäuser haben sich im Herbst mit drei Millionen Euro an dem niederländischen Startup Blendle beteiligt. Die Idee von Blendle ist nicht ganz neu und andere sind daran bereits gescheitert. Die Pauschal- oder Einzelabrechnung für das Konsumieren von Artikeln soll für Verlage eine zusätzliche Einnahmequelle sein.
“Anfangs war es schwer, die Medien von diesem Konzept zu überzeugen”, gesteht Thomas Smolders, verantwortlich für die internationale Strategie von Blendle. Jetzt mit sechs Monaten Erfahrung sei es einfacher, neue Kunden zu überzeugen. Das Unternehmen stellt auf seiner Plattform die Inhalte seiner Partner zur Verfügung. Ein Artikel kostet durchschnittlich 20 Cent. Davon bekommen 70 Prozent die Publisher, 30 Prozent bleiben bei Blendle. Ähnlich splittet auch der Musik-Streaming-Dienst Spotify seine Einnahmen auf. Allerdings müssen im Gegensatz zu den Plattenlabels die Verleger ihre Provision nicht mit den Contentproduzenten teilen.
Gut angenommen
Im Heimatmarkt hat der niederländische Dienst eigenen Angaben zufolge 130.000 Nutzer, 20 Prozent von ihnen werden nach der kostenlosen Testphase zu zahlenden Kunden. Wie viel Blendle einnimmt oder die Verlagshäuser durch den Verkauf der Artikel verdienen, verrät das Startup nicht. Immerhin hat das Portal bereits die größten niederländischen Zeitungen und auch Publikationen aus Belgien in seinem Portfolio.
“Die meisten Medien nutzen Blendle zunächst, um zu sehen, wie der Dienst funktioniert”, schätzt Eva de Valk, die als freie Journalistin für mehrere Zeitungen und Magazine in den Niederlanden schreibt. Viel einnehmen würden sie derzeit noch nicht, vermutet sie. Als Autorin nutzt sie Blendle auch selbst, allerdings nur, um ihre Artikel aus den verschiedenen Publikationen zu teilen. Auf der Plattform können Nutzer auch Journalisten folgen, um über deren Veröffentlichungen informiert zu werden. Der Service sei bei den Lesern mittlerweile sehr beliebt, berichtet sie.
Konzentration auf das Design
Für Manager Smolders ist die Nutzerfreundlichkeit das Erfolgsrezept der Anwendung. “Dass wir uns auf das Design konzentrieren, macht es einfacher, Leute dazu zu bewegen, für Journalismus zu zahlen”, berichtet er. Auf der anderen Seite versucht Blendle auch, verlegerfreundlich zu sein. Denn die Arbeit übernimmt das Startup für die Verlage. “Die Medien müssen uns nur ihre Pdf- oder XML-Dateien schicken”, erklärt Smolders. In einigen Fällen passiere das automatisch, in anderen Fällen sei manuelle Arbeit notwendig.
Trotzdem gratis
Laut dem Blendle-Manager passiert es aber auch – und das ist ein echter Strickfehler im System – dass die Medien ihre Blendle-Stücke auf der eigenen Seite kostenlos anbieten: “Das ist natürlich nicht so gut für Blendle.” Die Hauptzielgruppe von Bezahl-Dienstes sind große Medienhäuser, für freie Journalisten bietet das Unternehmen auch ein kollektives Medium an – “The Post Online Magazine“. Wer hier seine Artikel reinstellt, kann ebenfalls Geld verdienen.
9,99 Euro für alles
Im Gegensatz zu Blendle bietet Konkurrent Readly eine Abopauschale an. Die App verlangt wie Spotify 9,99 Euro im Monat für uneingeschränkten Zugriff auf Magazinartikel. Seit Ende Oktober bietet das schwedische Startup sein Digital-Abo auch auf dem deutschsprachigen Markt an. Dafür hat sich Readly die Bauer Media Group als ersten großen Partner in Deutschland geholt. Insgesamt bietet der Service 739 Magazine mit mehr als 9.000 Ausgaben an. Von den rund 70 deutschen Titeln sind der Großteil Frauenmagazine, aber auch das Vice Magazine ist dabei.
Wie viel die Medienhäuser bei Readly verdienen, hängt davon ab, wie oft ein Artikel gelesen wird. Ein Benefit des Pauschaldienstes: Die Verlage bekommen Analysen und Statistiken über die Nutzung und das Leseverhalten der User. Wie bei Blendle übernimmt der Anbieter die Digitalisierung der Pdf-Artikel. Für Bauer Media-Innovationschef Carsten Schüerhoff ist die Kooperation mit Readly “ein weiterer Kanal, das Vertriebspotenzial der Marken voll auszuschöpfen.” Wie viel Einnahmen die Medien mit dem 2012 gegründeten Dienst durchschnittlich einnehmen, verrät auch dieses Startup nicht.
Sprachtest
Für Blendle steht die Expansion mit den beiden prominenten Partnern derzeit ganz oben auf der Prioritätsliste. In absehbarer Zeit soll der Dienst in Deutschland und den USA starten. “Wir sehen uns gerade an, welche Märkte für uns interessant sind”, erzählt Smolders und ergänzt: “In Österreich haben wir noch keine Verhandlungen. Aber man kann uns gerne einladen.”
Die Migration von Blendle und Readly in große Medienmärkte ist der wahrscheinlich wichtigste Funktionstest für die Idee der geteilten Inhalte. Was in vergleichsweise kleinen Sprachen wie Schwedisch oder Flämisch mit seinem überschaubaren Inhalte-Angebot funktioniert, muss noch lange nicht bei größeren Sprachen wie Deutsch oder Englisch mit seinem entsprechend breiteren Quellenangebot angenommen werden.
Elisabeth Oberndorfer
(4c Ausgabe 8/2014)