Papier

18.09.2015 09:47

Nicht für jeden

Sie halten sich von Massenware fern, weil sie selbst keine herstellen. Sie lassen Traubenbrei in ihre Kartons verweben und halten die richtige Auswahl nicht für eine periphere Angelegenheit: Luxusmarken und ihre zuweilen spleenigen Ansprüche an den Bedruckstoff Papier.

Verpackung für Veuve Cliquot-Champagner: Trauben als Rohstoff für die Kartons. © Beigestellt

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Veuve Cliquot meint es ziemlich ernst mit der Markenpflege. Das zieht sich sogar bis in die Fasern der Kartonverpackungen. Denn die französische Luxusmarke hat die Traubenreste, die beim Herstellungsprozess  des Champagners anfallen, in den Karton verarbeiten lassen. Der italienische Feinpapierhersteller Favini vermischte die zu Pulver gemahlenen Traubenreste mit Zellstofffasern und schuf ein biologisch abbaubares, wiederverwertbares und elegantes Papier.

Der Champagnerhersteller ist bei weitem nicht die einzige Luxusmarke, die Papier als Markenträger begreift und sich daher auch eigene Schöpfungen entwickeln lässt, statt auf herkömmliche Ware zuzugreifen. Es ist eine Investition in die Authentizität der eigenen Marke und damit auch in die Fähigkeit, für die eigenen Produkte weit höhere Preise abrufen zu können, als es der Markt im jeweiligen Produktsegment eigentlich vorgibt 

Papier aus Algen

Als Designer ist man bei solchen Wünschen auf Druckereien angewiesen, mit denen man gemeinsam die Feinpapiere ausprobieren kann. Die dabei gewonnenen Kenntnisse laufen wiederum zurück an die Papierproduzenten. „Die sind oft sehr froh über das Feedback von Agenturen“, berichtet  Mike Rabensteiner von der Agentur Bureau Rabensteiner in Innsbruck. Er betreut eher kleinere Kunden. „Bei großen Luxusunternehmen geht es in erster Linie um Qualitätssicherung. Die kleinen Kunden lassen sich immer ganz gerne überraschen“,  so Rabensteiner. In den letzten Jahren konnte er indes beobachten, dass Luxusmarken an Papier immer höhere Erwartungen stellen. Aus gutem Grund: Viele Unternehmen konzentrieren sich auf ihre Online-Auftritte. Der Einsatz von Feinpapier ist so zu einem Distinktionsmerkmal der Luxus-Marken geworden.

Sortenvielfalt

Die Hamburger Agentur Juno setzt sich ähnlich wie auch Rabensteiner bei ihren Projekten intensiv mit der Papierauswahl auseinander. „In dem Moment, wo wir nicht das typische Image-Papier auswählen, das jede zweite Agentur nimmt, sondern etwas finden, das eher untypisch ist, wird es erst spannend für uns“, erklärt Juno-Geschäftsführer Wolfgang Greter. Bei einer Image-Broschüre für Kinnasand, einen schwedischen Hersteller von luxuriösen Stoffen und Teppichen, hat die Agentur Papiere gemischt, um mit dem Wechsel von Papiersorten und Grammaturen Spannung zu erzeugen.

Bei limitierten Spezialanfertigungen beginnt dieser Prozess der Papierauswahl meist bei den Designern. „Als Gestalter ist es immer wichtig, die Produktpalette eines Unternehmens im Hinterkopf zu haben, um in der Lage zu sein, die jeweils passenden Materialien für Briefpapier, Einladungen, Packaging oder Kataloge auswählen zu können“, erzählt Jo Pitts, die früher als Grafikdesignerin bei der britischen Luxusmarke Mulberry gearbeitet hat und heute beim Papierhersteller G . F Smith in London tätig ist.

Den Überblick bewahren

Die richtige Auswahl von Papier kann  indes nur dann glücken, wenn das Wissen von Papierhändlern und Designern zusammenfließt. Pitts ist überzeugt, dass vor allem Luxusmarken sehr viel Wert darauf legen, dass ihre Designer gute Beziehungen zu Papierherstellern pflegen. Im Bereich Luxusmode sind oft neue Farben relevant, die im Rahmen eines Rebrandings oder eines unverwechselbaren Weihnachts-Packagings zum Einsatz kommen sollen. Diese Abstimmung mit Papierherstellern und der Versuch, im durchaus unübersichtlichen Angebot an Papieren den Überblick zu behalten, begleitet auch Markus Cavagno, Produktioner bei Porsche Austria: „Wir halten ständigen Kontakt mit den Papiergroßhändlern und Papiererzeugern, um die neuesten Ideen, Papiere und Trends, in unsere Überlegungen integrieren zu können“, erzählt Cavagno über die aufmerksame Marktbeobachtung der Produktioner.

Bei Favini, dem Haus, das die Veuve Cliquot-Verpackung umgesetzt hat,  beschäftigt man sich nun schon lange mit der Verwendung origineller Materialien bei kundenspezifischen Papierschöpfungen und ist es offenbar einiges gewohnt: Für die irische Luxus-Naturkosmetik-Linie Voya hat Favini sogar Algen von der Atlantikküste der grünen Insel zu Papier verarbeitet. Da die Cremes selbst aus den irischen Algen hergestellt werden, ist es natürlich plausibel, dass Verpackung aus eben diesem Material besteht. Die Karton-Kreation aus Seegras ist auch unter den Finalisten der diesjährigen Luxury Packaging Awards in London. 

Ann Kimminich

(4c Printausgabe 5/2015)

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