Paid Content
30.11.2016 08:01
Jedem sein Korrespondent
In den kleinen Niederlanden zeigt das erst 2013 gegründete Online-Magazin „De Correspondent“, wie hoch die Zahlungsbereitschaft des Publikums für journalistische Inhalte ist. Und dass gedruckte Bücher eine sehr profitable Erweiterung für Paid Content sein können.
Buch des Online-Magazins De Correspondent: Finanzierung des Online-Journalismus durch gedruckte Bücher. © Beigestellt
Ein bisschen Extrovertiertheit kann zweifellos nicht schaden, will man als Redakteur beim niederländischen Online-Magazin „De Correspondent“ anheuern. Denn das Konzept des erst 2013 gegründeten Magazins verfolgt kompromisslos, woran andere Medien scheitern: dass die Redakteure sich gemeinsam mit dem Magazin als eigene Marken aufbauen und so mehr Nähe zum zahlenden Publikum schaffen.
Bei „De Correspondent“ gipfelt dieses Konzept darin, dass man „De Correspondent“-Redakteure für Diskussionsrunden, Konferenzen und Reden buchen kann. Beinahe täglich, so zeigt es ein Terminkalender auf der „De Correspondent“-Website, steht irgendwo in den Niederlanden ein Redakteur des Startups auf einer Bühne.
Leser und Auftraggeber
Die Schaffung solcher ungewöhnlicher Dialogflächen direkt zwischen Redakteuren und Publikum ist es wahrscheinlich, die „De Correspondent“ in den letzten Jahren gelingen hat lassen. 2013 per Crowdfunding mit rund 1,5 Millionen Euro Startkapital ausgestattet, hat das Startup mittlerweile knapp 50.000 zahlende Mitglieder, die monatlich sechs oder jährlich 60 Euro für ihre Mitgliedschaft in der Community bezahlen und damit sowohl Zugriff auf die Inhalte auf der Website haben wie auch etwa Veranstaltungen mit den Redakteuren organisieren können. Und noch einen Vorteil hat die Mitgliedschaft: die Redakteure teilen ihre Recherchen recht früh mit den Mitgliedern und fragen auch nach, welcher Aspekt bei einem bestimmten Thema von besonderem Interesse ist. Die Mitglieder sind also nicht bloße Leser, sondern beauftragen ihre eigenen Korrespondenten. Die Crowd als Herausgeber. Rund fünf Geschichten veröffentlicht „De Correspondent“ derzeit täglich.
Mein Korrespondent und sein Buch
Eine andere, ebenso wichtige Dialogfläche mit dem Publikum sind neben den Veranstaltungen und der Mitwirkung an den Recherchen – und das mag für ein Online-Medium noch viel ungewöhnlicher sein – gedruckte Bücher. Die Redakteure veröffentlichen derart ungenutzte und erweiterte Recherchen zu ihren Storys. „Wir haben den Ruf des Journalisten mit aufgebaut und in ihn investiert. Warum sollen wir anderen die Erlöse überlassen“, sagt Milou Klein-Lankhorst, bei „De Correspondent“ für die Buchsparte verantwortlich. Es sind für die kleinen Niederlande beachtliche Auflagen, die das Portal produzieren lässt: Vom Buch „Warum Müllmänner mehr verdienen sollten als Banker“ wurden 27.000 Exemplare verkauft. Parallel gibt es zu jeder Printproduktion E-Books. Und jedenfalls beim gedruckten Buch kann der Käufer handsignierte Exemplare ordern – auch das wieder so ein kleiner Kniff, um Autor und Leser näher zueinander rücken zu lassen.
Fortgesetzt wird diese Strategie auch mit Email-Newslettern: statt eines zentralen Newsletters der Redaktion versenden viele der Autoren ihre eigenen Newsletter und halten ihre Abonnenten über ihr Tun, ihre neuen Recherchen und neue Geschichten auf dem Laufenden. Dieses Autoren-Marketing ist auch ein recht wichtiges Instrument geworden, um die Buchverkäufe anzukurbeln.
Finanzierungsquelle Buch
Mittlerweile hat sich die Buchsparte zu einem profitablen Geschäft entwickelt. „Unser erstes Buch war von der Nachrichtenplattform bezuschusst. Wir brauchten ein kleines Investment für die erste Auflage. Es lief gut und wir begannen, Profit zu machen. Seitdem hat sich das Verlagshaus nicht nur selbst finanziert, sondern machte neue journalistische Projekte möglich“, sagt Klein-Lankhorst.
Die Macher wagen auch die ersten Versuche außerhalb des niederländischen Sprachraums. Ein erstes Buch ist nun auf Englisch erschienen. Auf deutschsprachige Veröffentlichungen wird man wahrscheinlich noch länger warten müssen. Ambitionen, ihr Modell auf den deutschsprachigen Markt auszudehnen, haben die Korrespondenten bislang nicht.
Ingo Woelk
(4c Printausgabe 6/2016)
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