3D Druck
06.07.2017 22:39
Kiefer aus dem Wald
Schweizer Forscher wollen mit einer neuen Technologie für den 3D-Druck besonders stabile Prothesen für medizinische Anwendungen entwickeln. Das Material, das sie dafür verwenden, ist auch der wichtigste Rohstoff der Papierindustrie.
Um 3D-mikrostrukturierte Materialien etwa für Anwendungen in Verbundwerkstoffen herzustellen, verwenden Empa-Forscher eine 3D-Druckmethode namens Direct Ink Writing. © Beigestellt
Ohne sie kein Papier, ohne sie keine grafische Industrie. Mit ihr könnte nun auch der 3D-Druck um eine Variation bereichert werden – jedenfalls für einige Anwendungen: Zellulose; jene organische Verbindung, die Basis der Papierproduktion ist und deren günstige Eigenschaften nun auch im dreidimensionalen Druck erforscht werden. Die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) hat nämlich 3D-Druckertinte mit Zellulose-Nanokristallen entwickelt, was durchaus umweltfreundlicher ist als bekannte Plastikvarianten. Doch erst seine kraftvoll-mechanische Funktion macht das neue 3D-Drucksubstrat so richtig zukunftsträchtig. Die Stabilität des gehärteten 3D-Drucks soll etwa in medizinischen Anwendungen wie Prothesen eingesetzt werden. Im Projekt hat die Empa das Know-how externer Spezialisten genutzt – etwa von der Universität Harvard. Die Eidgenossen hatten zu Projektbeginn einen Wissenschaftler in die USA geschickt, um verschiedene Techniken zu erlernen und eigene erste zellulosebasierte Druckertinten zu entwickeln.
Konsistenz der Tinte entscheidend
Zuerst musste eine visko-elastische Konsistenz der Druckertinte erreicht werden, die durch die Düsen des 3D-Druckers gepresst werden kann. „Zellulose fängt bei Temperaturen von über 180 Grad Celsius an, sich zu zersetzen“, erklärt die Tanja Zimmermann, Leiterin der Holzforschung bei der Empa. „Zellulose ist nicht in normalen Lösungsmitteln oder gar Wasser lösbar oder schmelzbar, sie dient als Strukturkomponente und zur mechanischen Verstärkung des Polymers.“ So entsteht durch einen Extrusionsprozess die herausragende mechanische Stärke des Biopolymers. Dabei lässt sich die Ausrichtung der Nanokristalle steuern. Gedruckte Objekte, die eine spezifische Festigkeit in einer bestimmten Richtung haben sollen, sind damit realisierbar.
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Direct Ink Writing
Der erwähnte Extrusionsprozess beinhaltet das Direct Ink Writing (DIW). So werden die gedruckten Komposite, also Polymer und Zellulose – in diesem Fall für die Zahnmedizin– mit Hilfe von UV-Licht vernetzt und ausgehärtet. Der große Vorteil des Direct Ink Writing liegt in der nahezu freien Materialauswahl für die Tinten. Die werden als zähflüssige Masse aus der Druckdüse gepresst und auf einer Oberfläche abgeschieden. Der Drucker hat dabei eine Hoch- und eine Tieftemperaturkartusche. Die dadurch möglichen Temperaturwechselspiele bieten viele Freiheiten bei der Realisierung von Formen und bei der Entwicklung neuartiger Tinten mit maßgeschneiderten Eigenschaften.
Biopolymer statt Plastik
Wie bio ist ein Biopolymer in diesem Fall? „Die Zellulose ist grundsätzlich biologisch abbaubar und mit eben solchen Polymeren auch kombinierbar“, erklärt Holzforscherin Zimmermann. „Man kann sich Systeme für biomedizinische Anwendungen vorstellen, da gibt es Vorteile gegenüber ölbasierten Systemen.“ Während vorher der Anteil der Zellulose-Fibrillen in 3D-Drucktinten bei geringen 2,5 Prozent lag, ist er bei der Empa-Neuentwicklung auf 20 Prozent gestiegen. Diese Nachhaltigkeit und seine hervorragenden mechanischen Eigenschaften machen das neue Material, das sich chemisch modifizieren lässt, interessant. Sicher, Automobilindustrie oder Verpackungen jeglicher Art sind mögliche Anwendungen. Das für Empa wichtigste Anwendungsgebiet liegt allerdings in der Biomedizin. Dazu zählen Implantate und Prothesen wie der gedruckte Kieferknochen.
Ingo Woelk
(4c Printausgabe 4/2017)