Sie haben diesen Artikel am 23.10.2011 um 10:58 ausgedruckt.
Den kompletten Artikel mit den zugehörigen Bildern und Medien finden Sie unter https://4-c.at/home/goto/aid/5817

iPad-Zeitungen

27.02.2011 16:22

Mitnaschen am Apfelkuchen

Apple mischt die Karten für Zeitungen am iPad neu. Österreichs iPad-Zeitungen kämpfen mit den Kinderkrankheiten des Mediums.

Es hat nicht alles so geklappt für den Medien-Tycoon Rupert Murdoch, wie er sich das vorgestellt hatte: zuerst musste er die Präsentation seiner iPad-Zeitung “The Daily” um zwei Wochen verschieben, dann war nicht wie erwartet Apple-Chef Steve Jobs bei der Präsentation in New York anwesend und jetzt sind die Inhalte von “The Daily” auch noch kostenlos im Netz verfügbar. Und dennoch: Was Rupert Murdoch mit einer Investition von 30 Millionen US-Dollar anschob, könnte eine Medienrevolution sein – eine allerdings mit ungewissem Ausgang. Schließlich nahm Apple den Start der iPad-Zeitung zum Anlass, auch ein neues Kostenmodell für den digitalen Zeitungsstand zu präsentieren. Die Mac-Macher wurmte bisher, dass Zeitungen ihre Abonnements am Appstore vorbei an den Kunden bringen konnten.

Doch damit ist jetzt Schluss. Murdochs Tageszeitung wird als erste das neue Appstore-Abo anwenden. In einem Interview plauderte der 79-jährige Medienzar ein paar Details des Deals aus. So kassiert Apple satte 30 Prozent vom Abo-Preis, wie bei anderen Appstore-Transaktionen auch. Allerdings gilt das nur fürs erste Jahr. „Unser Anteil wird danach steigen, hoffen wir“, so Murdoch. Aber dann kam der vielsagende Nachsatz: „Das muss erst ausgehandelt werden.“
 
Wer nicht spurt, fliegt raus
 
Ein Insider zeigt sich auf Anfrage überrascht, dass Steve Jobs so viel herausholen konnte. Das Abo-Modell ist für die Zeitungen damit weniger attraktiv als der Status quo. Denn zusätzlich übernimmt Apple den Verkauf der Abos und alle Kundendaten, gibt Letztere nur mit Einverständnis des Users an die Verlage weiter. Der direkte Zugang zum Leser war den Zeitungen bis jetzt immer heilig. Aber wer bis April die neuen Bedingungen nicht akzeptiert, dem droht Apple mit dem Rauswurf aus dem Store.
Die iPad-App der Wiener Tageszeitung WirtschaftsBlatt umschifft aber Apples Bezahlmodell elegant. Die App selbst ist gratis, Abonnenten tippen beim Start ihr Kennwort ein, um auf die Artikel zuzugreifen. Apple ließ die Login-Variante durchgehen, weil der Content nicht exklusiv über das iPad zugänglich ist, die App also eigentlich einen spezialisierten Browser darstellt. Unabhängigkeit von der Plattform scheint sich also auszuzahlen.
Das WirtschaftsBlatt hat sein Abo-Modell aktiv auf die neuen Online-Möglichkeiten angepasst, so gibt es etwa neben dem Voll-Abonnement ein günstigeres reines Digital- und ein Web-Abo. Harald Fercher, Ressortleiter für digitale Medien, ist auf die Zahlen stolz. Seine Zeitung verlor keine Zugriffe durch die Umstellung auf Paid Content: „Die Leute sind bereit zu zahlen und wir legen auch jetzt noch immer zu.“
Die iPad-Ausgabe ist mit interaktiven und crossmedialen Inhalten angereichert, die man über subtile Buttons ansteuern kann. Die Erzeugung erfolgt weitgehend automatisiert über einen APA-Service. Die Seitenbilder selbst sind allerdings JPEGs. Dadurch macht das WirtschaftsBlatt beim Vergrößern einen unscharfen Eindruck. Demnächst will man aber auf PDF umsteigen, dann werden die Kurven wieder scharf.
 
Pixel sparen Gigabytes
 
Diese Verpixelung ist zurzeit die Krux des iPad-Publishing. Das Apple-Tablet kann zwar auch mit PDFs umgehen und Vektoren gut auf den Schirm zaubern. „Aber die Datenmenge wird zu groß“, gibt Markus Handl zu bedenken. Handl zeichnete letztes Jahr für die iPad-Fassung des Wiener Magazins „Datum“ verantwortlich. „Pro Ausgabe lag das PDF über einem Gigabyte“, die Umrechnung in Bitmap-Bilder war platzsparender. Wohl aus demselben Grund entscheiden sich viele Tageszeitungen für gerenderte Bilder als Basis für ihre Digitalausgaben. Dafür nimmt man aber Treppchen beim Einzoomen in Kauf.
Eine Ausnahme bildet die “Krone”, deren Leser wenigstens einen technischen Startvorteil haben: Bereits die Papierversion ihrer Zeitung hat iPad-Format. Auch wenn man weit in den Text der Digital-Krone einzoomt, kommen keine Pixelartefakte zum Vorschein. Zum Ausgleich hat man bei den Bildern Qualität eingespart. Manche pixeln schon vor dem Zoom aus.
 
Fleckige Schriften
 
Setzt man aber auf aufgelöste Seiten im PNG- oder JPEG-Format, handelt man sich Probleme mit schlechtem Font-Hinting ein. Besonders die Schriftdarstellung des “Kurier” zeigt deshalb Flecken. Das liegt aber nicht am iPad, sondern am Rendering der Seitenbilder vor der Publikation. Apples hauseigene Typo-Engine ignoriert Hinting nämlich völlig und schafft trotzdem – oder gerade deswegen – eine bessere Darstellung. Vektoren hätten also einen doppelten Vorteil am iPad-Schirm.
Abhilfe schaffen hier Text-Overlays, die auf Fingertipp über das E-Paper schweben. Sie erlauben auch das Kopieren von Text, etwa um eine Passage in einer E-Mail zu zitieren. Lieblos wirkt für das typografisch geschulte Auge aber der Einsatz von Arial und Verdana statt der Hausschriften.
Die steirische “Kleine Zeitung” gab ihre iPad-Version bei der Wiener Software-Schmiede „Tailored Apps“ in Auftrag. Mit den gängigen iPad-Gesten hat die App aber ihre liebe Müh. So funktioniert der Doppel-Tapp zum Zoomen nicht ganz, wie der User es erwartet: Statt der angetippten Stelle vergrößert die App immer die Seitenmitte. Greift man aus Ärger darüber auf die Alternativ-Geste zurück, das Auseinanderziehen zweier Finger, löst man meistens unabsichtlich den Text-Overlay aus.
Solche Einbußen in der Benutzerfreundlichkeit machen die iPad-Fassung zum Negativerlebnis. Aber man wisse um die Probleme, versichert „Tailored Apps“-Geschäftsführer Thomas Höchtl. Die nächste Version der Zeitungs-App sei bereits fertig, das Update nur noch eine Frage der Zeit.
 
Scharfe Presse
 
Die “Presse” produziert ihre iPad-Ausgabe vollständig hausintern und auf PDF-Basis. Besonders bezahlt machen sich die so bewahrten Vektoren etwa bei Börsencharts, die auch auf der höchsten Zoomstufe noch gestochen scharf wirken. Damit wird die Möglichkeit zur Vergrößerung mittels Fingergeste zum echten Plus gegenüber der Printausgabe. So genau konnte der Leser noch nie Infografiken studieren.
Dadurch würden sich eigentlich auch die Overlays erübrigen, aber gerade die sind in der Presse-App besonders gut gemacht. Statt auf den WWW-Schriftenkanon setzt man auch hier auf die Corporate Identity inklusive Hausschriften. Die Stiltreue wird durchwegs geschätzt. Peter Krotky, Geschäftsführer der “Presse Digital“, freut sich über den Zuspruch der User: „Wir haben die bestbewertete Medien-App in Österreich und über Österreich hinaus.“


Zurzeit darf man die Presse noch gratis aufs iPad laden. Wie lange das noch so bleiben wird, ist aber unklar. „Apple scheint ein grundsätzliches Problem für alle Verleger zu werden,“ beklagt Krotky, „Wir haben die Vergebührung zurückgestellt, bis klar ist, was Apple vorhat.“ Es war ohnehin nie geplant, den Appstore zu umgehen, aber „wir wollen differenzieren“, sagt Krotky: „Wir wollen den Print-Abonnenten, die bereits 350 Euro zahlen, den Zugang schenken.“
Wie es weitergeht, entscheidet sich nun in London, wenn der Zeitungsverband INMA zum „Runden Tisch über Tablet-Abonnements“ lädt.