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02.01.2012 22:00

Ablasshandel

Warum die Rechnung Druckmaschinenbau minus Manroland ist gleich ökonomisches Comeback nicht aufgehen wird.

Falsche Rechnung: zur Marktregulierung braucht es mehr als einen gescheiterten Konzern. © Fotolia

Aus dem Archiv Lieber nicht freuen Nur ein Stockwerk Manroland in tiefroten Zahlen Manroland gliedert Vertrieb neu Too late Heidelberg-Chef „bedauert“ Pleite Freiwillige vor

Manroland ist pleite und das aus wohl vielen guten Gründen. Um die einmal aufzuarbeiten, bieten sich luxuriöser Weise zwei Perspektiven an. Erstens: jene, die sich ausschließlich auf das Unternehmen richtet. Da mögen viel Managementfehler passiert, die Vertriebsorganisation problematisch aufgestellt, eigentlich wichtige Märkte bloß per Flugzeug bedient, die seltsame Rivalität zwischen den Produktionsstandorten Offenbach, Augsburg und Plauen dem Gedeih des Konzerns nicht unbedingt förderlich gewesen sein.

Die Aufarbeitung dieser Fehler wird in den nächsten Wochen eine wichtige Rolle spielen, sie ist notwendig und sinnvoll und trotzdem bloß ein argumentativer Ablasshandel, um eine andere Perspektive zu verdecken. Jene, die sich auf den Druckmaschinenbau richtet, auf die Übriggebliebenen, die sich nun in der privilegierten Position befinden, einen Konkurrenten wegdämmern zu sehen.

Zumindest noch einige Zeit lang und so lange eine längst überfällige Restrukturierung Platz greift, wird Manroland weiter teilweise handlungsunfähig sein, die Konkurrenz wird die Unsicherheit unter der Kundschaft für sich zu nutzen wissen – und dabei kann man den Wettbewerbern gar nicht einmal böse Absicht unterstellen. Doch diese Zeitspanne der scheinbaren neuen Chancen birgt für die Übriggebliebenen eine große Gefahr: aus dem Blick zu verlieren, dass die Insolvenz von Manroland kein Betriebsunfall, kein lokal begrenztes Ereignis, nicht exklusives Ergebnis von Managementfehlern oder Eifersüchteleien zwischen Standorten war. Vielmehr: bei Manroland ist nichts so außergewöhnlich Spektakuläres passiert, das anderen nicht auch passieren könnte.

Denn woran die Druckindustrie laboriert, sind weniger ungewöhnliche, mysteriöse Konjunkturschwankungen oder ein massiver Rückgang an Druckvolumen. Woran die Druckmaschinenhersteller tatsächlich laborieren, ist das Phänomen der Hidden Innovation. Soll heißen: die zweifellos beeindruckende Innovationskraft der Druckmaschinenhersteller adressiert zwar die betriebswirtschaftlichen Zwänge ihrer Kunden, der Druckereien, aber kaum das völlig veränderte mediale Umfeld, in dem sich ihre Kunden, die Druckereien, bewegen müssen.

Zwar werden Rüstzeiten durch die eine oder andere Meisterleistung des Ingenieurwesens weltmeisterlich gesenkt, Makulatur minimiert und die Plattenlogistik optimiert; die von den Druckmaschinenbauern solcherart konfigurierten Sparpakete bieten aber für den Printbuyer allesamt keine effektvollen Vorteile bis auf die Chance zu einem noch besseren Preis. Die Marginalisierung des Gedruckten gegenüber anderen Technologien wird mit der Defensivstrategie nicht gebremst.

Drucker können vielleicht billiger produzieren, wenn sie die eine oder andere dieser versteckten Innovationen in ihrem Betrieb implementieren. Ein Argumentarium zu den Vorteilen von Print gegenüber dem Virtuellen wird ihnen damit aber nicht zur Hand gegeben. Die Drucker damit alleine zu lassen, könnte einer der Fallstricke sein, die eine ganze Branche stolpern lässt, auch wenn ein Konkurrent aufgeben muss.

Drucker brauchen neben ihrer technischen Ausstattung auch ein Umfeld, in dem ihre Kunden sensibilisiert werden für die Tugenden des Gedruckten, für seine ökonomischen Vorteile, für seine vielen Möglichkeiten, für das Wow im Einerlei des CMYK-Universums. Und dieses Umfeld können sie selbst, die sie eben großteils Klein – und Kleinstbetriebe sind, nicht schaffen.

Deshalb muss wohl eine Aufgabe der Druckmaschinenbauer sein, auch die Printbuyer in ihre Kommunikation aufzunehmen, sich einem wahrlich nicht leichten Dialog mit ihnen auszusetzen, in ihrem Marketing darauf zu achten, auch Kanäle zu diesen Endkunden zu eröffnen und nicht angewandtem Eskapismus anheim zu fallen, dass der Markt zwischen Vorstufe und Weiterverarbeitung gemacht wird. Denn der druchoptimierte Drucksaal ist für den Printbuyer kein Kriterium, wenn er die Stärken und Schwächen unterschiedlicher Medienkanäle evaluiert. 

Die Kommunikation an der Schnittstelle zwischen Druckdienstleistern und Kunden abbrechen zu lassen, wird sich die Branche schon in absehbarer Zeit nicht mehr leisten können. Vielleicht braucht es ja keinen Krisengipfel der Druckmaschinenbauer. Vielleicht braucht es eine gemeinsame Initiative, um auch die Kundschaft der Kundschaft davon überzeugen zu können, was Print kann, wenn es den durchoptimierten Drucksaal längst verlassen hat.

Martin Schwarz

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Patrick André Brillant (1)Unnötig (0) Antworten 20.01.2012 08:38 Kommentar melden Permalink
Das kann man 100%ig so stehen lassen!
Hoffe diese Botschaft kommt auch bei den Herstellern an. Man wird es bei der Drupe sehen.
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