E-Mobilität

11.12.2017 14:12

Unter Strom

Der Druckmaschinenbauer Heidelberg hat eine Ladeeinrichtung für die Elektromobilität entwickelt – und will damit in den nächsten Jahren einen boomenden Markt erschließen.

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Wallbox von Heidelberg: das erste, aber bestimmt nicht das letzte Produkt des Maschinenbauers für bisher fremde Märkte. © Heidelberg Klaus Braun, Leiter von Heidelberg Industry: “ Wir reden jetzt mit Automobilproduzenten. Das ist eine eigene Welt.“ © Heidelberg

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Heidelberg entwickelt sich immer mehr zum Konzern, der sich nicht ausschließlich den Fügungen des Druckmarkts unetrwerfen möchte. Mit der Wallbox bringt das Unternehmen nun eine Ladeeinrichtung für E-Autos auf den Markt – das erste Produkt nach einigen Jahren intensiven Sondierens, in welche Märkte man denn mit dem eigenen Know-how expandieren könnte.

Kurswechsel

Als Antwort auf die vor einigen Jahren sich abzeichnende Krise des Druck-Business sucht das Unternehmen schon seit 2009 neue Betätigungsfelder abseits der Printindustrie. Der Geschäftsbereich Heidelberg Industry ist verantwortlich für Industrielösungen, die sich außerhalb des klassischen Geschäfts bewegen. „In dieser ersten Krisenzeit der Druckindustrie hatten wir den Auftrag, für volle Hallen zu sorgen. Die Antwort darauf war konsequenterweise, die vorhandenen Kompetenzen anderen Unternehmen als Lieferant für Fertigungs- oder Produktionsdienstleistungen zur Verfügung zu stellen. Die Idee dahinter ist, dass wir das Know-how in Software, Mechanik und Elektronik aus dem Manufacturing-Umfeld gezielt an andere Industrien vermarkten und dort eigene Vertriebskompetenzen aufbauen. Das läuft in der Tat unabhängig vom Druckmaschinenbau“, erzählt Klaus Braun, Leiter des Geschäftsbereichs Industry bei Heidelberg.

Damals wurde erst einmal geprüft, welche Leistungen für andere Unternehmen überhaupt interessant sein könnten. Zunächst stand vor allem die Mechanik im Vordergrund „Wir konnten ein relativ großes Leistungsspektrum in der mechanischen Bearbeitung von Bauteilen anbieten“, so Braun. „Wir haben aber zum Beispiel auch eine eigene Gießerei auf der die Schwäbischen Alb, die früher alleine Druckmaschinenbauteile produziert hat. Mittlerweile geht knapp die Hälfte des Outputs auf das Konto verschiedener Industriekunden, unter anderem auch aus dem Automobilsektor, für die Lenkgehäuse, Bremssättel und Radflanschen in hohen Stückzahlen für Nutzfahrzeuge hergestellt werden.“

Berührungspunkte

Die ersten Versuche in der Elektromobilität wurden 2011 unternommen. „Damals kam der erste Automobilproduzent auf uns zu, der nachgefragt hat, ob wir ihn in diesem Zusammenhang unterstützen könnten“, erklärt Klaus Braun. In der Elektronik hat Heidelberg mit den Druckmaschinen schon seit einigen Jahrzehnten Kompetenz aufgebaut. Auch werden Leiterplattenbestückung oder kleinere elektronische Baugruppen für andere Industrien entwickelt und produziert. So lag der Schritt in die E-Mobilität irgendwie doch nahe.

„Die Elektromobilität und speziell die Ladetechnologie hat eine ganze Menge an Gemeinsamkeiten mit der Steuerungs- und Leistungselektronik, die wir aus dem Druckmaschinengeschäft kennen“, so Braun. Der Begriff der intelligenten Leistungselektronik beschreibt die Verbindung aus meiner Sicht am besten. Klassischerweise entwickelt, produziert und industrialisiert Heidelberg seit jeher die Steuerungstechnik selbst.

Hinzu kommt noch das Wissen über die Stromnetze. Heidelberg-Maschinen stehen schließlich überall auf der Welt und der Strom, der in ein Fahrzeug einfließt, ist letztendlich genau derselbe. „Die klassischen Automobilhersteller können großartige Autos bauen, hatten aber zumindest zu Beginn der E-Mobilität relativ wenig Erfahrung mit den Stromnetzen. Deswegen hatten wir hier einen kleinen Vorsprung“, meint Braun.

Sprachprobleme

„Wir mussten lediglich die Kapazität anpassen. So haben wir zum Beispiel für ein Ladekabel, das wir schon seit fünf Jahren produzieren, eine eigene kleine Montagelinie aufgebaut, um eben die sehr hohen Stückzahlen, die der Kunde abruft, schlank und effizient produzieren zu können. So etwas macht man nicht auf einer Werkbank, sondern braucht eine hochproduktive, automatisierte Anlage“, so Klaus Braun.

Dann musste noch die richtige Sprache gefunden werden. Automobiler haben eben eine gewisse Präsenz am Markt und auch eine gewisse Machtstellung ihren Lieferanten gegenüber. Hier musste sich Heidelberg erst einmal einen Namen verschaffen und mit Leistung überzeugen. „Wir reden jetzt mit Automobilproduzenten. Das ist eine eigene Welt, in der es eigene Normen, eigene normative Anforderungen, gibt. In dieser Welt mussten wir uns erst einmal zurechtfinden und auch Kompetenzen aufbauen“, erklärt Braun.

Heidelberg Industry greift auf bestehende Strukturen zu, um Anlagen und Kompetenzen sinnvoll nutzen und damit wachsen zu können. Mittlerweile wurden bereits 100.000 Ladekabel und 20.000 Ladestationen im Kundenauftrag produziert. Das hat der Maschinenbauer jetzt weiterentwickelt: in ein neues eigenes Produkt abseits des klassischen Kernmarktes. Die Wallbox ist auch erst der Anfang. Heidelberg will in den nächsten Jahren schrittweise ein umfassendes Portfolio für die Ladeinfrastruktur aufbauen. 

Anja Schlimbach

(4c Printausgabe 6/2017)

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