Papier
30.01.2014 11:54
Mit allem ausgestattet
Es ist der Körper des Buches: das Papier. Doch weil Bücher heute auch in körperloser Form als elektronische Dateien zum Konsumenten kommen, müssen sich auch die Papierproduzenten umstellen. Sie hoffen auf opulenter gestaltete Bücher.
Schauen und lesen: Die Funktion des Buches hat sich geändert – vom Inhaltsträger zum Objekt. © Fotolia.de
Alles in Ordnung. Die emotionale Referenzgröße ist immer noch das gedruckte Buch. Selbst einer oktavenstarken Marketingorgel wie Amazon ist kürzlich bei der Vorstellung des neuen E-Readers „Kindle Paperwhite“ nicht viel anderes eingefallen, als schon im Produktnamen auf das Substrat Papier zu verweisen. „Es ist wirklich wie Papier“, sagt eine Testerin im Werbespot zum aktuellen Produktlaunch, ein anderer Tester meint: „Genau, als wär`s ein Buch“.
Daran können sich jene, deren Profession das gedruckte Buch ist, festhalten. „Die Haptik ist für jemanden, der viel und gern liest, sehr wichtig. Mit dem Gefühl von Papier, vielleicht auch mit seinem Geruch, kann man sich in das Buch hinein leben“, bedient Reinhard Bachheimer, Geschäftsführer von Arctic Paper Zentraleuropa, Wahrheiten, die sich auch mit dem Aufkommen von E-Readern nicht verändert haben. „Es wird wohl beides geben in Zukunft, das gedruckte Buch und die E-Books. Als vor vielen Jahren der Film aufkam, wurde auch vermutet, dass das Theater stirbt. Ich bin mir also ziemlich sicher, dass es ein Nebeneinander geben wird.“, so Bachheimer.
Funktion: schön
Allerdings entfernt sich das Buch langsam von seiner ursprünglichen Verwendung als bloßer Inhaltsträger. „Verlage haben verstanden, dass sie ihre gedruckten Bücher, wenn sie die verkaufen wollen, hochwertiger ausstatten müssen. Das betrifft sowohl das Papier als auch die Covergestaltung“, diagnostiziert Harald Egger, Geschäftsführer von Salzer Papier, einen Wandel der Funktion des gedruckten Buches. Den wirtschaftlichen Effekt dieser Metamorphose beschreibt Eggers Kollege bei Arctic Paper so: „Ich bin als Papierproduzent bei der Diskussion um gedrucktes Buch und E-Book natürlich nicht ganz objektiv. Aber wir stellen fest, dass gebundene Qualitätsbücher relativ konstante Verkaufszahlen aufweisen. Wir haben seit Jahren einen stabilen Markt in Europa.“, so Reinhard Bachheimer.
Beim Taschenbuch spielt die Papierqualität eine eher geringere Rolle. Es wird nur wenig Mühe drauf verschwendet, das passende Papier zu finden. Hier ist meist der Preis das Entscheidende. „Dagegen wird bei den hart gebundenen Büchern sehr lange überlegt. Die Entscheidung für das eine oder andere Papier ist den Verlagen so wichtig, dass sie diese nicht oder nur in wenigen Fällen allein der Druckerei überlassen. Im Gegenteil, wir beraten die Verlage recht intensiv. Deren Ansprüche, die letzten Endes bestimmen, welche Qualitäten eingesetzt werden, fordern uns in der Hinsicht, eine immer breitere Produktpalette mit verschiedenen Färbungen und verschiedene Volumina anzubieten“ erläutert Reinhard Bachheimer.
Hohes Volumen
Derzeit besonders gefragt: gelblich-weiße Papiere. „Vor wenigen Jahren gab es mal kurz einen Trend hin zu knallig weißen Papieren. In Südeuropa sind weiße Papiere nach wie vor sehr gefragt, aber die etwas gelblichen Töne sind beim Lesen deutlich angenehmer“, so Reinhold Bachheimer. Auch dürfen die Bücher nicht zu schwer sein, sollen aber ein schönes griffiges, dickes Papier enthalten. „Werkdruck-Volumenpapier bleibt im Textbuch bestehen – auch wird dünnes opakes Papier wieder mehr verwendet werden oder dünne glänzende gestrichene Sorten im Bildteil und Hochvolumiges im Textbereich. Farbige Kartons und farbige Papiere nehmen immer mehr ab – natur dominiert und wird immer mehr das tägliche Brot. Es wird mehr Wert auf Sachlichkeit, Einfachkeit und Schlichtheit gelegt“, prognostiziert Günter Bucher, Geschäftsführer der auf Buchproduktion spezialisierten Druckerei Bucher in Hohenems in Vorarlberg.
„Ich wünschte mir mehr Auswahl bei gestrichenen matten Papieren mit 1,5 – bis zweifachem Volumen – leichte dicke Bücher, wegen des Handlings und auch wegen des Versands“, fügt er noch. Man kann dieses Problem nur lösen, indem man das Volumen erhöht, aber die Grammatur reduziert. „Es ist natürlich angenehm, ein Buch im Bett zu lesen, das nicht unbedingt zwei Kilo wiegt. Deswegen wird viel Zellstoff eingesetzt und das Papier anschließend nicht gepresst, sondern thermisch getrocknet“, erläutert Harald Egger.
Weit vorn
Die Verlage pochen auch auf die nachhaltige Produktionsweise von Papier. Die Umweltzertifizierung der Papiere, die vor einigen Jahren noch gar nicht wichtig war, ist heute schon Standard. „Da sind die Buchverlage meiner Meinung nach wirklich Vorreiter. Es gibt wirklich kein hochwertiges Buchpapier, das nicht PFC- oder PEFC-zertifiziert ist“, so Harald Egger. Und dann steht auch noch die Alterungsbeständigkeit im Raum. Wertvolle, teure Bücher will der Leser gerne nach ein paar Jahren wieder mal aus dem Regal ziehen und lesen. „Wenn Sie heute in eine Buchhandlung gehen und sehen Taschenbücher und teilweise auch Hardcover, wo das Buch außen an den Schnittkanten bereits braun verfärbt ist, ist das sicherlich nicht verkaufsfördernd.“
Den Vergleich mit der elektronischen Konkurrenz bei der Alterungsbeständigkeit muss die Papierbranche allerdings nicht scheuen: Gedruckte Bücher halten mehrere hundert Jahre. Der Kindle Paperwhite wird in der Zeitspanne mutmaßlich vom Inhaltsträger zum Elektroschrott.
Anja Schlimbach
(4c Printausgabe 1/2014)