Printtour 2016

Reise in ein unterschätztes Land

Polen war in diesem Jahr das Ziel der Printtour von 4c. Die Teilnehmer erlebten ein hoch dynamisches Land, in dem selbst der Druckmarkt noch wächst.

Hier und nirgends sonst muss eine Geschichte über ein Startup beginnen. In einer Doppelgarage am südlichen Stadtrand von Warschau. In dem schmucklosen Zweckbau, ein Firmenschild sucht man vergebens, hat sich eines der hoffnungsvollsten polnischen Startups einquartiert. Versabox heißt das kleine Unternehmen, das Roboter herstellt und danach trachtet, mit seinen Lösungen die interne Logistik von Unternehmen – auch Druckereien – zu vereinfachen.

Es ist Montag abend, gerade sind die Teilnehmer der Printtour 2016 in Warschau gelandet und ihr erster Termin führt sie zu Versabox, wo Jakub Michalski den Druckereichefs aus Deutschland und Österreich zeigen möchte, was Fatboy alles kann. Fatboy also, ein Transport-Roboter, fährt unter eine Palette, das mit Kartons beladen ist, die Transportplattform des Roboters hebt sich leicht, die Palette wird hochgehoben und am anderen Ende des Raumes wieder abgestellt. „Man müsste nicht überall teure Gabelstapler verwenden“, umreißt Michalski die Marktlücke, die er füllen möchte. Das Besondere nämlich an seinen Robotern ist, dass sie die Beschaffenheit und die Umrisse eines Raumes erkennen, ohne dass vorher mit speziellen Markern die Wege des Roboters definiert werden müssen. Fatboy reagiert sofort, wenn sich ein Hindernis in seinen Weg stellt, eine Papierpalette etwa, und sucht einen Umweg, um zu seinem Ziel zu gelangen.

Hohe Exportquote

Versabox steht wie viele andere Unternehmen in Polen für eine ausgesprochen dynamische wirtschaftliche Entwicklung, die Polen schon seit Jahren erfährt und die sogar die Druckwirtschaft erfasst hat. Polen ist der einzige Druckmarkt Europas, der nach wie vor wächst – und das nicht zu knapp. 2014 machten die rund 9.000 polnischen Druckereien einen Umsatz von rund 3,3 Milliarden Euro. 2016 werden es schon rund vier Milliarden sein. Insgesamt wird in Polen, so erfuhren es die Teilnehmer der Printtour bei einem Briefing mit dem österreichischen Wirtschaftsdelegierten Karl Schmidt, ein Wachstum von 3,7 Prozent im Jahr 2016 erwartet. Künftig könnte es aber zu mehr ökonomischer Unsicherheit kommen, bedingt durch die Maßnahmen der neuen rechtsnationalen polnischen Regierung.

Der Aufstieg wird im Drucksegment wesentlich von einer hohen Exportquote getragen, rund die Hälfte des Umsatzes generieren polnische Druckereien nämlich mit Kunden im Ausland, allen voran natürlich deutschen Printbuyern. Aber rund sieben Prozent des gesamten Exportvolumens gehen auch nach Österreich.

Mailings aus der polnischen Provinz

Wie forsch polnische Druckbetriebe in den deutschsprachigen Markt drängen, konnten die Teilnehmer der Printtour 2016 bei einem Besuch des Mailing-Spezialisten EDC Expert in Piotrkow Trybunalski rund 100 Kilometer südlich der polnischen Hauptstadt kennenlernen. Das Unternehmen produziert mit seinen rund 500 Mitarbeitern Mailings für 25 Länder Europas, besonders für deutsche Kunden und liefert seine Produkte täglich bei Verteilzentren der Deutschen Post ab. Knapp 90 Millionen Direct Mailings werden hier jedes Jahr produziert, dazu knapp 45 Millionen Produkte im Transaktionsbereich. Die Allianz-Versicherung, die Generali-Versicherung, Greenpeace, Neckermann oder die Deutsche Bank lassen hier produzieren. Erst 2014 hat man eine eine Werbeagentur gegründet, um die Kundschaft gleich im Entwurfsprozess zu beraten und so die Wertschöpfungskette zu verlängern. Jede Stunde holt hier ein LKW die Ware ab und bringt sie zu Verteilzentren in Polen, Deutschland, Österreich oder anderen Ländern. Natürlich dauert die Lieferung aus Polen etwas länger, aber diese Zeit holt man durch schnelle Produktion auf. Erst zur Drupa hat EDC Expert eine digitale Inkjet-Anlage Ricoh VC 6000 gekauft. In Piotrkow Trybunalski steht nun die erste Maschine dieses Typs in Osteuropa.

Kaum Kunden aus dem Ausland

Zehn Minuten für einen Kilometer Weg, die Stopplichter der Autos verdichten sich auf der Rückfahrt von Piotrkow Trybunalski nach Warschau zu einer riesigen roten Fläche; es ist Rush Hour in der polnischen Metropole und nur langsam wälzt sich die Autokolonne ins Zentrum, als die Teilnehmer der Printtour ihren Abendtermin wahrnehmen möchten. In einer Seitenstraße der City in einer Altbauwohnung werden die Printtouristen aus Österreich und Deutschland von Magdalena Ponagajbo begrüßt. Die junge Frau hat hier vor etwas mehr als einem Jahrzehnt die Designagentur „Mamastudio“ gegründet und arbeitet mittlerweile mit einem knappen Dutzend Mitarbeiter für viele polnische Kunden. Nicht leicht, erzählt sie, seien die letzten Jahre gewesen, weil polnische Unternehmen lange nicht den Wert guten Designs erkannt hätten. Für Biedronka, einen der größten polnischen Handelsketten, tüfteln die Designer von Mamastudio mittlerweile an einem neuen Verpackungsdesign, für das Copernicus Science Centre, eines der spektakulärsten Museen Warschaus hat sie das Leitsystem entworfen und für einen polnischen Skihersteller das Produktdesign. Mehrfach preisgekrönt sind ihre Arbeiten, aber was ihr fehlt, sind vor allem Kunden aus dem Ausland. Die nämlich würden kaum von der Kreativität polnischer Designer wissen. Ein Fehler, wie sich die Printtour-Teilnehmer überzeugen konnten.

Polnische Printbuyer

Wieder geht es raus aus der großen Stadt, am letzten Morgen ihres Aufenthalts in Polen haben die 4c-Printtouristen einen Termin in Plonsk, einer Stadt auf dem Weg zwischen Warschau und Danzig. Hier hat der schwedische Druckkonzern Elanders einen von sieben Produktionsstandorten in Europa aufgebaut und produziert mit knapp 190 Mitarbeitern Bedienungsanleitungen für Autokonzerne oder Zeitschriften für polnische und ausländische Verlage. Neben mehreren Bogendruckmaschinen betreibt Elanders in Plonsk auch zwei 16-Seiten-Rollenmaschinen und ist mit seiner ausschließlich analogen Drucktechnologie ein Pendant zum Elanders-Standort im deutschen Waiblingen, der praktisch nur noch digital produziert. In letzter Zeit hat sich Elanders Polen besonders um polnische Kundschaft bemüht, und das durchaus mit Erfolg. Für die Entwicklung des Standortes ist das wichtig, denn Bedienungsanleitungen, das ist Elanders Osteuropa-Chef Oliver Giebel ganz klar, werden in den nächsten Jahren nicht unbedingt ein Geschäftsfeld sein, das leicht zu bestellen sein wird. Aber immerhin: Polen ist für Elanders unter anderem deshalb so attraktiv, weil hier noch immer Fachkräfte zu finden sind, ganz im Gegenteil etwa zu Ungarn.

In der Google-Talentschmiede

Diese Geschichte endet, wo sie enden muss. In einem ehemaligen Fabriksgelände im Zentrum Warschaus. Zwei Leuchtschilder weisen beim Eingang darauf hin, dass sich hier der Campus Warschau befindet. Kein Google-Logo weit und breit. Dabei ist das hier eine Einrichtung des US-amerikanischen Web-Riesen, der in insgesamt sechs Städten dieser Welt solche Campen errichtet hat, um für Startups eine Infrastruktur zu schaffen. In Polen ist das Terrain für Startups schwierig. Einerseits gibt es hier viele äußert gut ausgebildete junge Menschen, andererseits aber zu wenige Investoren. „Das liegt an der Geschichte Polens. Die meisten heute erfolgreichen polnischen Unternehmen wurden erst vor 15 oder 20 Jahren gegründet. Sie sind noch nicht so groß, dass die Gründer verkaufen würden und dann in ein Startup investieren“, erklärte Rafal Plutecki, Chef des Google Campus, den Printtour-Teilnehmern. „Meistens erhalten polnische Startups ihr Geld aus dem Ausland“ sagt Plutecki. Deshalb wandern viele Startups auch gleich ins Ausland ab. Um das zu verhindern, gibt es eben Einrichtungen wie den Google Campus. Rund 700 Mitglieder hat der Campus derzeit, Menschen also, die hier kostenlos arbeiten, sich vernetzen, ihre Ideen präsentieren können. Von Google selbst dürfen sich die jungen Gründer eher kein Investment erwarten. Der Riese aus dem Silicon Valley hat noch nie in eines der Unternehmen investiert, die auf einem der eigenen Campen entstanden sind.

Sehen Sie hier die Bilder der Printtour 2016.