4D Druck

18.04.2016 09:57

Der Name der Dose

Fußbälle, Müslidosen oder Getränkeflaschen: Dreidimensionale Objekte personalisiert zu bedrucken, könnte mehr werden als ein Hype, der rasch wieder ermattet. Eine Frage bewegt Brand Owner und Druckereien besonders: können für personalisierte Produkte auch höhere Preise abgerufen werden?

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Ballbesitz: Eine Liechtensteiner Druckerei hat einen Online-Shop für personalisierte Bälle und anderes Sport-Equipment eröffnet. © Beigestellt

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Das gustatorische System des Passauer Müsli-Anbieters „My Muesli“ ist auf beinahe jede geschmackliche Präferenz ausgelegt. Theoretisch 566 Billiarden Kombinationen von Ingredienzien können Kunden des 2007 eröffneten Online-Shops bestellen. Vermutlich sind es aber die mittlerweile 32 Shops in den besten Lagen deutscher, österreichischer und Schweizer Großstädte, die der Marke My Muesli die entsprechende Durchdringung und gerade bei Lebensmitteln wahrscheinlich notwendige Nähe zum Konsumenten sichern.

Flocken, Früchte und schöne Grüße

Seit Dezember können jedenfalls die Kunden der Müsli-Tankstelle in der Innenstadt von Heidelberg nicht nur die Zusammensetzung der Flockenfusion in den Dosen bestimmen, sondern auch das Aussehen der Dose. In dem Shop hat der Müslianbieter ein Jetmaster-System von Heidelberg installiert. Kunden können über ein iPad-Terminal ihre Grußbotschaft eingeben und dazu ein Bild der Stadt Heidelberg wählen und das 4D-Drucksystem starten. Dabei ist die Bildauswahl jedoch deutlich limitierter als die Geschmackskombinationen des Müslis: Gerade mal fünf unterschiedliche Motive waren beim Start im Dezember verfügbar. Bei My Muesli denkt man gerade darüber nach, solche Limitierungen zu überwinden. Eine Idee: Kunden könnten dann ihre persönlichen Bilder schon vor der Ankunft im Laden auf eine Online-Plattform hochladen, ihre Botschaft dazuschreiben und sich die bedruckte Dose dann einfach im Laden abholen.

Die Grußbotschaft ist dabei fast so wertvoll wie der Inhalt selbst: eine 575-Gramm-Dose des Müslis kostet ohne Personalisierung 7,90 Euro, mit persönlicher Botschaft und Bild kommt die Dose auf 14,90 Euro. An Heidelberg zahlt My Muesli pro Klick einen bestimmten Betrag, die Maschine selbst ist geleast.

4D-Druck, wie der Druckmaschinenbauer Heidelberg den Digitaldruck auf dreidimensionalen Objekten nennt, soll völlig neue Anwendungen ermöglichen und bis dahin kaum erreichte Kundengruppen wie etwa den Müslianbieter aus Passau erreichen. Das ist es, was die vier Dimensionen so interessant macht: dass nicht nur Druckdienstleister sich damit beschäftigen, sondern der unmittelbare Benefit offenbar auch fernen Branchen erklärbar ist.

„Wir gehen schrittweise vor. Begonnen haben wir einfarbig mit einfachen, runden oder zylindrischen Objekten, sodass man mit der Maschine beispielsweise Bälle oder Trinkflaschen individuell dekorieren kann“, erklärt Ivar Emde, Produktmanager bei Heidelberg und Experte für das Thema 4D-Druck. Bei Balleristo, einem Onlineableger von BVD Druck in Liechtenstein, wurde 2014 eine der ersten einfarbigen Maschinen installiert.

Ballgefühl

BVD-Geschäftsführer Peter Göppel sah zufällig in der Forschungsabteilung bei Heidelberg, wie Bälle mit Plasmastrahlen behandelt wurden. Das hat ihn neugierig gemacht und die Idee geweckt, mit individuell bedruckten Bällen einen Nischenmarkt zu bedienen. Das Ziel war von vornherein die Personalisierung und nicht der Werbeartikelmarkt.

Der Balleristo-Onlineshop richtet sich also nur an Privatkunden. „Im ersten Jahr haben wir hier etwa 600 Bestellungen erhalten. Ohne große Bemühungen, die Marke bekannt zu machen, ist das nicht schlecht. Wir haben nur Online-Marketing betrieben, also Google AdWords, YouTube, oder Facebook“, erzählt Reto Knecht, Kundenbetreuer für Balleristo. „Der Markt muss natürlich noch ein wenig geschaffen werden. Die wenigsten wissen beispielsweise, dass wir Qualitätsbälle von Jako oder Pro Touch bedrucken können, sondern denken erst einmal an Werbeartikel und Billigware.“

Mit personalisiertem Merchandising werden Amateur- und Profivereine angesprochen. „In der Schweiz haben wir den FC Zürich und den FC St. Gallen gewinnen können und haben gerade eine Lizenzvereinbarung mit dem ersten Bundesliga-Verein geschlossen. Das kommt ziemlich gut an und wird meiner Meinung nach auch die Zukunft sein, denn die Fans wollen den persönlichen Touch. Fanartikel von der Stange verlieren an Charme“, erklärt Reto Knecht. Im Amateurbereich wiederum geht es um das Thema Sponsoring. „Matchbälle bedruckt mit Vereinslogo, Unternehmensslogan und Werbespruch, vielleicht sogar die aktuellen Spielpaarungen, das ist doch etwas anderes als ein Inserat in der Vereinszeitung.“

Die persönliche Kaffeemaschine

Der nächste Schritt von Heidelberg war die vierfarbige Omnifire 250. Auch sie steht seit Januar bei Balleristo. „Seit Kurzem haben wir auch Beach- und Volleybälle von Mikasa im Sortiment. Demnächst werden Schienbeinschoner hinzukommen. Allerdings gibt uns die Maschinensoftware bislang an dieser Stelle noch nicht alle Möglichkeiten, die wir dafür benötigen“, so Reto Knecht. „Auch die schönen Aluminiumflaschen, wie man sie etwa von Sigg kennt, kann man personalisieren. Tests zur Haltbarkeit der Farben wurden bereits bestanden. Dieses Testverfahren ist zum Teil sehr umständlich, weil aus der Flasche getrunken wird. Die Gesundheit der Personen hat oberste Priorität. Theoretisch könnten wir also hochwertige, personalisierte Flaschen anbieten.“

Auch für den Haushalt soll es bald personalisierte Versionen durchaus nützlicher Geräte geben. „Wir haben Hunderte Ideen. Wir sind gerade in Gesprächen, um Haushaltsgeräte wie Kaffeemaschinen oder Stabmixer zu personalisieren. Das ist allerdings noch nicht spruchreif“, erzählt Reto Knecht.

Zahlt sich aus

Natürlich müssen die Produkte eine gewisse Wertigkeit besitzen, damit die emotionale Aufwertung des Produktes durch Personalisierung sich auch in einer entsprechend höheren Preisbereitschaft niederschlägt. Die Erfahrung zeigt, dass durch Personalisierung Preisaufschläge von 30 Prozent und mehr möglich sind. Nur bei sehr großen, gleichförmigen Auflagen werden sich die analogen Verfahren noch eine ganze Weile behaupten können. „Bei Anwendungen, bei denen kleine Auflagen, kürzeste Reaktionszeiten sowie Flexibilität von Objekten und Substraten im Vordergrund stehen, ist auf jeden Fall der Digitaldruck das Mittel der Wahl. Außerdem stellt die digitale Integration in den Gesamtprozess einen entscheidenden Vorteil für unsere Kunden dar“, fügt Ivar Emde hinzu.

Farbabstimmung

Um diese Ideen umzusetzen, braucht es mehr als nur gute Hardware. Zur Gesamtlösung gehören auch noch ein funktionierender Workflow mit automatischer Planung der einzelnen Druckbahnen und das Rippen von 2D-Bilddaten unter Berücksichtigung der spezifischen Geometrie des zu bedruckenden dreidimensionalen Objektes. „Die Bilddaten werden mit unserer Software automatisch umgerechnet, damit das Bild, etwa eine Weltkarte, richtig auf dem Objekt, etwa als Globus auf einem Ball, landet“, so Ivar Emde. Die Tinte-Substrat-Abstimmung sowie die Entwicklung der gesamten Verfahrenstechnik von der Vorbehandlung bis zur Endhärtung erfolgt im hauseigenen Inkjet-Labor. Bei den Bällen zum Beispiel ist eine Plasma-Vorbehandlung notwendig. Vor jedem Druckprozess wird der Ball kurz ausgemessen und dann mit Atmosphärenplasma die Oberflächenenergie des Balles verändert. Bei jeder Farbe wiederum erfolgt eine Zwischentrocknung mit einem LED-UV-Modul. Zum Schluss wird mit einer UV-Lampe die Tinte gehärtet.

„Kunststoffe, Metalle, Holz, Glas – unsere Experten wählen die richtigen Tinten und gegebenenfalls die notwendige Vorbehandlung im Rahmen der Qualifikation der einzelnen Objekte vorab aus. Der Kunde bekommt eine Lösung für die Anwendung, die er auf Knopfdruck aufrufen kann. Letzten Endes ist alles so einfach gestaltet, dass beispielsweise das Verkaufspersonal im „My Müsli“-Shop die Maschine inklusive Routinewartungsarbeiten selbstständig bedienen kann. Und das sind sicherlich keine gelernten Drucker“, erklärt Ivar Emde.

Das kommt bei der Druckerei natürlich nicht ganz so gut an. Reto Knecht erzählt: „Wenn wir beispielsweise Firmenfarben drucken müssen, stehen wir vor Problemen. Wir können nicht selbst ins Farbprofil eingreifen. Das spezielle Blau eines Computer-Herstellers hat uns deshalb einige Mühen gekostet. Für einen Digitaldruck mit 360 dpi und vier Farben ist das Ergebnis sehr gut geworden, aber es ist eben nicht dieselbe Farbe.“

Sechs Achsen

Die Herausforderung des 4D-Drucks liegt darin, Farbe auf Oberflächen zu bringen, die eben nicht zweidimensional sind. Dafür wird eine Robotik benötigt, die dafür sorgt, dass Objekt und Druckkopf immer im gleichen Abstand zueinander stehen. Für Banderolen, wie sie bei Balleristo für die Bedruckung der Bälle genutzt werden, reichen vier Bewegungsachsen aus. Wenn jedoch die ganze Hemisphäre des Balles bedruckt werden soll, sind sechs Bewegungsachsen notwendig. Mit der Omnifire 1000 werden beliebig geformte und größere Objekte bis zu einem Meter Länge und darüber hinaus bedruckt werden. „Die Kinematik haben wir selbst entwickelt, weil wir auf dem Markt keinen Roboter mit ausreichender Bahnpräzision gefunden haben,. Wir haben jetzt eine hochpräzise 6-Achs-Kinematik mit weniger als einem Zehntel Millimeter Passergenauigkeit mit Bahnanschluss. Das ermöglicht uns, fast jedes beliebige Objekt großflächig zu bedrucken“, fügt Ivar Emde an. Der Verkaufsstart der sechsachsigen Maschine ist zum Jahresende geplant.

My Müsli wird wahrscheinlich nicht zu den Kunden der größeren Version gehören. Doch wenn das Experiment im Shop in Heidelberg funktioniert, könnte bald auch in anderen Cerealienverkaufsstellen von My Müsli so ein 4D-Drucker stehen. 

Anja Schlimbach

(4c Printausgabe 2/2016)

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