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10.09.2013 15:40

Des „Spiegels“ neue Smartphone-Zeitung

Einige Wochen nach Beginn der Zeitungsdebatte 2020 legt der „Spiegel“ das Konzept für eine neue Tageszeitung vor – jedenfalls als Smartphone-App. Das Konzept ist so rund, dass sich die Entwicklungsabteilungen von Verlagen daran bedienen könnten.

Eine App-Zeitung neuen Zuschnitts: der „Abend“ von der Hamburger Ericusspitze. © Beigestellt

Web-Links „Der Abend“
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Wochenlang haben „Spiegel“-Redakteure rund um Cordt Schnibben Leser und Experten diskutieren lassen, wie sie die Zukunft der Zeitung sehen. Auf Twitter und im „Spiegel“-Forum tobte die Debatte, wurde auch in anderen deutschen Medien gespiegelt. 

Erklärtes Ziel der Diskussion: aus der Debatte den Prototypen einer neuen Zeitung zu destillieren. Das hat der „Spiegel“ nun getan. 

Cordt Schnibben hat die Zeitung geschrumpft. Auf Displaygröße. Und sie gleichzeitig ganz groß gemacht. Mit dem offen gelegten publiszitischen Erlkönig „Der Abend“ hat das Team des „Spiegel“ offenbar in wenigen Wochen skizziert, woran sich ganze Entwicklungsabteilungen in großen Verlagen seit Jahren mehr oder minder erfolglos abarbeiten. 

Bestechend ist der fundamentale Ansatz, die App-Zeitung zum alltäglichen Begleiter hoch zu tunen. Mit konsequenter Regionalisierung und Individualisierung zum Beispiel. Mit Funktionen eines Ticketkaufs und diesem Konzept des Live-iTunes greift Schnibben dem vor, was große Verlagshäuser ohnehin schon versuchen, aber nie zu integrieren geschafft haben: die Zeitung als Service-Hafen für viele Lebensbereiche zu etablieren, als Biotop für die täglichen Bedürfnisse des Lesers. Verlage beteiligen sich an oder kooperieren heute schon mit Auto-Portalen, Ticket-Centern oder Weinhändlern. Aber in ein Rundum-Angebot gegossen, das hat noch nie jemand versucht. Vielleicht sind die organisatorischen Hürden für ein Verlagshaus auch zu groß, aber würde ein Konzept wie jenes von Schnibben in Wirklichkeit gegossen, es könnte die Verlagshäuser entfesseln.

Unklar ist, ob die Monetarisierung vor allem aus dem Club-Gedanken kommt und die journalistische Leistung in der Leser-Wahrnehmung damit eigentlich zum Incentive wird, oder ob es da andere, eher mit den bisherigen Kernfunktionen einer Zeitung verknüpfte Ideen zur Monetarisierung gibt. Die braucht es wahrscheinlich. Denn die Zeitung vordergründig als Rabatt-Shop zu positionieren, könnte mittelfristig der Branche nicht gut tun. Aber vermutlich ist das alles ohnehin richtig gut durchgeplant. Derzeit sieht das Konzept vor, dass der Leser für all die Rabatt-Vorteile und die Club-Funktionen und natürlich auch die Inhalte 15 Euro pro Monat zahlt.

Wir glauben nach wie vor an die Ausbaufähigkeit journalistischer Angebote auf Papier, wir halten die Rolle dieses Trägermediums für unterschätzt, insbesondere was ihre Branding-Funktion betrifft. Das eigentlich Paradoxe mag sein: vieles von dem, was Cordt Schnibben mit seinem Konzept vorschlägt, wäre auch in Print-Form umsetzbar, einiges davon hätte vielleicht das Zeug dazu, die gedruckte Tageszeitung wieder attrakiver zu machen. Aber das müssten sich die Verlage eben erstmal trauen. Das Konzept jedenfalls, das da vorgelegt wurde oder jedenfalls dessen Kern, ist durchaus medienkanalneutral anwendbar.

Martin Schwarz

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