Kochstudio
28.10.2013 13:06
Die Print-Zukunft, endlich gelüftet
Bill Gates hatte 1990 das Ende der Printmedien für das Jahr 2000 vorhergesagt. Nice try, Bill. 2010 polterte Steve Balmer: „In zehn Jahren gibt es keine Zeitungen und Magazine mehr.“ Auch er wird danebenliegen. Denn Bill und Steve, und Jeff Bezos übrigens auch, sind keine Medienexperten. Es wird nämlich ganz anders laufen.
Sie müssen nicht mehr in Print investieren. Falls Sie Marken-Suizid begehen wollen. © Fotolia
Von Thomas Koch*
In den letzten Wochen ist viel über die Zukunft von Print spekuliert worden. Aber immer mit Konjunktiv: „Man könnte“, „man sollte“, „man müsste“. Es ist an der Zeit, Tacheles zu reden. Denn die eine Hälfte des Print-Geschäftsmodells, die Anzeigenerlöse nämlich, reagiert mittlerweile wie die Börse mehr auf psychologische Signale, denn auf Fakten.
Psychologie oder Verschwörung?
Fakt ist: Print verliert Auflage. 2012 zwischen drei Prozent bei tageszeitungen und einem Prozent bei Publikumszeitschriften. Fakt ist aber auch, dass sie deutlich stärker Anzeigenerlöse verlieren. Aktuell büßen Zeitungen elf Prozent, Zeitschriften drei Prozent ein. Das heißt: Print wird – ach, das wussten Sie nicht? – überproportional Werbegeld entzogen. Das bringt ihr Geschäftsmodell schneller ins Schlingern, als sie sich auf die digitale Transformation einrichten können – geschweige denn, sich auch auf Print zu besinnen.
Wann stirbt Print denn nun? Diese Frage bewegt Journalisten und Werber zugleich. Wie wird sich Print in den nächsten fünf oder mehr Jahren wandeln?
Die Zeitung gibt es nach wie vor auf Papier. Wochenzeitungen werden gestärkt aus der Krise gehen. Schon deshalb, weil sie eine gebildete, konsumfreudige, ältere Leserschicht erreichen, deren Menge und Bevölkerungsanteil – ach, das wussten Sie nicht? – steigt. Ihre Leser werden das Ritual „Zeitung auf Papier“ so schnell nicht aufgeben.
Das gilt ebenso für Tageszeitungen, sofern sie den Schritt zurück zur investigativen, orientierenden, täglich überraschenden Lokalzeitung einläuten. Oder sie gehen gleich den Weg der kanadischen http://www.lapresse.ca/, schwenken komplett um auf digital und machen den Zeitschriften gehörig Konkurrenz.
Ob sie genügend Werbeerlöse anziehen, um ihr Produkt zu finanzieren? Ja. Mit den wertvollsten Lesern, die die Zeitung je zu bieten hatte. Und wenn sie sich von abenteuerlichen Overheads und der Vorstellung aberwitziger Renditen trennen, werden sie ihren Journalisten sogar ein angemessenes Honorar zahlen können.
Klacks statt Klicks
Auch Zeitschriften wird es weiterhin auf Papier geben. Dickschiffe, die ohne klare Positionierung und inhaltliche Ausrichtung eine heterogene Masse ansprechen, werden zwar vom Markt verschwunden sein. Die Zahl der Titel, die immer speziellere Zielgruppen – des Mediaplaners Traum – bedienen, wird jedoch steigen. Es sei denn, man überlässt es weiterhin der Lust oder besser Unlust der Planer, sich solcher Mühe zu unterziehen.
Werden die Zeitschriften denn genügend Werbegeld einspielen, um diese Titelvielfalt, bei geringeren Auflagen wohlgemerkt, zu stemmen? Für die Großverlage sehe ich schwarz, wenn sie nicht umdenken. Für kleinere Verlage ist das ein Klacks.
Jetzt die alles entscheidende Frage: Wenn sich alle Medien zunehmend digitalisieren, lohnt es noch in Dead Tree Media zu investieren?
Wenn Sie bedenken, dass Print intensiver genutzt wird als Online – ach, das wussten Sie nicht? -, dass digitale Beilagen nicht so recht funktionieren und dass kein anderes Medium einen stärkeren Effekt auf die Markenbildung ausübt, dann wissen Sie, wie unverzichtbar Print für Ihre Werbung ist.
Es sei denn, Sie hatten ohnehin vor, Marken-Suizid zu begehen. Das ist dann aber Ihre Entscheidung.
* Thomas Koch, Agenturgründer, Ex-Starcom-Manager, Herausgeber von „Clap“ und Media-Persönlichkeit des Jahres schreibt in 4c Deutschland regelmäßig über die Zukunft von Print.
(4c Printausgabe Deutschland 7/2013)