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08.12.2013 07:28

Nicht nur CMYK

Mit der Übernahme des kleinen Softwareherstellers Neo7even wagt sich Heidelberg erstmals aus gewohntem Territorium: dem Druckmarkt.

Heidelberg wagt sich aus dem üblichen ökonomischen Farbraum CMYK und hinein in die Medienkonvergenz. © Beigestellt

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Christopher Bertis Bedenken zeigen schon mal recht deutlich, in welch ungewohntes Terrain sich der Druckmaschinenhersteller Heidelberg begibt: „Auf der Produktseite fehlt uns nichts, aber wir müssen es schaffen, einen Vertrieb aufzubauen, der entsprechend softwareaffin ist“, sagt der Produktmanager der neu geschaffenen Digitalsparte gegenüber 4c. Mit Neo7even, einem recht kleinen Softwarehersteller, hat Heidelberg einen einigermaßen radikalen Strategiewechsel vollzogen: nicht mehr Hardware, deutscher Maschinenbau in Reinkultur und die ausschließliche Konzentration auf den Druckmarkt soll künftig das Fundament des Unternehmens bilden; langsam diffundiert das Produktportfolio in einen Publishing-Markt, der im Gegensatz zum reinen Printmarkt nach wie vor wächst.

Multichannel-Lösungen bietet Neo7even an, macht mit seiner Software das Publizieren unabhängig vom Ausgabekanal möglich, egal ob Print, Web oder Mobile. Diese Lösungen werden, das deutet Christopher Berti an, Heidelberg-Verkäufer nicht alleine vertreiben können. Deshalb sucht der Konzern nun nach Kooperationspartnern, die im Vertrieb von Software-Produkten dieser Art erfahren und nicht vom Denken in Druckwerken geprägt sind.

Der Vertrieb, egal ob von Heidelberg selbst oder jener der künftigen Partner, steht vor einer fordernden Aufgabe: Druckereien davon zu überzeugen, aus gelieferten PDFs nicht bloß papierne Medien zu produzieren, sondern damit je nach Kundenwusnch alle Medienkanäle zu füttern. Für Christopher Berti ist die Bedienung dieses Medienfächers sowieso eine Notwendigkeit: „Alleine die Effizienz der Produktion zu erhöhen, wird auf Dauer zu wenig sein. Druckereien müssen ihre Dienstleistungen verbreitern. Neo7even ist da die logische Konsequenz“.

Mit der Integration von Neo7even in das Prinect-Paket wird auch dort kräftig umgeschichtet: Heidelberg wird künftig jenen Teil von Prinect, der für das Datenhandling zuständig ist, nicht mehr selbst weiter entwickeln, sondern sich der Module von Neo7even bedienen. Druckereien, die ins Web to Print-Geschäft einsteigen möchten, werden außerdem wählen können, ob sie die auf Pageflex basierende Heidelberg-Lösung oder die Neo7even-Lösung bevorzugen. Letztere ist eher für kleinere Web to Print-Präsenzen geeignet und füllt damit eine merkbare Lücke bei Heidelberg: „Der Web to Print-Hype ist doch nicht so massiv, wie wir erwartet hätten. Druckereien waren vor allem aus zwei Gründen zurückhaltend: entweder sie hatten schon eine Lösung oder sie haben nach einem günstigen Einstiegssystem gesucht. Das haben wir jetzt mit Neo7even“. Die Web to Print-Fähigkeiten von Neo7even mit den Linoprint-Digitaldruckmaschinen zu verheiraten, steht ebenfalls auf dem Plan der Heidelberger.

Bei denkbar geringem Mitteleinsatz – der Umsatz von Neo7even liegt im deutlich einstelligen Millionenbereich – hat Heidelberg mit der Akquisition ein deutliches Signal an den Markt gesandt: dass aus dem Druckmaschinenhersteller jedenfalls in den saturierten Märkten Europas und den USA mit aller Gemächlichkeit ein Systemhaus für Publishing-Lösungen wird.

Die Wertschöpfungskette der Kunden wandelt sich ebenfalls zum Wertschöpfungsnetz, das nicht mehr nur linear vom Plattenbelichter bis zur Schneidemaschine gespannt sein wird, sondern erkennbar mehr ökonomische Traversen hinein in digitale Märkte zeigt.

Wenn das die auf dem Nimbus deutscher Ingenieruskunst ruhende Marke Heidelberg bloß aushält.

Martin Schwarz

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