Veredelungen
14.03.2014 09:13
Der Pomp auf dem Papier
Ein Effekt ist mehr als die Summe der verwendeten Veredelungen. Mit Glitter, Lack und Folien sparsam und überlegt umzugehen, kann ebenso zu überzeugenden Ergebnissen führen.
Effekthaschereien: Veredelungen können wirken, ohne allzu große Schneisen ins Budget eines Druckprojektes zu schlagen. © Beigestellt
Es sind Fragen deutlich abseits allgemeinen Interesses. Wie lässt sich Leder imitieren? Kann man Kuhfell haptisch simulieren? Wie lässt sich die Anmutung von Hauswänden auf Papier übertragen? Es sind Designer, die sich mit solchen Simulationen beschäftigen und damit oft genug auch vorgegebene Budgets bei Printproduktionen zu sprengen drohen. Woran sich eine Frage knüpft, die schon deutlicher im Raster allgemeinen Interesses angesiedelt ist: wo verläuft bei Veredelungen der Pfad zwischen vertretbarem kreativem Verzicht und Budgetdisziplin?
„In vielen Fällen“, ist Thorsten Drews, Geschäftsführer des deutschen Veredelungsspezialisten Achilles überzeugt, „sorgen schon Abstufungen dafür, dass das Budget nicht überschritten wird. Reduziert man beispielsweise bei Glitter-Effekten den Anteil an Glitter, dann ist das vielleicht nicht das Maximum dessen, was ursprünglich geplant wurde, aber es wird immerhin der gleiche Effekt erzielt. Und der ganze Prozess der Gestaltung und der Produktion wird abgekürzt“.
Einsparpotenzial gibt es naturgemäß immer dort, wo man eine Veredelung auf dem Produkt kaum mehr wahrnimmt. Eine Lackierung auf einem relativ glatten Material ist so ein Beispiel. Der Unterschied, den der Veredelungseffekt machen würde, ist so marginal, dass der Konsument ihn wahrscheinlich gar nicht wahrnehmen wird. „Bei aller UV-Lackiererei, die heutzutage vorgenommen wird, ist überraschend oft nichts zu sehen. Dafür müssen Strukturen her, entweder durch die Lackierung oder Reliefprägung. Die Kombination mit einer Blindprägung führt auch zu einem spürbaren Effekt, weil der Glanz sozusagen verformt wird. Das Auge kann dann viel besser erkennen, dass es an dieser Stelle was zu sehen gibt“, sagt Frank Denninghoff, Geschäftsführer von Gräfe Druck in Bielefeld hinzu.
Keine falschen Erwartungen
Ein Weniger an Veredelung ist immer dann angezeigt, wenn optischer Pomp nicht zum Rest passt. Schließlich möchte man potenzielle Kunden nicht verärgern. „Das Äußere einer Verpackung, die Gestaltung eines Mailings muss stimmig sein, sodass es zum einen neugierig auf den Inhalt macht und zum anderen dessen Wertigkeit unterstützt. Es reicht nicht aus, wenn man mit einer Veredelung einen Effekt schafft, der im Grunde nicht mit dem Inhalt in Verbindung steht. Das Innere muss mit dem Äußeren korrespondieren, damit Veredelung authentisch ist und nicht enttäuscht. Nur dann zahlt man auf das Markenkonto ein“, so Frank Denninghoff.
Es ist nicht immer so, dass viel Veredelung mit maximalem Nutzen gleichzusetzen ist. „Auffallen ist das eine, gefallen ist das andere. Wir raten unseren Kunden manchmal sogar von Veredelung ab. Wenn das Produkt nicht gerade im Luxussegment angesiedelt ist, reichen drei, maximal vier zielgerichtete Veredelungen völlig aus. Manchmal ist es sinniger, nur zwei Effekte zu nutzen, dafür aber über die gesamte Kampagne hinweg. Die Empfänger nehmen mehr Effekte gleichzeitig in einem Printprodukt ohnehin kaum mehr wahr“, so Thorsten Drews.
Und es gibt sogar Segmente, da ist Veredelung ein regelrechter Störfaktor. Bei einer Zeitungsbeilage hätte der Leser bei einer hochwertigen Veredelung höchsten das Gefühl, dass hier im kräftigen Maß Ressourcen verschwendet würden. „Umgekehrt gilt bei Luxusgütern wie Rolex- Uhren, dass eine Recyclingverpackung aus dünnem Papier höchstens Misstrauen hervorruft“, meint Thorsten Drews.
Veredelungsnutzen
Das Schöne ist, dass es meist mehrere Wege zu einem einzigen Ergebnis gibt. Braucht man beispielsweise einen gewissen haptischen Effekt, kann man entweder prägen – wobei gerade bei kleinen Auflagen der Prägestempel nachher teurer ist als die gesamte Produktion – oder man verwendet Lack. Der kann zum Teil sogar digital aufgebracht werden. „Es gibt nicht für jedes Verfahren substituierende Effekte, aber man kann schon ganz gut damit spielen“, so Thorsten Drews.
Soll beispielsweise ein Cover schön metallisch schimmern, gibt es mehrere Wege, das zu erreichen. „Wir können in den Bereich Kaltfolientransfer, Heißfolienprägung oder PET-Silberfolie gehen. Die nächsten Schritte führen zu Folien, die in Gold, in Rot, in Grün oder in Blau überdruckt werden. Dadurch entstehen wirklich einzigartige Effekte. Überdruckt man eine Silberfolie mit Cyan und ein bisschen Magenta, bekommt man auf einmal einen metallisierten Himmel, der ins Auge fällt und den Betrachter dazu motiviert, das Ganze ein bisschen zu bewegen“, erläutert Hendrik Heidenreich von Heidenreich Print. „Das ist aber natürlich gleich wieder eine Budgetfrage. Es wäre also vielleicht eine Alternative, Spezial-Silbermetalliclack zu nutzen. Der ist fast schon so metallisierend wie ein Kaltfolientransfer.“
Im Zirkus
Manchmal kann man mit den kleinen Effekten ohnehin mehr Wirkung erreichen. Das geht hin bis zur strengen Reduktion. „Neulich haben wir ein Mailing in einer Auflage von knapp tausend Exemplaren teuer personalisiert und veredelt. Die Kunden waren damit mehr als zufrieden. Ich persönlich hätte es in diesem Fall schöner gefunden, die Ansprechpartner per Hand anzuschreiben, mit einem schönen blauen Folienstift. Das ist doch auch Veredelung“, erzählt Frank Denninghoff, Geschäftsführer von Gräfe Druck. „Manchmal kann man mit wenig Aufwand viel mehr zaubern, als wenn man den ganzen Zirkus tanzen lässt.“
Und schließlich kann Veredelung sogar sparen helfen. „Das teuerste an einer Verpackung ist das Material, das oft besonderen Anforderungen von lebensmittelecht bis backformbeständig genügen muss. Nun gibt es spezielle Folien, die gleiche Eigenschaften haben können. Das Gesamtprodukt hat die gleiche oder sogar eine bessere Funktionalität, ist aber trotzdem günstiger, weil sich Materialkosten einsparen lassen“, ergänzt Thorsten Drews.
Eine Frage des Budgets
Veredelung steht in ihrem Nutzen und damit auch in ihrer Werthaftigkeit immer in Relation zum Gesamtprodukt. In Großbritannien wird vorgemacht, welche Konsequenzen es haben kann, wenn man diese wichtige Regel nicht beachtet. Dort werden Umschläge im Buchbereich extrem veredelt, das Papier jedoch ist unterirdisch. Inhalte sind dort nur schnelldrehende Konsumartikel. Der Mehrnutzen eines teureren Papiers wird vom Konsumenten schon eher wahrgenommen. Da verzichtet man besser auf die Veredelung.
Folie über Büttenpapier
Markenartikler müssen sich differenzieren. „Schauen Sie sich den aktuellen VW-Beetle-Katalog an: Softtouch-Lack mit einer Reliefnaht sorgt für die notwendige Authentizität. Sie haben das Gefühl, Sie fühlen das Originalleder. Die Lacke sind mit Ioridin-UV dargestellt. Ein solcher Katalog ist natürlich für die gesamte Branche ein Ansporn, in ihren Broschüren innovativer zu werden“, so Hendrik Heidenreich. „Es geht nicht darum, das Gleiche zu machen, sondern anders zu sein.“
Und dann gibt es auch noch die Auftraggeber, die eine sehr klare Vorstellung haben, wie sie etwas veredeln möchten, obwohl das vielleicht nicht immer den üblichen Vorstellungen entspricht. Thorsten Drews gibt ein Beispiel dafür: „Wird eine Folie auf ein Produkt gezogen, um die Drucke zu schützen, ist es beinahe unerheblich, welches Papier darunter liegt. Jetzt wollte einer unserer Kunden trotzdem ein handgeschöpftes Büttenpapier haben. Da schreit natürlich der Sparfuchs. Für den Kunden ist da aber nur relevant, dass er mit jeder Faser Luxus verkörpert, weil wiederum seine Kunden aus dem absoluten Luxusbereich genau das erwarten. Da zählt am Ende nicht der Preis, sondern nur, dass etwas vorzuweisen ist, was nie zuvor dagewesen ist.“
Anja Schlimbach
(4c Printausgabe 2/2014)