Kochstudio
13.10.2014 11:54
Rechnungslegung
Zombie-Zeitungen, Personalanpassungen, Schockstarre: Verleger reagieren defensiv auf die krisenhaften Entwicklungen beim gedruckten Produkt. Geld verlieren sie natürlich weiterhin.
Verlassene Verlagsbüros: Personal freizusetzen ist bisher fast das einzige, was sich Verleger haben einfallen lassen. © Fotolia.de
Auf dem diesjährigen Zeitungskongress hielt es Bundeskanzlerin Angela Merkel für nötig, die Verleger zu ermahnen: „Durch Einsparungen im redaktionellen Bereich setzen Sie Ihre Kernkompetenz aufs Spiel.“ Helmut Heinen, Präsident des BDZV erwiderte, der Branche gehe es gut, aber man müsse „ziemlich viel tun“, damit dies auch so bliebe.
Schöne Worte, gewiss. Doch die Wirklichkeit sieht nach dem genauen Gegenteil aus. Allwöchentlich gesellt sich eine weitere Zeitung zu denen, die bereits die Hälfte ihrer Redakteure auf die Straße setzten. Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel: Die Westfälische Rundschau entledigte sich gleich aller ihrer Journalisten, kreierte eine „Zombie-Zeitung“ und meldet sie nun zur Insolvenz an. Das ist an Konsequenz schwer zu übertreffen. Aber Wirklichkeit.
Die Wirklichkeit, vor der die Printverleger in Deutschland tatsächlich stehen, lässt sich mit zwei Zahlen ausdrücken: Von 2011 bis 2013 verloren sie eine Milliarde Euro Werbeeinnahmen. Netto. In den nächsten drei Jahren käme es einem Wunder gleich, wenn sie nicht weitere 1,5 Milliarden verlieren. Und was unternehmen sie? Nichts.
Unverbesserlich und trotzdem Optimisten
In Summe sind das 2,5 Milliarden Euro weniger Netto-Werbeeinnahmen. Hinzu kommt noch das Minus aus Abonnenten-Erlösen. Das muss den Verlegern eine andere Branche erst einmal nachmachen. Und was sagen sie dazu? Der Branche ginge es gut.
Unfug. Die Branche steht vor dem Abgrund. Sie muss dringend etwas unternehmen. Und das Geld dazu ist durchaus vorhanden. Wie viel Geld würden Sie in die Hand nehmen, um Ihren Untergang abzuwehren? Die Hälfte Ihrer Rendite? Klingt fair. Nehmen wir an, die deutschen Verlage machen derzeit immer noch zehn Prozent Gewinn. Bezogen auf die vergangenen und künftigen Umsatzeinbußen (2,5 Milliarden Euro) würde sich daraus die stolze Summe von 125.000.000 Euro auftürmen.
Mit so viel Geld müsste sich doch etwas machen lassen. Doch was?
Schöpfungsakt
Erstens, die besten Talente engagieren. Nicht rauswerfen, sondern einstellen und fair bezahlen. Junge Talente, die Online inhalieren und Journalismus verstehen. Die ansonsten bald als selbständige Blogger und Medienmacher („Très Click“) zur neuen Konkurrenz mutieren.
Zweitens, in digitale Medien investieren. Nicht nur in die Digitalisierung der alten Medien, sondern in die Erschaffung neuer. Für neue Such- und Themen-Portale ist es nicht zu spät. Beispielsweise ein Nachrichten-Portal, das alle Themen und passende Beiträge dazu auffindbar macht und sie für „lousy pennies“ zugänglich macht.
Drittens, in Technologie. In Micropayment. In Digitalfolien. In Wearable Technology. In Entwicklung – und damit Deutschland auf Augenhöhe mit anderen Ländern bringen (dafür gibt es sogar EU-Fördergelder).
Oder: Wenigstens strategische Partner suchen, die bei der digitalen Distribution helfen – wie die Washington Post via Amazons Kindle.
Man wünscht sich ja inzwischen nur noch, dass die Verleger überhaupt irgendetwas tun, um den Niedergang aufzuhalten. Irgendetwas. Tun sie weiterhin nichts, ist ihnen nicht zu helfen. Wie unsere Printwelt dann allerdings aussieht, nachdem die Verlage die nächsten 1,5 Milliarden Euro sinnlos verschenkt haben, wollen wir uns lieber nicht ausmalen.
Thomas Koch
Thomas Koch, Mediaplaner, Agenturgründer, Ex-Starcom-CEO, Herausgeber von „Clap“ und Media-Persönlichkeit des Jahres, schreibt in 4c Deutschland regelmäßig über die Zukunft von Print. Folgen Sie Thomas Koch auf Twitter: @ufomedia
(4c Ausgabe Deutschland 7/2014)