3D Druck
09.05.2016 16:24
Das Phantombild
Anfang April tauchte plötzlich ein bisher völlig unbekanntes Werk von Rembrandt in den Niederlanden auf. Die Kunstwelt war schockiert. Denn in keinem anderen Bild von Rembrandt steckt so viel Rembrandt wie in diesem. Und dennoch ist es nicht von ihm.
Für Porträts ist Rembrandt berühmt. Nun wurde dieser Galerie 2016 ein neues Werk hinzugefügt. © Beigestellt
Der Pinselstrich. Das Impasto. Der Wechsel zwischen Licht und Schatten. Die Farbmischung. Das muss, zweifellos, ein echter Rembrandt sein. Aber etwas macht auch stutzig: Das Motiv, der abgebildete Herr mit der rötlich-blonden Gesichtsbehaarung, der breiten weißen Halskrause und dem schwarzen Hut findet sich in keinem Werksverzeichnis, keinem Museum und keiner Kunstsammlung. Kein anderer Maler hat so viele Porträts wie Rembrandt gemalt. Und nun tauchte 347 Jahre nach seinem Tod Anfang April ein neues Bild des niederländischen Meisters auf; eines, das der Kunstwelt bisher verborgen blieb.
Durchschnittlich
Aber nicht Rembrandt war es, der hier den Pinsel führte, sondern Software und ein 3D-Drucker. „The Next Rembrandt“ heißt das Projekt der Universität Delft, dem Rembrandt-Museum in Amsterdam, dem Mauritshuis in Den Haag und Microsoft. Der Projektname erklärt den Auftrag schon recht gut. Aus der Analyse der Maltechnik von Rembrandt und der Fusion seiner vielen Porträtbilder sollte ein neues Bild des Meisters entstehen. Die Datentechniker fanden also heraus, dass so ein Rembrandt-Modell durchschnittlich folgende Eigenschaften hat: Männlich, 30 bis 40 Jahre, kaukasischer Typ, trägt eine weiße Halskrause und dunkle Kleidung, schaut nach rechts und hat eben die errechneten Gesichtsproportionen von Wangen, Nase, Ohren und Kinn, die dann im neuen Rembrandt verwendet werden sollten. Neben der Motivanalyse wurden zu Malbewegung und Struktur der Original-Pinselstriche von Rembrandt entsprechende Algorithmen berechnet und in Daten umgewandelt. So setzt sich das nun fertiggestellte Bild aus 148 Millionen Pixeln, basierend auf 168.263 Rembrandt-Bildfragmenten, zusammen.
Simulation
Zur Herstellung des Bildes trug der 3D-Drucker UV-Farbe auf; deren Menge und die Höhe der letztlich 13 Farbschichten waren festgelegt. Der 3D-Druck folgte im Pinselstrich und in den Farbschichten dem Duktus des Meisters.
In Foren wie dem des „Guardian“ sehen einige Kunstliebhaber durch das Projekt bereits das Ende der Malerei dräuen, andere halten das Austesten technologischer Grenzen für großartig. Auch Kunsthistoriker und Rembrandt-Experten wie der US-Amerikaner Gary Schwartz erkennen die Leistung der Entwickler an, wie sie Rembrandts Werk analysieren und technisch in ein neues 3D-Werk umsetzen. So erhielt die Kunstszene ein neues Werkzeug. Schwartz folgert durchaus nüchtern: „Während niemand behaupten wird, dass Rembrandt auf einen Algorithmus reduziert werden kann, bietet diese Technik die Möglichkeit, die eigenen Vorstellungen über seine Bilder in konkreter Form zu erproben.“ Vielleicht sollte man das neue Rembrandt-3D-Gemälde als das sehen, was es ist: Ein vollendetes Projekt, durchaus gelungen in der Datenverarbeitung und im produzierten Erscheinungsbild.
Außerdem weiß die Kunstwelt heute ohnehin: Rembrandt malte aller Wahrscheinlichkeit nach einige der ihm zugerechneten Bilder nicht selbst. Vielleicht befinden sich also in dem neuen Rembrandt auch Spurenelemente bis heute unbekannter Meister.
Ingo Woelk
(4c Printausgabe 3/2016)