Außenwerbung
15.02.2016 06:48
Rundum gelungen: Das Erbe des Ernst Litfaß
Vor 200 Jahren wurde mit Ernst Litfaß ein cleverer Selbstvermarkter geboren, der Zeitungen gründete und schon im 19. Jahrhundert für seine Buchdruckerei Werbekampagnen kreierte. Doch berühmt geworden ist er nur für seine Werbesäule.
Denkmal für Ernst Litfaß in Berlin. © beigestellt / Creative Commons
Sie ist eine runde, bunte Berlinerin – und sie giert nach Aufmerksamkeit: die Litfaß-Säule. Der Klassiker der Außenwerbung ist berühmt, ihr Namensgeber ist beinahe vergessen. Dabei war Ernst Theodor Amandus Litfaß, der am Donnerstag 200 Jahre alt geworden wäre, eine der schillerndsten Figuren zu Zeiten des ersten großen Berlin-Booms. Denn Litfaß erfand zwar nicht die Werbesäule, dafür aber die Selbstinszenierung als Vermarktungsstrategie.
Als der Sohn eines Buchdruckers im Jahr 1816 geboren wird, ist Berlin noch die 200.000 Einwohner kleine Hauptstadt des Königreichs Preußen. Er wächst in einer Zeit des Aufbruchs in bescheidenem Wohlstand auf. Doch mit der familieneigenen Buchdruckerei kann der Schöngeist nichts anfangen, er will Schauspieler werden.
Nach der vom Stiefvater erzwungenen Lehre bereist Litfaß einen beachtlichen Teil dessen, was einmal Deutschland werden sollte, und schlägt sich mit kleinen Rollen durch. Nach zwei Jahren kehrt er heim und übernimmt schließlich als 29-Jähriger die kleine Druckerei.
Der junge Familienvater modernisiert die Betriebstechnik und betätigt sich nebenbei als Verleger. Er schaltet Anzeigen und tut in seiner Reklame so, als sei die Buchdruckerei „Litfaß“ eine bekannte Marke. Er druckt Programmzettel für die vielen Theater der Stadt, das Geschäft floriert.
Als Mitte der 1840-er Jahre die nach dem Sieg über Napoleon versprochene demokratische Verfassung weiter auf sich warten lässt, wird es nicht nur in Berlin ungemütlich. Litfaß, der eben noch amtliche Bekanntmachungen druckte, wird zu einem der Hausdrucker der Revolte. Mit dem „Berliner Krakehler“ gibt er seine eigene Zeitung heraus. Er ist vorsichtig genug, keinen seiner eigenen revolutionären Texte zu unterzeichnen.
So übersteht Litfaß die Niederschlagung der März-Revolution von 1848 unbeschadet. Er druckt großflächige Reklameplakate für Veranstaltungen und freundet sich mit dem Zirkus-Direktor Ernst Renz an. Gemeinsam bereisen sie die Hauptstädte Frankreichs und Großbritanniens. „Alles erschien uns im Vergleich zu unseren heimischen Verhältnissen groß, kolossal, außerordentlich“, zitiert Litfaß-Biograf Wilfried Schoeller aus einem seiner Briefe.
In Paris dienen damals schon Betonsäulen als Plakatanschläge, und durch London rollen Kutschen, auf den sich achteckige Reklame-Säulen drehen. Es ist also nicht Litfaß‘ eigene Idee, die er 1854 dem Berliner Polizeipräsidenten Karl von Hinckeldey unterbreitet. Diesem bereiten die vielen wild geklebten Plakate Kopfschmerzen, die sich in der rasant anwachsenden Stadt kaum noch zensieren lassen.
Als der Enddreißiger am 1. Juli 1855 seine 150 Werbesäulen in Betrieb nehmen lässt, wohnt Hinckeldey den Feierlichkeiten bei. Fortan sind alle Plakatierungen außerhalb der neuen Säulen verboten. Der Polizeipräsident weist Zensur-Vorwürfe unter Verweis auf die jedermann zur Verfügung stehenden Litfaß-Annoncen von sich. Litfaß verdient fortan an jeder einzelnen Reklame oder Bekanntmachung.
Der Stadtregierung stellt Litfaß in Aussicht, seine Säulen würden einst öffentliche Pissoirs ummanteln. Doch darauf wartet Berlin vergebens. Öffentlicher Kritik begegnet Litfaß mit einer breiten Werbekampagne: Straßenmusiker und Zeitungen preisen seinen Namen.
Litfaß bleibt umtriebig: Permanent organisiert er Bälle und mildtätige Großveranstaltungen, deren Einnahmen er patriotischen Zwecken stiftet. So bekommt Litfaß Zugang zum Königshaus. Es ist der erste Schritt zu Litfaß‘ zweitem großen Coup: Exklusiv darf er die Depeschen aus dem Krieg gegen Frankreich vertreiben.
Anfang der 1870-er Jahre geht es dann bergab: Litfaß verliert fünf Enkel und seine Frau, bevor er mit 58 Jahren stirbt. Die Erben verlieren 1880 die Werbesäulen-Lizenz an die Konkurrenz und müssen ihre 200 Säulen abbauen. Deshalb ist heute keine der mehr als 3.000 Litfaßsäulen in der Bundeshauptstadt ein Original. Dafür ehren zwei Denkmäler in Litfaßsäulen-Form Berlins Werbe-König.
(APA/AFP)