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19.11.2017 14:25

Facebook, Google und der ganze Rest

In den USA müssen die Ex-Lieblinge des digitalen Infotainment gerade herbe Rückschläge einstecken: das Modell der Werbefinanzierung wankt. Außer bei Google und Facebook. Jetzt müssen sich einige der Web-Stars andere Geschäftsmodelle überlegen.

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Viel lassen Google und Facebook nicht mehr übrig von den digitalen Werbebudgets. © Fotolia Sieht aus wie Wachstum, ist aber keines: Google und Facebook treiben das Wachstum für digitale Werbung an. Die anderen schauen zu. © WSJ/Screenshot

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In den USA wanken die ehemaligen Darlings der Digitalszene gerade heftig: Mashable wurde gerade für 50 Millionen US-Dollar an Ziff Davis verramscht (im letzten Jahr war Mashable noch rund 250 Millionen US-Dollar wert gewesen); Buzzfeed verfehlt sein Umsatzziel um satte 15 bis 20 Prozent und Vice strauchelt auch knapp vor dem Umsatzziel von 800 Millionen US-Dollar.

Natürlich sind alle drei digitalen Infotainment-Schleudern überwiegend werbefinanziert wie auch viele andere digitale Medienunternehmen. Werbefinanziert sind sie, weil das früher mal eine gute Idee war oder auch die einzige, weil es so verdammt einfach schien und noch dazu so viel Wachstum versprach. Gute Ideen gibt es bei digitaler Werbung wahrscheinlich schon länger nicht mehr, einfach ist es die längste Zeit gewesen und Wachstum, ja das Wachstum, das gibt es noch. Aber leider nur bei den anderen. Genauer: bei zwei anderen.

Dazu möge man sich eine interessante Grafik ansehen, die dieser Tage im Wall Street Journal erschienen ist: da zeigt die Linie, die das Umsatzwachstum digitaler Werbung in den USA veranschaulicht, fröhlich nach oben. Aber die vertikale Ausprägung dieser Linie, ihr Anstieg, wird von Google und Facebook getrieben. Würde man die beiden herausrechnen und sich nur die Entwicklung der digitalen Werbeumsätze all der vielen anderen Marktteilnehmer ansehen: die Linie würde beinahe horizontal verlaufen.

Mehr als 60 Prozent der digitalen Werbeumsätze in den USA landen mittlerweile auf den Konten von Facebook und Google. Alle anderen Medien sind: der Rest. Sie greifen ab, was das Duopol übrig lässt, zu Preisen, die das Duopol zuvor kultiviert hat. Die ehemaligen Digitaldarlings wurden zu Hyänen, die sich am Kadaver des Werbemarktes delektieren und instinktlos hoffen, dass die echten Raubtiere vielleicht mal doch etwas mehr Fleisch an den Knochen lassen. Werden sie aber nicht.

Ganz im Gegenteil. Denn wenn dereinst die Skepsis über die Wirksamkeit gewohnter digitaler Werbeformen auch kleinere Unternehmen erfasst haben wird und die auch beginnen, ihre Budgets zurück zu fahren, wie es große Marken in den USA jetzt schon tun, dann wird sich die ganze Macht des Duopols erst so richtig zeigen. Dann werden noch weniger Reste für den Rest übrig bleiben.

Nun suchen die Ex-Darlings verzweifelt nach neuen Erlösquellen. Das ist löblich, aber vielleicht auch zu spät, nachdem sie sich in den letzten Jahren vor allem darauf konzentriert haben, ihre Werbeangebote, also schon bestehendes Inventar zu optimieren, die IAB-Bannerstandards hinauf – und hinunter zu deklinieren, statt zu versuchen, was auch traditionelle Verlage mit mehr oder minder ausgeprägtem Erfolg in den letzten Jahren tun mussten: ihr Portfolio um Dienstleistungen, auch digitale, zu erweitern. Oder manchmal, wenn die Verzweiflung besonders grässlich gewesen sein muss, sogar um eine Paywall oder gar einen Online-Shop für Hundefutter, Aktentaschen oder Feuerlöscher. Das ist vielleicht nicht die Lösung. Aber eine Perspektive. Unter Umständen die einzige angesichts des Werbe-Duopols.

Martin Schwarz

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