Kochstudio
17.05.2016 18:28
Falscher Verlierer
Printmedien lassen sich von Branchenspezialisten und Medienexperten gerne als Verlierer durch die Arena der öffentlichen Aufmerksamkeit schleifen. Das haben sie wirklich nicht nötig. Denn der echte Verlierer ist vermutlich eine ganz andere Mediengattung.
Übliche Pose: Die Manager von Printmedien müssen sich als Verlierer digitalen Medienkonsums demütigen lassen. Dabei finden sich die echten Verlierer in einer ganz anderen Mediengattung. © Fotolia.de
Im Kampf um die gefühlte digitale Vorherrschaft oder wenigstens ums Überleben dreschen Medien in diesen Zeiten immer heftiger aufeinander ein. Im Zweifel tun sie dies nur, um von den eigenen, weitaus größeren Problemen abzulenken. TV drischt auf Youtube und Facebook ein. Die Onliner nehmen Content Marketing zu Hilfe und behaupten steif und fest, dass herkömmliche Werbung keine Zukunft mehr habe. Und Google nimmt derweil heimlich, still und leise allen anderen immer mehr vom Werbekuchen weg.
Keine Gegenwehr
Nur die Manager einer Mediengattung verhalten sich dabei erstaunlich ruhig: Die Printmedien. Sie haben die Kunst des Austeilens entweder in ihrem fast schon vergeistigten Stoizismus nie gelernt oder sie verharren verängstigt wie das Kaninchen vor vielen Schlangen. Ebenso wenig haben sie die Fähigkeit der Verteidigung je erlernt. Das ist nach Jahrhunderten des Wachstums und eines prallen Lebens aus einem sich unendlich ausschüttenden Füllhorn auch kein großes Wunder.
Tatsache ist natürlich, dass die Printauflagen fallen. Die Tageszeitungen beginnen sich immerhin langsam mit der digitalen Welt und ihrer neuen Medienordnung zu arrangieren. Den Wochenzeitungen geht es so gut wie selten zuvor. Und die Magazine begreifen inzwischen, dass ihre einzigartige Funktion – nennen wir es mal „lean-back-info“ – durch das Web in keiner Weise in Frage gestellt wird. Sie gründen daher erfolgreich immer neue Vertreter ihrer Spezies für die Generation der weiterhin lesenden Millenials.
In der App-Falle
Wer über kurz oder lang ernsthafte Probleme bekommen dürfte, sind wohl eher die herkömmlichen, elektronischen Medien Radio und TV. Je häufiger wir Radio nicht mehr via Radioempfänger, sondern über Apps auf dem Smartphone oder Tablet empfangen, desto mehr gerät Radio in Konkurrenz zu allen anderen App-Anbietern – und stolpert damit in die App-Falle. Denn mehr als 30 dieser Anwendungen hat kaum ein Verbraucher installiert und nutzt davon maximal zehn regelmäßig. Das sind womöglich recht düstere Aussichten für das gute alte Dampfradio.
Andere Nutznießer
Die Blütezeit des Fernsehens ist sowieso schon lange dem Verwelken gewichen. Zu Beginn des Privatfernsehens kämpften vor der Jahrtausendwende noch ein Dutzend Sender um unsere Aufmerksamkeit. Heute sind es längst Hunderte und die Reichweiten der großen Sendeanstalten beginnen bereits zu schmelzen. Wenn sich bald nicht nur die jungen Zuschauer vom analogen Flimmerkasten verabschieden, sondern auch die durchaus werberelevanten über 30-Jährigen, dann gerät das Fernsehen in einen gnadenlosen Wettbewerb mit You Tube, Facebook, Apple, Amazon oder Netflix. Und der wird schwer zu gewinnen sein.
Die Funktion des Fernsehens, also vordergründig Unterhaltung, Entspannung und Einschlafhilfe, bleibt wohlgemerkt – wie auch die der Printmedien – erhalten. Nur die Nutznießer heißen dann eben nicht mehr ARD, RTL oder PRO7, sondern tragen Namen amerikanischer und vielleicht eines Tages sogar europäischer Digital-Giganten.
Das Einzige, was ich mir jetzt wünsche, ist, dass die Printmedien erhobenen Hauptes in den Ring treten. Dass sie den Kampf um ihre erhaltenswerte Existenz aufnehmen und ebenso lautstark gegen ihre Medienwettbewerber wettern. Let’s get loud.
Thomas Koch
Thomas Koch, Mediaplaner, Agenturgründer, Ex-Starcom-CEO, Herausgeber von „Clap“ und Media-Persönlichkeit des Jahres, schreibt hier regelmäßig über die Zukunft von Print. Folgen Sie Thomas Koch auf Twitter: @ufomedia