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19.10.2013 17:33

181 Tage

Rund ein halbes Jahr hat der Verband der europäischen Papierindustrie in Brüssel für einen Brief an die EU Kommission gebraucht. So wird das nichts mit dem Lobbyismus für die Branche.

CEPI Brüssel SchlafenDas ist kein Schnappschuss eines Brüsseler Lobbisten. 181 Tage vergingen dennoch, bis der Verband der Papierindustrie auf Digitalisierungspläne der EU reagierte. © Fotolia

Lobbyisten gehören zu Brüssel wie Pommes zu Belgien. Weltkonzerne und Industrieverbände, Umweltschützer und Regierungen beschäftigen in der EU-Hauptstadt Spezialisten, deren einziges Tagwerk das Einflüstern bei EU-Parlamentariern, Kommissionsmitgliedern oder sonstigen Entscheidungsträgern ist. 20.000 dieser Einflüsterer zirkeln um Kommissionsgebäude und EU-Parlament. Auch Papier – und Druckindustrie, Kuverthersteller oder Etikettenproduzenten leisten sich Lobbyisten, um den Fluss politischer Entscheidungen auf EU-Ebene in ihrem Sinne zu verändern.

Mitte September empörte sich die CEPI, der Verband der europäischen Papierindustrie, gemeinsam mit drei anderen Verbänden über einen – Surprise! - Plan der EU-Kommission, die Kommunikation nach außen weitgehend zu digitalisieren und auf den Druck von Broschüren hinkünftig verzichten zu wollen. Gedruckte Kommunikation, so die Strategen der EU, sei nicht besonders wirkungsvoll, außerdem könne man durch den Verzicht auf Gedrucktes eben Geld sparen. In einem offenen Brief an die zuständige EU-Kommissarin Neelie Kroes widersprachen die Lobbyisten dieser Einschätzung. Sie schrieben über die hohen Response-Raten bei gedruckten Direct Mailings und die Gefahr, dass für jene rund 22 Prozent der EU-Bürger, die keinen Online-Zugang hätten, die EU damit noch intransparenter würde.

Neelie Kroes wird bei der Lektüre des Briefes vielleicht ein bisschen geschmunzelt haben. Denn um so einen Brief zu verfassen und abzusenden, haben die reaktionsstarken Lobbyisten offenbar exakt 181 Tage gebraucht. Die Pläne der Kommission im Rahmen der Digitalen Agenda wurden am 13. März veröffentlicht, der Brief der CEPI ist mit 10. September datiert. Da muss sich der Verband schon die Frage gefallen lassen, wie wirkmächtig die Lobbyisten in Brüssel arbeiten - und wie oft sie in den Lobbys der Macht sitzen. Würden sie das regelmäßig tun, hätten sie erkennen können, dass die EU-Kommission die Zahl der papiernen Publikationen schon in den letzten Jahren radikal zusammen gestutzt hat. Die Pläne wären dann nicht eine Überraschung gewesen, auf die zu reagieren 181 Tage dauert.

Martin Schwarz

(4c Printausgabe 7/2013)

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