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22.07.2012 11:34

Großer Zapfenstreich in der Druckindustrie

Einer führte ein Kran-Unternehmen, einer einen Hersteller von Stromversorgungen und der neueste Zugang in den Chefetagen der großen Druckmaschinenbauer machte Karriere in der Chemieindustrie. Die aktuellen CEO-Rochaden bei Goss, Manroland und Heidelberg zeigen eines: statt Branchen-Fachleuten sind jetzt Sanierer am Werk.

schach heidelberg schreier rochade ceo vorstandsvorsitzenderRochaden: in den letzten sechs Monaten hat sich das Personal in den Chefetagen der Druckmaschinenbauer deutlich verändert. © Fotolia

Drei Zeitungen, so hat er es einmal erzählt, bezieht Bernhard Schreier im Abonnement. In einer davon, der Rhein-Neckar Zeitung, konnte der Noch-Heidelberg-Chef schon acht Tage vor der alles entscheidenden Hauptversammlung des angeschlagenen Druckmaschinenbauers nachlesen, wie das Ränkespiel um seine Ablöse verlief: Aufsichtsratschef Robert J. Koehler suchte nach einem Ersatz in der Chefetage des Konzerns, der vor allem als Sanierer fungieren und damit die Unzufriedenheit bei einigen Aktionären über das ihrer Meinung nach zögerliche Krisenmanagement beim Druckmaschinenbauer abfedern könnte.

Koehler fand seinen Kandidaten in den alten Netzwerken rund um den längst zerschlagenen Chemieriesen Hoechst: Gerold Linzbach leitete einige der Nachfolgefirmen des 1999 zerschlagenen Konzerns und Koehler, heute Vorstandschef des Hoechst-Ablegers SGL Carbon schätzt ihn seit damals als Querdenker, als einen, der ungewöhnliche Wege geht, recht jovial auftritt, aber seine Ziele dennoch unerbittlich verfolgt. 

Selbst die Arbeitnehmerseite, in den letzten Jahren durch steten Personalabbau bei Heidelberg, recht sensibel für Veränderungen in der Chefetage, dürfte von Koehler schon auf den Neuen eingestimmt worden sein. "Wir bietem dem zukünftigen Vorstandsvorsitzenden unsere Zusammenarbeit an", ließ Mirko Geiger, Chef der Heidelberger IG Metall, ausrichten.

Selbst bei den Gewerkschaftern dürfte sich - ebenso wie unter den Aktionären - die Erkenntnis durchgesetzt haben, dass das Effizienzprogramm "Fokus 2012", von Bernahrd Schreier als Sanierungsrezept gepriesen, den Konzern vielleicht doch nicht über die nächsten Jahre rettet: 2.000 Arbeitsplätze werden im Zuge dieses Programms abgebaut, gleichzeitig aber wird Heidelberg wohl eine Strategie brauchen, um neben dem Druck-Geschäft seine Tugenden in der Präzisionsfertigung vielleicht auch branchenfremden Unternehmen anzubieten. Auch das Verbrauchsmaterialien-Business, weniger volatil als der Druckmaschinenbau, gehört zu den großen Hoffnungsträgern der Heidelberger. Binnen weniger Jahre soll der Anteil des Consumables-Geschäfts von derzeit etwas über vier auf sieben Prozent anschwellen. 

Für all die dräuenden Veränderungen und die Öffnung des Unternehmens hin zu derzeit nur peripher bearbeiteten Märkten brauchte es vielleicht einen, der nicht wie Schreier schon seit Jahrzehnten in der Druckindustrie sozialisiert ist, sondern einen mit Management-Skills, die unabhängig von der Branche stechen. Vielleicht ist Gerold Linzbach mit seiner wechselnden Vita so jemand: mal war er beim  Aromenhersteller Symrise, zuletzt beim Callcenter-Anbieter D+S Europe. Und nebenher betreibt er mit seiner Lebensgefährtin ein Restaurant in Frankfurt.

Die Rochade bei Heidelberg ist nur die letzte in einer Reihe Aufsehen erregender Auswechslungen in der Druckindustrie: nach der Zerschlagung des Pleite gegangenen Konkurrenten Manroland in einen Rollen - und einen Bogendruckanbieter kam in Offenbach keiner aus dem bisherigen Management in die Nähe der Chefetage, sondern mit Alfred Rothlaender ein Intimus des neuen Eigentümerns Tony Langley. Rothlaender gilt ob seiner 66 Lenze vielleicht nicht unbedingt als Zukunftshoffnung, hat sich aber in der Langley-Gruppe als Sanierer von Unternehmen wie der Piller Gruppe, einem Hersteller von Stromversorgungen, seine Meriten verdient. Als er im Februar seinen Job in Offenbach antrat, bekannte er offen, sich erst einen Überblick über die Branche verschaffen zu müssen. Bei Manroland Augsburg indes versuchte die Possehl-Gruppe mit einem noch vom alten Manroland-Konzern übernommenen Management-Team zu wirtschaften und Possehl-Chef Uwe Lüders pendelte oft zwischen Lübeck und Augsburg, um die wesentlichen Entscheidungen zu treffen. Mit Eckhard Hörner-Maraß hat er nun einen Geschäftsführer für Augsburg gefunden, der ebenfalls nicht in der Druckindustrie sozialisiert wurde. Der gelernte Diplom-Ingenieur (FH) begann seine Laufbahn im Jahr 1986 bei der C. Haushahn Gruppe, 1995 wechselte er in die Geschäftsführung der Jenbacher Energiesysteme GmbH. Vier Jahre später wurde er in die Geschäftsführung der Zeppelin Baumaschinen GmbH berufen. Seit 2002 ist Eckhard Hörner-Maraß Geschäftsführer der HOLZMA Plattenaufteiltechnik GmbH, seit 2005 dessen Sprecher, einem Unternehmen der HOMAG-Gruppe, mit einem Jahresumsatz von rund 100 Millionen Euro.

Und schließlich der amerikanische Rollendruck-Hersteller Goss: auch da kam vor wenigen Wochen ein Branchenfremder zum Zug. Richard Nichols war Chef von Terex Cranes und löste den seit 2009 amtierenden CEO Jochen Meissner ab, der ebenfalls über Jahrzehnte in der Druckindustrie Karriere machte. Mit diesem Revirement könnte sich auf die Fokussierung des Goss-Konzerns verschieben: weg von Europa, hin zu Asien (wo ja Eigentümer Shanghai Electric sitzt) und Amerika.

Einzig übrig geblieben als echter Print-Profi in den Chefetagen der großen Vier ist nun Claus Bolza-Schünemann von Koenig & Bauer. 

Die Sonderrolle des Druckmaschinenbaus wurde nun auch sichtbar durch die Besetzung der Chefetagen beendet, der Schrumpfungsprozess, aber auch die Öffnung hin zu anderen Branchen, wird sich deutlich beschleunigen. Es ist, so sarkastisch das auch klingen mag, auch ein Stück Normalität eingekehrt, wie sie in anderen Branchen schon längst Einzug gehalten hat.

Martin Schwarz

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