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12.08.2013 13:24

Was machen ohne Marken?

Da sind sich alle fein einig: die gedruckte Zeitung hat keine Zukunft. Doch um die Zukunft der Zeitung vermessen zu können, müssten auch neue Maßstäbe an die Lebensfähigkeit digitaler Angebote angelegt werden.

Gedruckte Zeitungen: wären sie tot, wäre das auch für die digitalen Angebote eine schlechte Nachricht. © UPM

Sie wird wieder vermessen: die Zukunft der Zeitung. Allerorten. Vom „Spiegel“ bis zu diversen einschlägigen Blogs. Viel Debatte für scheinbar wenig Zukunft. Nun könnte man das als publizistisches Amalgam zur Füllung des für Medien oft schmerzhaften Sommerlochs abtun, doch in diesem Sommer gibt es immerhin zwei Anlassfälle, sich des Themas anzunehmen: der Springer-Verlag verkaufte für 920 Millionen Euro einen Großteil seiner Printtitel an die Essener Funke-Gruppe und Amazon-Gründer Jeff Bezos wandte gerade mal ein Prozent seines Gesamtvermögens auf, um für rund 187 Millionen Euro die „Washington Post“, ein Juwel des amerikanischen Journalismus, zu kaufen.

Normalerweise würden Experten nun wohl feststellen, dass vernehmbares Käuferinteresse für Unternehmen einer bestimmten Branche ein Symptom für die weitgehende Funktionalität eben dieser Branche wäre. Wo es Käufer gibt, dürfte es ja auch Ideen zur kommerziellen Urbarmachung der Neuerwerbung geben. Logisch.

Doch wir befinden uns nun einmal in einer Branche, deren ökonomisches Fundament noch immer die gedruckte Variation der Informationsübermittlung ist. Das gilt für die Werbeeinnahmen, das gilt für die Vertriebserlöse. Da wird der Strom des Diskurses dann umgeleitet durch ein tiefes und langes Jammertal, das weitsichtig in einem Befund endet: Print ist tot und eben der Kauf von Zeitungstiteln ein schlagkräftiger Beweis für diese These. Zeitungen zu verlegen, sie zu drucken, das ist nach Auffassung der Expertenschaft die moderne Entsprechung des Bierkutschertums oder des Braunkohleabbaus: es ist ein Geschäft, das sich einfach so erübrigt hat und die Summen, die von den Käufern bezahlt wurden, sind schlichtweg Schrottprämien. Der Geist hat sich vom Substrat Papier gelöst, er braucht es nicht mehr. Ist das wirklich so?

Mit einem Anflug des Bedauerns wird Jeff Bezos und der Funke-Gruppe attestiert, sich Papier gewordene Kadaver ans Bein gebunden zu haben. Jeff Bezos kommt vergleichsweise noch ein bisschen besser weg, denn er konnte sich erstens die Neuerwerbung leisten und ihm wird zweitens unterstellt, einige revolutionäre Ideen für eine ökonomisch tragfähige Digitalisierung auszubrüten.

Die Funke-Gruppe kommt da schon wesentlich schlechter weg – vielleicht nicht zu Unrecht: wenn die Essener versichern, an Print zu glauben, so befeuert diesen Glauben vor allem das Kalkül, gedruckte Zeitungen nur dann gewinnbringend betreiben zu können, wenn sie die Redaktionen gnadenlos ausdünnt. 920 Millionen Euro hat die Funke-Gruppe für die Springer-Titel bezahlt – rund das Zehnfache des EBITDA, das die gekauften Zeitungen und Magazine erwirtschaften.

Wer einen sehr hohen, vielleicht zu hohen Kaufpreis durch die Entleibung der Redaktionen wieder zurück verdienen will, wird vermutlich merken, dass Zeitungen wie das „Hamburger Abendblatt“ oder die „Berliner Morgenpost“ vor allem von ihrer Integrität und ihrer Marke leben und beides schneller zerstört ist als der Kredit über 260 Millionen Euro von Springer zurück gezahlt werden kann. Insofern ist der Niedergang der Tageszeitung weniger ein Naturgesetz denn eine Bewegung, deren Geschwindigkeit enorm davon abhängt, wie Verleger die Kraft der Marke zu nutzen und den Konsumenten von deren Integrität überzeugen können.

Die Debatte um die Zukunft der Zeitung klammert nämlich einen Umstand gerne aus: dass der – auch ökonomische – Erfolg der digitalen Medienangebote weitgehend vom Wert und der Substanz der Printmarke abhängig ist. Rupert Murdoch, fürwahr kein Neuling im Mediengeschäft, hat mit seiner ipad-Zeitung „The Daily“ Millionen in den Sand gesetzt, weil er diese Wechselwirkung vielleicht unterschätzt hat, es kein gedrucktes Pendant zur iPad-Zeitung gab. Die Zahlungsbereitschaft für digitale Angebote steht und fällt – Achtung, These! - vermutlich mit der Identitätsstiftung durch Print.

Die Reichweitenverluste, die Tageszeitungen hinnehmen mussten (was übrigens gerne übersehen wird: seit 2010 reduzieren sich die Auflagenverluste der Tageszeitungen in Westeuropa konstant), sind wohl auch dem Umstand geschuldet, dass die digitalen Inhalte bisher weitgehend kostenlos zu konsumieren waren. Erst der Einsatz von Paywalls wird die Spielregeln verändern und zeigen, ob das wirtschaftliche Fundament der gedruckten Zeitung durch digitale Vertriebserlöse ergänzt werden kann. Klar scheint schon jetzt: wer zahlende Leser für seine Digitalausgaben haben will, wird es – Achtung, These! - ohne Printausgabe auch weiterhin schwer haben.

Das Geschäftsmodell der gedruckten Zeitung hat sich über Jahrhunderte etabliert, es hat funktioniert und es tritt nun in eine neue, schwierige Lebensphase, deren ökonomische Rahmenbedinungen durchaus ungewiss sind. Für Verlage – Achtung, These! - wäre es wohl einfach zu früh, ein erprobtes Geschäftsmodell aufzugeben, um sich komplett dem Digitalen auszuliefern. Ein erprobtes digitales Geschäftsmodell, das völlig ohne die Infrastruktur der Printmedien auskommt, gibt es – jedenfalls in der Organisationsform Verlag – noch nicht. Wäre die gedruckte Zeitung wirklich tot, es wäre für die digitalen Medien eine mindestens so schlechte Nachricht wie für Papier – oder Druckindustrie.

 Martin Schwarz

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