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Printmedien

12.05.2014 10:58

Überraschende Seiten

Plötzlich sind sie wieder da. Seit Jahren kamen nicht mehr so viele gedruckte Magazine auf den Markt wie jetzt. Geprägt wird diese Gründerzeit aber von Machern digitaler Medien. Auf sie werden sich auch Druckdienstleister einstellen müssen.

Der Nektar der Erkenntnis, er kann auch mal bitter schmecken. Fließen muss er trotzdem. Und deshalb muss an dieser Stelle einer der wahrscheinlich klügsten Medienmacher und Medienbeobachter Europas zu Wort kommen. Frank Schirrmacher, Herausgeber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, Bestsellerautor, ein Mann, der sich nicht scheut, Dinge auch mal sehr grundsätzlich zu denken. Also: „Dass Print stirbt, war vor allem einmal ein Erzählstrang aus dem Silicon Valley.  Nach der reinen Lehre sollte es Print ja gar nicht mehr geben angesichts dieser unfassbaren Menge an kostenlosen Informationen, die wir sowieso aus dem Web beziehen können“, befindet Schirrmacher gegenüber 4c.

Baum, Ast, Blüte

Die reine Lehre erfuhr erst vor wenigen Wochen in Berlin einen Dämpfer. Da präsentierte der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger seine Jahresbilanz; ein Ereignis, das noch vor wenigen Jahren die Tränendrüsen von Managern der Printbranche flutete. Doch zumindest eine der Statistiken, die da gezeigt wurden, sieht nun wieder deutlich besser aus: die Zahl der Neugründungen an Print-Magazinen. 2013 waren es um 51 Magazine mehr als ein Jahr zuvor, 2012 gar um 58 Titel mehr als im Jahr 2011. Man muss schon mehr als ein Jahrzehnt zurückschauen, um eine ähnliche Gründerzeit bei Magazinen lokalisieren zu können: Einen größeren Zuwachs gab es zuletzt 1998 mit 61 Titeln.

Botanische Parallelen zieht Frank Schirrmacher bei seinem Erklärungsversuch dieser überraschenden Tendenz hin zu Print: „Wir müssen bitte alle mal begreifen, dass gesellschaftliche und technologische Entwicklungen niemals linear verlaufen. Vielmehr ähneln solche Entwicklungen einem Baum mit all seinen Verästelungen und Blättern. Da gibt es auch Bereiche, die man für tot gehalten hat, bis sie überraschenderweise doch wieder blühen.“ Linear, das sagt Schirrmacher noch dazu, „sind sie nur, wenn man den Werbern aus dem Silicon Valley Glauben schenkt, die einem etwas andrehen wollen“.

Die Panik der Verlage

Dort, im technologischen Sündenpfuhl rund um San Francisco, wirkt Medienanalyst Ken Doctor. Er ist der nostalgischen Verklärung des Gedruckten unverdächtig, prophezeite bisher in schöner Regelmäßigkeit einen schnellen Medienwandel. Doctors Diagnose: Im Bestreben, eben diesen Wandel zu forcieren, haben die Verlage schwere Fehler begangen und das Printprodukt entwertet. Das muss jetzt wieder korrigiert werden. „Die Verleger haben zuerst zu wenig in digitale Medien investiert. Als sie das bemerkt haben, ist plötzlich fast das gesamte Geld dorthin geflossen und gleichzeitig viel zu wenig in den Ausbau des Printprodukts.“ Sie haben damit ihre Kundschaft vergrault. „Das Geld kam von den Abonnenten und den Lesern der Print-Ausgaben. Und die haben natürlich auch bemerkt, dass bei dem Produkt, für das sie immerhin bezahlt haben, mehr und mehr gespart wurde“, sagt Doctor zu 4c.

Besonders klug, glaubt Frank Schirrmacher, sei das nicht, denn die Printausgaben definieren meist den Wert der Marke: „Ich bin gar kein Gegner des Digitalen. Aber man sollte sich als Medienmacher schon die Frage stellen, wie vielen Medienmarken es gelingen würde, mit ihren digitalen Produkten Geld zu verdienen, ohne die Realitätsvergewisserung durch Print zu haben. Eine Zeitung, ein Magazin sind anfassbar. Schon alleine der Aufwand, diese Produkte herzustellen und auszuliefern, vermittelt dem Leser eine Werthaltigkeit.“

Gedruckter Luxus

Die Magazine und Zeitungen, die nun wieder die Regale der Kioske füllen, haben mit jenen, die in den vergangenen Jahren verschwunden sind, nicht mehr allzu viel gemein. Print hat sein Gesicht radikal verändert. So radikal wie „Newsweek“ 2.0. Im Comeback der Wochenzeitschrift sind alle Farben dieses Wandels sichtbar. Ende 2012 erschien die letzte gedruckte Ausgabe des großen Flaggschiffs investigativen Journalismus in den USA, ein Exitus bei einer Auflage von vier Millionen Stück. Einige Monate führte das Magazin ein ziemlich trostloses Dasein als digitales Mängel-Exemplar in der Online-Ramschkiste und wurde dann – recht günstig – vom jungen Digital-Verlag IBT Media gekauft, der noch nie ein Printprodukt betrieben hatte. Seit März erscheint Newsweek wieder gedruckt.

Aus der einstigen Millionenauflage wurden 70.000 Stück. Positioniert haben die Macher das neue Newsweek als Boutique-Magazin, werben mit besserem Papier und verlangen in den USA fast unverschämte 7,99 US-Dollar am Kiosk. Ein Luxusprodukt. Auf Papier inszeniert. Das soll es sein. Was der erst 31-jährige IBT-Media-Chef Etienne Uzac mit Newsweek versucht, wird auf dem US-Markt schwer durchzusetzen sein. Zu teuer für amerikanische Verhältnisse könnte das Magazin sein und im Mix der Erlöse zu sehr von Abonnements abhängig.

Wie auch immer das Experiment mit Newsweek ausgehen mag: Gerade aus den USA, wo das Siechtum des gedruckten Wortes vor mehr als einem Jahrzehnt begonnen hat, kommen nun wieder Nachrichten einer langsamen Gesundung: 35 neue Magazine wurden alleine im ersten Quartal 2014 in den Vereinigten Staaten gegründet. In den ersten drei Quartalen des Jahres 2013 waren es nur 23.

Raumfüllend

Die neue Gründerzeit des Gedruckten hat deutlich mehr Protagonisten als früher. Es sind ausgerechnet Entrepreneure aus den digitalen Medien, die sich nun kühn an gedruckten Produkten versuchen, damit an Relevanz gewinnen und ihr Erlösmodell breiter streuen möchten. „Auch wenn man in großen Verlagen alle Optionen und auch das nötige Geld dafür hat, bedeutet das noch lange nicht, dass man dort auch entscheidungsfreudig agiert. Man muss eben eine Opportunität sehen wollen“, sagt Alexander Görlach, Gründer des Berliner Magazins „The European“. Vier Mal jährlich erscheint das Heft, hochwertig gedruckt und acht Euro teuer. Entstanden ist The European aus einem von Görlach aufgesetzten Debatten-Blog.

Gründer wie Görlach richten sich in einem Raum ein, den große Verlage in den letzten Jahren durch ihre Zögerlichkeit haben entstehen lassen: „Wir haben uns alle so sehr auf Effizienz konzentriert, dass wir nicht bemerkt haben, als neue Marktlücken entstanden sind. Die werden jetzt von anderen gefüllt“, bekennt Tomas Brunegard, Aufsichtsratschef der schwedischen Stampen-Gruppe und Präsident des Weltzeitungsverbands WAN-Ifra, im Gespräch mit 4c.

Gebremster Fall

Freilich sind es nur sehr schwache Zeichen der Erholung, die da aus dem Schatten der Krise der letzten Jahre hervortreten. Wolfgang Pfarl, Präsident der Austropapier, des Verbandes der österreichischen Papierindustrie, wird Ende April wieder eine Bilanz zu präsentieren haben, die unterm Strich nur eine tragfähige Interpretation zulässt: Auch im vergangenen Jahr ist der Bedarf an grafischen Papieren wieder gesunken, von einer Trendwende beim Absatz kann keine Rede sein. „Wir sollten uns da nichts vormachen, auch wenn die Zunahme an Magazin-Titeln ein Zeichen dafür ist, dass Printmedien attraktiv bleiben“, sagt Pfarl. Aber es gibt neuerdings in der Produktsparte der grafischen Papiere auch Sorten, bei denen diese Rückläufigkeit nun ganz sanft gebremst erscheint: bei Volumenpapieren, wie sie beim Druck hochwertiger Publikumsmagazine  eingesetzt werden.

Rollenfindung

Mit einiger Genugtuung registriert auch Mario Garcia, wie Print seiner musealen Entsorgung zu entgehen scheint: „Print ist wieder Teil der Diskussion wie seit Jahren nicht mehr. Es findet langsam wieder seine Rolle“, sagt der New Yorker Designer, der in den letzten 30 Jahren rund 450 Medien in aller Welt gestaltet hat – unter anderem das „Handelsblatt“, „Die Zeit“ oder das „Wall Street Journal“. „Was aber auch klar sein muss: Print hat gegenüber anderen Medientechnologien eben keine herausragende Position mehr“, dämpft Garcia die Erwartungen.

Neue Spielregeln

Tom Taylor, Mitbegründer des „Newspaper Club“ in London, profitiert von der Bereitschaft, wieder über neue Print-Projekte nachzudenken. Seine Geschäftsidee war es, jungen Verlegern, auch Bloggern, Möglichkeiten zu eröffnen, ohne viel Know-how Zeitungen zu publizieren. Es war anfangs zäh. „Wenn wir vor vier Jahren mit Menschen darüber gesprochen haben, doch über ein gedrucktes Produkt nachzudenken, haben die abgewunken und uns erzählt, sie würden gerade an einer Tablet-Version arbeiten“, erzählt Taylor. „Das hat sich seither aber grundlegend gedreht. Die Tablet-Versionen haben sie nicht gerettet. Also wollen viele Blogger und Kleinverlage, die bisher nur digital gearbeitet haben, nun wieder gedruckte Zeitungen herausgeben“, sagt er. Noch nie hat der „Newspaper Club“ derart gute Geschäfte gemacht. Mit seiner Funktion als Schnittstelle zwischen Verleger und Druckerei trifft Taylor die Befindlichkeiten der neuen Verleger-Generation. „Unsere Kundschaft hat vielleicht noch nie mit einer Druckerei zu tun gehabt, die Designer haben vielleicht noch nie eine gedruckte Zeitung gestaltet“, so Taylor. Genau da müssten Druckereien ansetzen – eben diese neue Klientel zu bedienen, sie durch den Prozess zu führen. „Die Druckereien müssen endlich begreifen, dass es andere Spielregeln gibt“, sagt er. Wie diese Spielregeln funktionieren, kann man bei Erica Roffe lernen. Die Britin schrieb lange einen Blog über ihre Heimatstadt Bedford und beschloss 2011, davon eine gedruckte Version, den „Bedford Clanger“, herauszubringen. „Anfangs haben wir 1.000 Stück im Digitaldruck produziert. Aus den acht Seiten von damals sind jetzt 40 pro Ausgabe geworden und aus den 1.000 Stück Auflage mittlerweile 25.000 Stück“, erzählt Taylor. Vier Mal jährlich erscheint die Lokalzeitung jetzt.

Wenn die Impulse für gedruckte Medien nun nicht mehr ausschließlich aus dem Kreis der wohlbekannten und vertrieblich umsorgten klassischen Verlage kommen, wird das auch Folgen für Druckereien haben. „Uns drängen sich momentan zwei Fragen auf: Wie können wir die geänderten Auflagenstrukturen bedienen, und zwar von ganz oben bis ganz unten? Und zweitens: Wie können wir unseren Vertrieb darauf vorbereiten?“, sagt Michael Steinwidder, Vorstandsvorsitzender des Rollendruck-Konzerns Leykam Let’s Print.  Um sich anderen Kundenschichten zu öffnen, macht Steinwidder derzeit eine Recherche: „Wir sehen uns gerade an, welche Digitaldrucksysteme am Markt sind und für uns geeignet wären“, so Steinwidder. Viel herausfordernder noch als die Anschaffung einer Druckmaschine aber sind Veränderungen im Vertrieb. Steinwidders Verkäufer werden wahrscheinlich ihre liebe Not haben, die neue, sehr fragmentierte Kundenschicht zu bedienen. „Möglicherweise braucht man dafür ja auch gar keine Verkäufer, sondern einfach ein Online-Portal“, sagt Steinwidder. Die neue Klientel abzuholen, sich an die Geschäftsmodelle der Neo-Verleger anzuschmiegen, wird zum Elchtest der Druckereien.

Die vernetzte Kaffeemaschine

Frank Schirrmacher rechnet fest damit, dass gerade die zwangsläufige Vernetztheit, die den Alltag bestimmen wird, den gedruckten Medien sicheres Publikum zutreibt: „In Zukunft wird jede Kaffeemaschine mit dem Internet verbunden sein und uns dauernd neue Informationen oder auch Werbung liefern. In einem solchen Umfeld brauchen Menschen zunehmend einen Rückzugsraum, und den finden sie nun einmal im Gedruckten.“ Ein wenig macht sich diese Online-Fatigue schon bemerkbar. 60 Prozent der Deutschen, so hat im Herbst letzten Jahres eine Studie des Allensbacher Instituts für Demoskopie festgestellt, hätten gerne mehr Zeit für den Konsum von Zeitungen und Zeitschriften. 

Martin Schwarz

(4c Printausgabe 3/2014)

 

Frank Schirrmacher in Wien

Erleben Sie FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher live in Wien. Am 21. Mai wird Schirrmacher bei unserer Creative-Printing-Konferenz im Semper Depot die Keynote über die „Marke Print“ halten. Ebenfalls unter den Referenten wird auch Tom Taylor, Gründer des „Newspaper Club“, sein. Einige wenige Tickets für dieses Event sind noch zu haben. Alle Informationen dazu finden Sie unter http://www.creative-printing.info.

Tickets zur Creative Printing können Sie auch direkt hier bestellen:

 

Konferenz - Online Event Management mit der Ticketing-Lösung von XING EVENTS

Der #4ctalk zum Thema

Was braucht Print für ein Comeback? Diese Frage diskutieren wir am 23. Mai von 13 bis 14 Uhr bei unserem nächsten #4ctalk auf Twitter. Bereichern Sie die Debatte und machen Sie mit! Bitte fügen Sie Ihren Beiträgen immer den Hashtag #4ctalk hinzu. Wir freuen uns auf Ihre Teilnahme!

 

 

 

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