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DDR-Design

27.05.2015 09:15

Reste-Verwertung

Das Design, das die Mangelwirtschaft der DDR optisch begleitete, ist weitgehend mit dem Staat untergegangen. Mit Ausnahmen: Die Verknüpfung von Ästhetik mit Ressourcenschonung überdauerte besonders in Typografie und Verpackungsdesign den Kollaps des Arbeiter- und Bauernstaates.

Spee: Waschmittel aus DDR-Tagen. © Beigestellt Seife aus der DDR: duftet besser als sie aussieht. Dafür war die Verpackung sparsam. © Beigestellt Das Nivea für die Zone: Historische Florena-Produkte aus Sachsen. © Beigestellt

Den Staat gibt es seit bald 25 Jahren nicht mehr, die von seiner Bürokratie am häufigsten verwendete Schrift hat aber die politische Implosion überdauert. Noch heute wird die Schrift Super Grotesk immer wieder neu interpretiert, erweitert und von allen großen Font-Händlern als eine der beliebtesten Schriften im Web vertrieben. Bis zum Oktober 1990 war Super Grotesk dagegen das Alphabet gewordene Sinnbild für ein diktatorisches Regime: Die Super Grotesk wurde etwa auf den verhassten Ausreiseanträgen für DDR-Bürger und natürlich in vielen Büchern und Zeitschriften des Arbeiter – und Bauernstaats verwendet. Wie fast alles in der DDR hatte auch die Vorliebe für die Super Grotesk eine politische Legitimation: Sie wurde ursprünglich vom Schriftgestalter Arno Drescher in den 1930er-Jahren entworfen, aber vom Nazi-Terrorregime eben nicht verwendet.

Wieder verwenden

Die Karriere der Super Grotesk nach der Wende ist eines der Forschungsthemen des Essener Designers Robin Nagel, der sich mit großer Leidenschaft dem Design der DDR widmet. Was Nagel bei seinen Forschungen immer wieder begegnet, sind Designs, die – bedingt durch die dauernde Mangelwirtschaft – sehr ressourcenschonend angelegt waren. Am offensichtlichsten war dies natürlich beim Produktdesign, etwa bei den Radios und Lautsprechern der Formgestalter Clauss Dietel und Lutz Rudolph für Heliradio in den 1960er-Jahren. „Bei den ersten Geräten ist das Baukastenprinzip unverkennbar“, stellt Nagel fest. „Später folgten dann eigenständige Designs, wie das RK 5 sensit und die Kugellautsprecher K 20, die im Anschluss sogar im Westen kopiert wurden.“ Neben der bedien- und reparaturfreundlichen Anordnung der Gerätekomponenten „lässt sich die Lebensdauer der Einzelelemente nicht nur durch ihre Qualität verdeutlichen, sondern ebenso im äußeren Erscheinungsbild“, so Nagel. Elementar wichtig war die Offenheit des Designs bei einem Quasi-Luxusgut wie dem Mokick Simson S50. Dessen freistehende Einzelelemente konnten zu Instandsetzungsmaßnahmen in verschiedenen Bau- und Modellbereichen der Krafträder verwendet werden. Das Ganze hatte fast etwas von der Cradle-to-Cradle-Philosophie.

Grafische Finessen

Zwangsläufig nachhaltig waren auch viele Verpackungsdesigns in der DDR. „Produktverpackungen der DDR waren im Vergleich zum Westprodukt eher etwas kälter, unaufdringlicher und gegebenenfalls auch informativ. Es gab ja praktisch keine Konkurrenz, die man hätte übertreffen müssen“, erklärt Nagel. So präsentiert sich die „Eau de Cologne“-Seife auch eher als Arbeiter- und Bauernduft denn voller Eleganz. Das Wort „langweilig“ nimmt Nagel in seiner Beschreibung extra aus. „Denn die Eigenschaften alltäglicher Lebensmittel wie Zucker und Mehl wurden auf den Verpackungen gelegentlich mit wenig grafischen Mitteln visualisiert und erhielten damit einen ganz eigenen Wiedererkennungswert.“ Ab den 1970er Jahren gab es dann allerdings im Werbe- und Verpackungsbereich infolge von Wirtschafts- und Ölkrisen sowie Exporttätigkeit eine „staatlich sanktionierte Kreativitätsabstinenz“, wie es DDR-Designexperte Günter Höhne einmal ausdrückte. Verlorengegangene Markenidentität und Werbeverbote trieben Verpackungen in Richtung wenig vorbildhafter Behelfspackungen. Zugleich stieg das Verlangen der Bevölkerung auf ansprechend gestaltete Westprodukte, die sie nicht zuletzt von den Westpaketen der Verwandten kannten.

Wende-Schrift

Den Mangel einkalkuliert haben gar auch die Schriftdesigner der DDR, erzählt Nagel: „Es gab in der DDR typografisch einige Versuche, die zu einer ressourcenschonenden Einstellung passten, wie zum Beispiel die platz­- und papiersparende Schriftfamilie Minima von Karl-Heinz Lange“.

Das Ende der DDR hat auch den Ausbau der Schriftfamilie der Minima unterbrochen, es gab ja dann keinen Mangel mehr, der typografisch hätte gelindert werden müssen. Erst 20 Jahre später setzte Lange wieder dort an, wo er Ende der 1980er-Jahre aufgehört hatte und entwickelte ein Redesign der Minima unter dem Namen Minimala.

Ingo Woelk

(4c Printausgabe 3/2015)

 

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