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Einkaufsagenturen

16.01.2014 10:50

Geschäfte mit Haken

Sie vergeben millionenschwere Aufträge und ihre Einkaufsmacht wissen sie auch zu nutzen. Doch jetzt regt sich erstmals Widerstand gegen die geschäftlichen Gepflogenheiten der Print-Einkaufsagenturen.

Aufträge von Einkaufsagenturen füllen zwar so manche Schicht, selten aber versprechen sie gute Margen. © Fotolia.de

 

Es muss gerade ziemlich viel los sein bei der Einkaufsagentur Williams Lea. „Aufgrund sehr enger Ressourcen“, schreibt also eine Pressesprecherin, kann leider „aktuell kein Ansprechpartner zur Verfügung stehen“. Aktuell, das ist ein scheinbar weit gefasster Begriff bei der Einkaufsagentur: Man würde sich über eine „erneute Anfrage Ihrerseits Anfang des zweiten Quartals 2014“ freuen, zeigte die Sprecherin auf 4c-Anfrage dann doch nur bedingte Kommunikationsbegierde.

Die Schweigsamkeit von Williams Lea und die absurd lange Vorlaufzeit für ein Gespräch mit einem Vertreter der „Deutsche Post“-Tochter sind vielleicht nicht nur diesen „engen Ressourcen“ geschuldet. Eingewirkt haben kann da auch eine taktische Komponente: Zwischen Printbroker und Druckdienstleistern hängt der Haussegen schief und mitverantwortlich dafür ist ein Irrtum eines „Williams Lea“-Mitarbeiters. 

Blindcopy-Unfall

Der hatte im vergangenen Sommer die Einladung zu einer E-Auktion nicht per Blindcopy an die Druckereien versandt und so waren dummerweise alle Empfänger sichtbar. Plötzlich wurde den beteiligten Druckereien zweierlei klar: Wie hoch der Aufwand für Druckereien ist, sich an einer Ausschreibung zu beteiligen, und wie gering die Chancen sind, den Auftrag dann auch zu bekommen.

An 124 Kontakte in mehr als 70 Druckereien erging die Einladung zu der elektronischen Auftragsversteigerung und jede der eingeladenen Druckereien hätte 1.600 Produkte in jeweils drei Auflagen kalkulieren müssen – eine kostspielige Excel-Orgie.

Ohnegleichen

Unter den Empfängern war auch die Wiener Druckerei Bösmüller. Geschäftsführerin Doris Wallner-Bösmüller schickte mit einer Antwort an Williams Lea und in Kopie an alle beteiligten Druckereien ein kleines Beben durch die Branche. Sie ließ ihr Unternehmen kurzerhand aus der Mailingliste von Williams Lea streichen. „Normal ist, dass man fünf bis sieben Druckereien für einen Auftrag anfragt. Die müssen aber auch von ihrem Maschinenpark und ihren Serviceleistungen her vergleichbar sein“, sagt Doris Wallner-Bösmüller heute. Ganz anders bei Ausschreibungen, die an hunderte Druckereien gehen: Technologische Vergleichbarkeit ist in so einem Fall kein Kriterium. „Bei dieser einen Ausschreibung waren eindeutig Empfänger dabei, die mit dem Auftrag einfach nichts hätten anfangen können“, weiß auch Gerhard Meier, Geschäftsführer der bayerischen Druckerei Blueprint und damit eigentlich Profiteur des Systems Einkaufsagentur: Ein erklecklicher Teil seines Umsatzes wird über solche Agenturen generiert. Meier bekennt: „Die Einkaufsagenturen haben uns die Möglichkeit eröffnet, an die großen Kunden, etwa aus dem Pharmabereich, heranzukommen.“ Doch auch Meier, der System-Profiteur, hält das System für reformbedürftig.

Lockungen

Massenausschreibungen, wie sie Meier oder Bösmüller erhalten haben, sind ein Symptom für die wirtschaftliche Verwundbarkeit von Druckereien. Die Aussicht auf gefüllte Schichten ist bloß ein Pflaster, das nur notdürftig einen betriebswirtschaftlichen Schönheitsfehler zudeckt: die manchmal miese Marge. Bisher herrschte dennoch ein stilles Einverständnis zwischen Dienstleistern und Agenturen: „Die Druckereien, mit denen ich Kontakt habe, beschweren sich nicht groß über die Einkaufsagenturen. Sie meinen, deren Aufträge bringen eben Volumen“, weiß Philipp Scharpf, Chef des Druckerei-Netzwerkes Princoso, aus eigener Erfahrung. Mit seinem Netzwerk macht Scharpf eigentlich auch nichts anderes als Einkaufsagenturen, nur versucht er das wesentlich partnerschaftlicher – was ehrlicherweise bei einem durchschnittlichen Auftragswert von ein paar hundert Euro auch deutlich leichter fällt als bei Agenturen, die Millionenaufträge an den günstigsten Bieter vergeben. „Die Druckereien haben da ja auch mitgemacht. Sie stellen neue Maschinen auf, denken, sie brauchen Kapazität, dabei brauchen sie Volumen, und dann nehmen sie eben auch solche Aufträge an, wenn die Bank ihr Geld sehen will“, bedauert Doris Wallner-Bösmüller.

Den Printeinkauf aushebeln

Das Geschäftsmodell von Vermittlern wie Williams Lea, Adare und anderen, mit dem sie sich ihren Platz zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer gesichert haben, ist einfach: „Sie versprechen eine kräftige Kostenersparnis von bis zu 15 Prozent. Die Druckereien versuchen sie dann um bis zu 30 Prozent des bisherigen Preises zu drücken. Von der Differenz leben sie.“, erklärt Philipp Scharpf die Üblichkeiten der Branche. Das Versprechen wirkt: Rund ein Drittel der DAX-30-Konzerne in Deutschland vergibt Druckaufträge mittlerweile über die Printbroker, denn neben der bloßen Einsparung bei den Druckaufträgen winkt noch ein anderes Incentive: „Der wunde Punkt, an dem die externen Printmanager ansetzen, ist das Problem von Unternehmen mit ihren indirekten Kosten von der Instandhaltung der Gebäude bis zu den Druckaufträgen. Die sind alle nicht direkt notwendig für den eigentlichen Unternehmenszweck, brauchen aber alle ihren eigenen Apparat, und der ist  scheinbar am einfachsten wegzusparen. Die Agenturen argumentieren ja nicht nur mit der puren Einsparung bei den Druckkosten, sondern auch damit, dass man Arbeitsplätze in den Einkaufsabteilungen wegrationalisieren kann“, erzählt Ernst Gärtner, Geschäftsführer der Druckerei Eberl im bayerischen Immenstadt. „Einige Agenturen haben auch das Ziel, den Kunden ein Stück weit abhängig zu machen, und das geht am besten, wenn man es schafft, die hauseigenen Abteilungen wegzukriegen. Wenn das gelungen ist, ist auch das Know-how für den Druckeinkauf im Unternehmen weg. Ob sie das wirklich wollen, sollten sich Unternehmen im Vorfeld sehr gut überlegen“, so Gärtner.

Selbst schuld

Aber was bedeutet es eigentlich, wenn Konzerne meinen, ihre eigenen Print-Einkäufer so einfach loswerden zu können? Wohl nur eines: Dass sie annehmen, zur Organisation gedruckter Kommunikation bräuchte es nicht mehr Wissen und Know-how als für den Einkauf von Papierhandtüchern, Büroklammern oder Kugelschreibern. Auch das gehört zu den Insignien der Macht dieser Agenturen, dass sie den Unternehmen offensichtlich erfolgreich einreden konnten, nur der Preis markiere die Grenze zwischen guter gedruckter Kommunikation und eben nicht so guter. „Durch die Tätigkeit der Einkaufsagenturen werden alle Wettbewerbsparameter bis auf den Preis in den Hintergrund gerückt. Das ist eine bedenkliche Entwicklung. Das Versäumnis unserer Branche ist, nicht zu kommunizieren, dass es eben nicht selbstverständlich ist, wenn Gedrucktes hochwertig aussieht“, bekennt Paul Albert Deimel, Geschäftsführer des Bundesverbands Druck und Medien in Berlin, gegenüber 4c. Druckereichef Heinz Gärtner wird noch ein bisschen deutlicher: „Dass Einkaufsagenturen so stark werden konnten, ist auch damit begründet, dass der Vertrieb vieler Druckereien so schwach ist. Man kann ein Druckprodukt nicht verkaufen wie einen Staubsauger, man muss Menschen für gedruckte Ideen begeistern können.“

Auch Joachim Plutta, Print-Einkäufer beim deutschen Handelsriesen Metro, ist manchmal mit Begehrlichkeiten von Einkaufsagenturen konfrontiert: „Wenn die Einkaufsabteilung erst mal weg ist, verbaut sich ein Unternehmen auch die Möglichkeit, Printkommunikation weiterzuentwickeln, Druckprodukte mit mehr Mehrwert zu schaffen. Die Einkaufsagentur ist es nämlich eher nicht, die da Ideen hätte“, glaubt Plutta. Allerdings mahnt er Fairness an: „Es gibt auch Agenturen, die etwa Mehrwert bieten, weil sie den Kunden auch bei der Produktion beraten und zum Beispiel Know-how bei der Vorstufe haben. Die anderen halten sich mit Beratung nicht auf, die schauen nur auf den Preis, den sie erzielen können.“

Ahnungslose Broker

Wie es sich mit den Einkaufsagenturen lebt, kann System-Profiteur Gerhard Meier vielleicht am besten beurteilen. „Wir gehören zu jenen Druckereien, die durch die Einkaufsagenturen grundsätzlich dazugewonnen haben. Wenn man einen Betrieb dieser Größe hat, kommt man ohne Zusammenarbeit mit diesen Printmanagern schwer zu den großen Aufträgen aus der Industrie, und genau die braucht man aber“, sagt Meier, Chef von mehr als hundert Mitarbeitern. Einen Außendienst spart er sich, dafür investiert er in einen ansehnlichen Maschinenpark, straffe Prozesse und kann auch den einen oder anderen Kampfpreis abgeben. Meier pflegt ein ambivalentes Verhältnis zu einigen seiner Auftraggeber: „Die Printmanager haben oft ein Personalproblem: Von zehn Menschen, die da arbeiten, hat oft nur einer wirklich Ahnung vom Druck. Man kriegt dann Ausschreibungen, die nicht zu kalkulieren sind, weil wichtige Parameter einfach fehlen. Offenbar schicken manche dieser Agentur-Mitarbeiter einfach Ausschreibungen von Unternehmen weiter, ohne wirklich zu kontrollieren, ob da alles drinnen ist, was man auch für die Kalkulation braucht“, sagt Meier gegenüber 4c. Oft genug ist er einer Agentur schon zur Seite gesprungen, wenn wieder mal nichts gepasst hat, was zur Ausführung eines Auftrags notwendig gewesen wäre: „Man müsste einmal den Endkunden erklären können, wie viel Know-how eigentlich von den Druckereien zu den Printmanagern wandert, wie oft Druckereien Aufträge retten, weil Anfragen und Aufträge von den Printmanagern nicht richtig aufbereitet werden.“

Freilich wird solches der Auftraggeber nie erfahren. Meier hofft darauf, dass die Agenturen bei der Personalauswahl dereinst merken, dass einer, der vielleicht ganz ausgebufft dabei ist, den Preis zu drücken, nicht automatisch auch Ahnung vom Druckgewerbe hat: „Gegen das System der Einkaufsagenturen ist ja eigentlich nichts einzuwenden, aber sie müssen einmal drüber nachdenken, ob sie nicht doch lieber Profis einstellen wollen, die auch vom Drucken Ahnung haben und gut aufbereitete, faire Ausschreibungen zustande bringen.“ Die Bindung an die Mitarbeiter, so die Beobachtung Meiers, sei bei den Agenturen nicht besonders hoch. Das versteht der Druckereichef auch zu nutzen: „Ein Gutteil meines Neukundengeschäfts kommt mit Menschen zustande, die früher einmal bei einer Einkaufsagentur gearbeitet haben und sich daran erinnern, dass wir sie gut beraten, ihnen geholfen und gute Qualität geliefert haben“, so Meier.

Anfrage aus Bukarest

Was Beat Schoch erlebt hat, ist noch so ein Indiz für die Wahllosigkeit, mit der Druckereien zu Ausschreibungen eingeladen werden. Im August erhielt Schoch, Geschäftsführer von Stutz Druck im schweizerischen Wädenswill, eine Ausschreibung für den Druck von Lamellenschiebern. Die kam vom „Williams Lea“-Büro in Bukarest. Schoch lehnte ab. „Natürlich ist es für einen Konzern legitim, nachfragen zu lassen, wo man am günstigsten drucken lassen kann. Aber für Druckereien ist es Irrsinn, sich mit einer Konkurrenz von hunderten anderen Druckereien in halb Europa im Wettbewerb zu sehen.“

Sich mit Druckereien auf dem halben Kontinent, in anderen Formatklassen, in allen Betriebsgrößen, mit gänzlich anderen Voraussetzungen messen lassen zu müssen, das ist nicht alles, was Beat Schoch so stört. Printbroker fungieren mit ihrer Einkaufsmacht eben auch als isolierendes Element im Druckmarkt: „Auch Kunden verhandeln natürlich hart. Aber als Druckerei kann ich im direkten Gespräch mehr Einfluss nehmen, vielleicht Ideen platzieren, mich auf jeden Fall mit dem Kunden gemeinsam an einen akzeptablen Preis herantasten. Selbst wenn ich mal einen Auftrag abwickle, der nicht so unglaublich margenhaltig ist, so kann ich dieses Instrument taktisch einsetzen, um eine Kundenbeziehung für die Zukunft zu schaffen. Diese Chance wird mir bei Ausschreibungen von Einkaufsagenturen natürlich völlig genommen.“ Indem sich Printmanager zwischen den Kunden und den Dienstleister pressen, wird der Drucker wieder das, was er eigentlich gar nicht so gerne sein mag: bloßer Verleiher von Maschinenkapazität.

 

Am Tropf der Agenturen 

 

Deshalb warnt Holger Busch, Geschäftsführer des bayerischen Verbands Druck und Medien: „Ich halte den direkten Kundenkontakt auch deswegen für so immens wichtig, weil nur so die Druckerei die wirklichen Probleme des Kunden verstehen und dadurch von sich aus Lösungen anbieten kann, die erstens den Kunden am Ende wirklich zufriedenstellen und zweitens nicht selten über das ursprünglich angedachte Leistungspaket deutlich hinausgehen. Wer darauf verzichtet, limitiert sein Geschäftsmodell und reduziert seine zukünftigen Erlösfelder.“

Eben diese Erlösfelder können sich auch in Brachland verwandeln, wenn eine Druckerei zu sehr auf die großen Aufträge durch die Agenturen angewiesen ist. Da ist Vorsicht geboten, wie Verbandsmanager Deimel aus seiner anderen Karriere weiß: „Ich war einmal Vorstandsvorsitzender einer Regionalbank. Und glauben Sie mir, ich weiß, was es anrichten kann, wenn ein Unternehmen vom Umsatz mit einigen wenigen Kunden abhängig ist.“

Dem Schweizer Drucker Beat Schoch jedenfalls reicht es: „Wir haben das Geschäft mit Einkaufsagenturen abgestellt. Die kriegen von uns auch keine Antwort mehr“, sagt Schoch. Er ist nicht der Einzige.

 

Martin Schwarz

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(4c Printausgabe 8/13)

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Sehr geehrter Herr Schwarz,
mit viel Interesse habe ich Ihren Artikel gelesen. Umso mehr, als ich selbst für einen Printbroker arbeite; keiner der hier genannten, allerdings. Ich finde die meisten Punkte, die Sie hier anführen durchaus valide, jedoch wird das Thema etwas einseitig beleuchtet. Das ist sicher nicht Ihre Schuld, da Williams Lea schließlich keine Stellung hierzu nimmt.
Das Beispiel mit dem Williams Lea Mitarbeiter, das sie hier anführen, ist in der Branche sehr bekannt. Ich frage mich aber schon, ob das an einer Einzelperson lag, die einen Fehler gemacht hat, oder der es an Kompetenz fehlt, oder ob dies das gängige Vorgehen der ganzen Firma ist.
Wie so vieles in der freien Marktwirtschaft, hat das Modell mit Printbrokern seine Licht- und seine Schattenseiten. Sicherlich „klemmt“ sich der Broker hier zwischen die Kunden und die Druckereien, und die Druckereien werden mehr über den Preis verglichen, als manchmal vielleicht angebracht ist; ganz sicherlich mehr, als es den Druckereien recht ist. Dass jedoch über den Preis verglichen wird, ist letztendlich die Vorgabe der Kunden; der Broker handelt ja im Auftrag der Kunden, und die erwarten sich preisliche Vorteile für die Beauftragung eines Printbrokers. Als Printbroker kann man den meisten Kunden gegenüber nur schwer mit einem „Mehrwert“ außer dem Preis argumentieren – manchmal geht das, die Regel ist es nicht.
Was die Inkompetenz der Mitarbeiter bei Printbrokern betrifft, so kann ich Ihnen aus meiner Erfahrung sagen, dass sich hier gute und nicht so gute Leute finden, wie in jeder anderen Branche auch, selbst bei Druckereien.
Ich stimme mit den Kollegen durchaus überein, dass es bei Druckprodukten schon einen Bereich gibt, in dem man nicht mehr schlicht über den Preis vergleichen kann; bei der großen Mehrheit der Produkte jedoch schon.
Alles in allem, hat das Modell seine Vor- und seine Nachteile; dass sich viele große Kunden für dieses Modell entscheiden, gibt für uns alle die Richtung vor. Schließlich arbeiten wir alle für den Kunden, und der entscheidet, wie und an wen er seine Aufträge vergibt.
Das hier ist natürlich nur meine persönliche Meinung.
Mit freundlichen Grüßen
Heiko H.
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