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Grünes Drucken

11.04.2013 17:39

Schwierige Botschaft

Kein Plan, kaum Wirkung, viele Einzelinteressen und noch mehr Ökosiegel: die Printbranche hadert mit der richtigen Strategie, Gedrucktes gegenüber elektronischen Medien als grüne Kommunikationstechnologie zu positionieren. Mehr Koordination zwischen Papierindustrie, Maschinenherstellern und Druckereien wäre hilfreich.

Er hat nach ihnen gestrebt wie kaum ein anderer. Er hat sie fast alle bekommen. Aus dem Jünger wurde nun ein Skeptiker. Michael Gitzi wird vorerst keine weiteren Umweltzertifzierungen für seinen Betrieb, die Digitaldruckerei Digidruck in Wien, mehr anstreben. Selbst die Erneuerung schon erhaltener Gütesiegel wird Gitzi nicht mehr mit gewohnter Verve verfolgen. Dass er damit eben diese Siegel verlieren könnte, das quittiert Gitzi gelassen: „Na und?“.

Wenn einer wie Gitzi, von ehrlichem Bemühen um möglichst umweltschonende Produktionsmethoden getrieben, eine Abkehr vom Siegelwesen vollzieht, so lässt sich eine Affekthandlung einigermaßen ausschließen. Michael Gitzi hat es sich gut überlegt: „Ich habe nahezu jede Zertifizierung gemacht. Immerhin weiß ich jetzt wirklich, wie man die Produktion nach ökologischen Kriterien ausrichtet. Aber ich halte nicht mehr allzu viel von diesen Siegeln. Teils ist es Augenwischerei, teils Geschäftemacherei“.

Mit Siegeln wenig gewonnen

FSC, PEFC, Umweltzeichen, Blauer Engel, EMAS, EU-Blume, Nordic Ecolabel und viele andere: die Druckmedienbranche schlingert ungelenk und ungelenkt in einem reißenden Siegel-Tsunami dahin. Einigermaßen bescheiden jedoch ist die Hebelwirkung all der Auditierungen und Zertifizierungen auf die Wahrnehmung der Branche durch Printbuyer oder Konsumenten. Mehrheitlich, so hat kürzlich eine Studie der europäischen Two Sides-Initiative heraus gefunden, glauben Konsumenten immer noch, dass elektronische Medien umweltfreundlicher sind als gedruckte. Und zwar quer durch alle Mediengattungen, von der Tageszeitung bis zum Mailing. „Diese Gütesiegel sind Tools, die man vorwiegend eingesetzt hat, um auf den Druck von Umweltorganisationen zu reagieren. Für die Konsumenten bedeuten sie nichts. Und wir haben zu viele davon, das macht die Menschen bloß konfus“, konstatiert der Brite Martyn Eustace, der mit der Two Sides-Kampagne seit Jahren versucht, den Ruf des Gedruckten zu bessern. Konfrontiert wird der durchschnittliche Printbuyer oder Endkonsument aber fast ausschließlich mit Ökosiegeln verschiedenster Herkunft, denn auf sie konzentrieren sich Druckdienstleister, um den Beweis für ihre Nachhaltigkeit zu führen. „Für eine Kommunikationsindustrie sind wir ziemlich schlechte Kommunikatoren“, muss Martyn Eustace eingestehen.

Die Holzklotz-Gleichung

An Siegeln wird auch weiterhin kein Mangel herrschen, glaubt jedenfalls Harald Wörner, Umweltexperte beim Druckmaschinenhersteller Heidelberg: „Da die ausgebenden Gesellschaften und die zertifizierenden Unternehen auch mit Gewinnabsicht handeln, wird sich der Dschungel hier in absehbarer Zeit nicht lichten“. Heidelberg selbst hat immerhin als erster Offsethersteller seine Erzeugnisse klimaneutral gestellt, beschäftigt sich recht offensiv mit diesen Fragen. Vor Besuchergruppen baut Wörner zeitweise Holzklötze auf, um einen Vergleich zwischen den CO2-Emissionen einer gedruckten Broschüre und einer bloß ins Web gestellten zu illustrieren. Anschaulicher kann man die Ökobilanz kaum darstellen. Der Holzklotz, der die CO2-Emissionen der Web-Variante darstellt, ist immer höher. „In den nächsten Jahren wird er kleiner werden, doch bleibt die Bilanz von Print dennoch positiv gegenüber dem Internet, wenn umweltbewusst gehandelt wird“, ist Wörner überzeugt. Ein Maschinenhersteller wie Heidelberg hat alleine dennoch nur eine limitierte Wirkungsmacht, die Botschaft zu streuen: „Ich sehe die Verbände, die Papierhersteller und jede einzelne Druckerei  gefordert.“

Schattenboxen

Im Wettbewerb mit den elektronischen Medien kommt noch ein Handicap dazu: Google oder Apple tun sich leicht damit, sich direkt an den Konsumenten zu wenden, sie müssen nicht so viele Hürden überwinden, um den Verbraucher zu erreichen. Und die Elektronik-Industrie verzettelt sich nicht in Zertifizierungswirrnissen, versucht nicht einmal, sich besonders forsch in grüne Debatten zu verstricken. Google etwa begnügt sich mit einer hübsch gemachten Website über den CO2-Ausgleich der eigenen Serverfarmen, einen echten Nachhaltigkeitsbericht gibt es nicht. Kein Problem für den Suchmaschinengiganten: „Bei elektronischen Medien wird ohnehin nicht über umweltrelevante Faktoren nachgedacht“, konstatiert Markus Schinerl, früher Umweltbauftragter des Papierkonzerns Mondi und nun Umweltberater für Druckereien und Industrie, einen seltsamen Reflex beim Anwender.

Raushalten

Manchmal muss sich Two Sides-Koordinator Martyn Eustace bei seinen Bemühungen fühlen wie ein Feuerwehrmann, der, ausgerüstet bloß mit einer Gießkanne, einen Flächenbrand zu löschen hat. Die Elektronik-Industrie entfacht überall kleine Brandherde, die zu löschen Eustace viel abverlangt. Erst vor wenigen Wochen hat er wieder einmal einen offenen Brief schreiben müssen, diesmal an Google-Chef Eric Schmidt, der gemeinsam mit anderen amerikanischen Unternehmen mit „Paperless 2013“ eine Initiative für die papierlose Kommunikation gestartet und die auch mit umweltrelevanten Argumenten begründet hatte. Eine Reaktion von Schmidt ist noch nicht überliefert.

Selbst im näheren Umfeld hat Martyn Eustace zuweilen schwer gegen die Erotik der Papierlosigkeit zu missionieren. Ausgerechnet der Digitaldruck-Hersteller Océ kündigte vor einigen Jahren vollmundig an, zum papierlosen Unternehmen werden zu wollen. „Wir haben leider keine koordinierte industrieweite Kampagne“, seufzt Eustace und legt damit einen virulenten Problemherd offen.

Eine besondere Rolle als kommunikative Drehscheibe könnte den Druckereien zukommen: sie stehen als einzige direkt mit Printbuyern und Konsumenten in Kontakt. Eine gewisse Ohnmacht gegenüber dem Kunden ortet Öko-Berater Schinerl als Grund für viele Druckdienstleister, sich mit Siegel-Schmuckwerk zu begnügen, sonst aber eine nicht ganz so aktive Rolle einzunehmen: „Die behaupten eben, dass der Kunde sowieso die Entscheidungen trifft und sie als Drucker keinen Einfluss haben. Also halten sich viele da raus.“

Brüchige Koalition

Immerhin fünf Millionen Euro an Anzeigenvolumen hat die Two Sides-Kampagne in diesem Jahr von Verlagen in ganz Europa zur Verfügung gestellt bekommen. Für Eustace ein großer Erfolg. Er muss seine Sujets auch in reichweitenstarken Publikumsmagazinen platzieren, um eine gewisse Wirkung erreichen zu können. Bloß könnte sich auch diese Allianz mit den Verlagen irgendwann einmal als recht brüchig herausstellen. „Für die großen Verlage ist Druck schon längst nicht mehr das wichtigste Standbein. Also ist auch deren Interesse am grünen Image des Gedruckten nicht mehr so groß, wie es einmal war“, sagt Joachim Plutta, Printbuyer der deutschen Einzelhandelskette Metro. Der Metro-Einkäufer fürchtet, dass der Imageverlust des Gedruckten gegenüber elektronischen Medien vielleicht bald irreversibel sein könnte: „Es ist schon recht spät. Wir haben es ja auf der Gegenseite mit Riesen zu tun.“ Die Verzettelung der Druckmedienmacher, diese Tendenz zum kommunikativen Chaos, macht Plutta etwa an den vielen unterschiedlichen Zertifikaten und Anbietern für den CO2-Ausgleich von Druckprodukten fest: „Ich hätte es schöner gefunden, hätte sich die Druckindustrie auf einen Klimastandard geeinigt“. Diese einigende Rolle aber hätten die Verbände wahrnehmen müssen. Ohne den Konjunktiv kommt man offenbar nicht aus, um die Umweltkommunikation der Branche zu beschreiben.

Gencode

Ausgerechnet die Papierindustrie hauptsächlich das Lobbying machen zu lassen, könnte sich per se schon als Hemmnis erweisen. Glaubt jedenfalls Gottfried Hirsch, Geschäftsführer der Wiener Druckerei Jetzsch: „Die Papierindustrie hat noch immer ein nicht optimales Image, das alles überstrahlt, so sehr sie sich jetzt auch darum bemühen, verantwortlich zu handeln“. Er immerhin sät die Botschaft der Nachhaltigkeit überall in seinem Unternehmen, von den ausschließlich eingesetzten Biofarben bis zur Vermeidung unnötig langer Wege. So beschäftigt Hirsch ausschließlich Sublieferanten in Wien und Umgebung, um nicht unnötig halbfertige Produkte durch die Landschaft karren zu müssen.

Der Gencode der Papierindustrie als ehemals verunreigender Faktor frischer Luft und klarer Flüsse hat sich mittlerweile sicher schon großteils verflüchtigt nach Jahren des echten ökologischen Wohlverhaltens, ja der Übererfüllung ökologischer Standards. Nicht ändern lässt sich aber, was Verbraucher emotional noch immer mitnimmt: dass Papier entsteht, weil Bäume gefällt werden. So einfach, so alternativlos ist das eben. Die Bilder von gerodeten Wäldern wird der Konsument dennoch immer präsent haben, insbesondere, da das durchaus erfreuliche Zahlenwerk vom Flächenwachstum des Waldes durch die Aufforstung der Industrie noch immer nicht die Kundschaft erreicht hat. „Unser größtes Asset, der CO2-Speicher Holz, ist auch unser größtes Problem. Menschen mögen Bäume.“, analysiert Martyn Eustace knapp und treffend. Diese emotionale Bindung des Menschen an unberührte Wälder macht es gerade Umweltorganisationen leicht, sich auf die Papierindustrie einzuschießen: „Diese Industriezweig steht mehr im Rampenlicht als andere. Der Wald wird eben als ökologischer Reichtum gesehen“, konstatiert Umweltberater Schinerl.

Unvermittelbar

Wie komplex, ernüchternd und von Rückschlägen gepflastert das Bemühen sein kann, das Image von Druckprodukten zu heben, hat auch Roger Starke, Experte des Verbandes Deutscher Maschinen – und Anlagenbau (VDMA), gemerkt. Für die Sparte Druck und Papier hat Starke bei zwei unabhängigen Instituten Studien in Auftrag gegeben, die Druck – und Onlinemedien einem direkten Vergleich der Umwelteinflüsse unterzieht. Heraus kam, was die Botschaft eben auch so kompliziert, mithin unvermittelbar, macht: dass es letztlich auf das Nutzungsverhalten des Konsumenten ankommt, ob elektronische oder gedruckte Medien weniger belastend für den Planeten sind. Auszug aus den Erkenntnissen: die Gesamtumweltbelastung einer gedruckten Zeitung ist dann niedriger als jene der Online-Variante, wenn sie mehr als 26,5 Minuten gelesen wird, mindestens 3,2 Leser pro Exemplar hat und der Datentransfer der Online-Version über UMTS erfolgt. Der Konsument wird angesichts solcher Zahlenspiele und Bedingungsketten eher ratlos wieder zum iPad oder Kindle greifen. „Man kann das Nutzungsverhalten nicht beeinflussen“, weiß auch Roger Starke. „Der User kann schwer einschätzen, was es bedeutet, wenn er elektronische Geräte nutzt. Dieses Bewusstsein ist beim Endanwender nicht da“. Mit den Studien will der VDMA vor allem eines bewirken: „Die Kernaussage ist, dass Druckmedien nicht so umweltbelastend sind wie man annimmt“, sagt Starke bescheiden. Bloß das in der Öffentlichkeit auch zu verankern, das ist auch dem VDMA bisher nur mäßig gelungen. Bittere Erkenntnis von Starke: „Es gibt eine Menge an Ideen und Initiativen, aber deren Wirkung verpufft einfach bei der Masse an Konsumenten.“

Martin Schwarz

(4c Printausgabe 1/2013)

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