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Papierindustrie

24.10.2011 12:46

Keine Selbstkritik

Bewertungstools für Papiere gibt es viele und kaum ein Drucker nutzt sie. Nun startet der WWF ein weiteres Portal zur Ökobilanz von Papieren. Doch erstmals macht „Check Your Paper“ eine Gesamtbewertung möglich – und basiert nicht auf den Selbstauskünften der Papierhersteller.

Dem Verhältnis zwischen den Umweltschützern des WWF und der Papier –und Druckindustrie das Prädikat „ambivalent“ zu geben, dürfte ziemlich gut hinkommen. Vor einigen Monaten noch erzürnte der deutsche WWF die Branche mit dem Launch eines pdf-Formates, das nicht auszudrucken ist. Nun dürften sich die Grünraumpfleger vom widersinnigen Anspruch, eine papierlose und dafür stark bewaldete Welt zu schaffen, gelöst haben und starten mit „Check Your Paper“ ein ausgesprochen sinnvolles Bewertungsportal für Papiere.

Erstmals werden zur Bewertung unterschiedlicher Papiere die verschiedenen Umweltaspekte des Herstellungsprozesses von den verwendeten Fasern bis hin zur Entsorgung integriert. Es werden also nicht nur Zertifizierungen und CO2-Ausstoß berücksichtigt.

Keine Selbstauskünfte

Natürlich gibt es bereits vergleichbare Bewertungstools. Das bekannteste ist wohl Paper Profiles. Der Unterschied zum WWF-Tool ist aber, dass gerade bei Paper Profiles lediglich Selbstauskünfte der Papierhersteller zugrunde liegen. Es war deshalb die Idee des WWF, die Empfehlung nach gewissen Kriterien durch einen national oder international akkreditierten Auditoren überprüfen zu lassen, so dass sichergestellt ist, dass ein und dasselbe Papier auch zu einem vergleichbaren Ergebnis kommt. „Um die Glaubwürdigkeit sicherzustellen, werden alle Ergebnisse von einer dritten Instanz überprüft“,  erklärt Anna Koivisto vom Pulp and Paper Programme des WWF International. „Bisher finden sich bereits über 100 überprüfte Papiere auf der Liste.“ Provisorisch aufgenommene Papiere werden als solche kenntlich gemacht, bis ein entsprechendes Audit nachgewiesen werden kann.
Allein der Name WWF bürgt dabei schon für Authentizität. „Es ist sehr wichtig, dass ein solches Tool von einer NGO-Organisation gepflegt wird. Dadurch gewinnt es an Glaubwürdigkeit. Zudem ist es nicht nur ein bilateraler Austausch, bei dem ein Papierhersteller ein Dokument zur Verfügung stellt, dass der WWF mehr oder weniger gut prüft. Die Überprüfung durch eine dritte Partei sorgt für ein hohes Maß an Objektivität“, so Johannes Klumpp, Vertriebsleiter von Mondi Uncoated Fine Paper.

Aus vielen mach eins

„Es gibt natürlich noch mehr Umweltauswirkungen, die mit der Papierproduktion in Zusammenhang stehen, aber um das Ganze überschaubar zu halten, wurden die wichtigsten Bereiche ausgewählt, um den ökologischen Fußabdruck von Papier widerzuspiegeln. Dazu zählen die Faserquellen und gegebenenfalls die Zertifizierungen von Frischfasern, der Bereich Klima und CO2, die Wasserparameter und schließlich auch das Umweltmanagement. Letzteres kann zwar nicht mit einem Grenzwert bemessen werden, ist jedoch ein pauschaler Hinweis auf die Qualität. Denn in diesem Fall werden die relevanten Umweltfaktoren in der jeweiligen Papiermühle regelmäßig unter die Lupe genommen“, erläutert Johannes Zahnen vom WWF Deutschland.
Die Systematik basiert darauf, dass ein Punkt vergeben wird, wenn die Papiermühle in diesem Kriterium besser als der Durchschnitt ist. Das heißt, die Punktevergabe ist beispielsweise angelehnt an die durchschnittlichen CO2-Werte oder die durchschnittlichen AUX-Werte. Für die höchste Punktezahl sollte die Papiermühle möglichst minimale CO2-, AOX- oder COD-Emissionen verursachen.

Spreu vom Weizen

„Es ist eine gute Möglichkeit, sich von anderen Mitbewerbern abzugrenzen. Die Investitionen, die wir in der vergangenen Zeit in unsere Papierfabriken gesteckt haben und die kontinuierliche Weiterentwicklung in Richtung grüne Produkte kann dadurch belohnt werden. Wir haben die Auflagen für unsere Fabriken so hoch geschraubt, dass unsere Produkte eine sehr gute Umweltperformance haben. Das sieht man in solchen Bewertungstools“, erklärt Johannes Klumpp.
Allein die Tatsache, dass sich Unternehmen mit ihren Produkten in solche Bewertungstools hineintrauen, zeigt schon, dass sie von ihren Marken überzeugt sind. „So wurden zum Beispiel für den Paper Company Environmental Index, bei dem Mondi ganz vorne steht, die zehn weltgrößten Papier- und Verpackungsproduzenten eingeladen. Nur sechs davon haben überhaupt geantwortet“, erläutert Johannes Klumpp. „Mittlerweile ist die Auswahl bei Check Your Paper aber schon beachtlich. Bei den unbeschichteten Papieren werden allein über 70 unterschiedliche Marken gelistet.“

Papier ist geduldig

Für die Anwender – das sind in der Regel Großkunden aus der Industrie oder dem Handel – kann „Check Your Paper“ durchaus auch ein interessantes Instrument sein. „Die Umweltthematik läuft zwar gerade ein bisschen in Gefahr, in den Vorstandsebenen ein wenig von der Agenda verdrängt zu werden, das lässt sich zumindest aus neuesten Umfragen ableiten, aber das Thema Nachhaltigkeit und umweltgerechte Produktion ist dennoch sehr wichtig und ist zumindest bei den Verbrauchern auch angekommen“, so Johannes Klumpp.
„Nehmen wir an, eine Druckerei sucht ein Papier mit ganz bestimmten Eigenschaften. Das könnte der Einkauf bei einigen Herstellern anfragen und sich gleichzeitig die Umweltkennzahlen, beispielsweise die Paper Profiles zusenden zu lassen. Doch schon beim Vergleich würde der Drucker, der schließlich kein ausgesprochener Umweltspezialist ist, irgendwann an ganz simplen Fragen scheitern. Wie bewerte ich, dass ein Papier dreimal so viel CO2 verbraucht als ein anderes, dieses aber wiederum in allen anderen Bereichen besser abschneidet? Für eine Gesamtbewertung sind viele solcher Herausforderungen zu meistern. Das Check Your Paper-Tool nimmt eine Gesamtbewertung dieser Einzelaspekte vor“, ergänzt Johannes Zahnen.
Trotzdem ist vor allem die Reaktion der Druckereibranche noch sehr zögerlich. „Feedback von Druckereien ist bisher kaum vorhanden. Wir haben auch von unseren eigenen Angeboten – beispielsweise die CO2-Neutralität von Color Copy – mehr Resonanz erwartet. Die Druckbranche hat einfach zu viele andere, gravierendere Probleme, als dass sie sich um solche Details kümmert“, so Johannes Klumpp. Color Copy hat vom WWF übrigens die zweitbeste Bewertung „Good“ erhalten und konnte 82 von 100 möglichen Punkten bei der Ökobilanz erreichen.


Eine Tabelle der zehn grünsten ungestrichenen und gestrichenen Papiere finden Sie in der aktuellen Printausgabe 7/11

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