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Interpack 2011

20.02.2011 10:51

Grün, sicher, bequem: Die Verpackungstrends 2011

Auch wenn der übrige Druckmarkt wirtschaftlich darbt, im Verpackungsbereich hat die Nachfrage noch immer keine Pause eingelegt. Die Top 4 der Verpackungstrends.

Trend 4

Intelligente Verpackungen: Frischedetektive inklusive

Bei ihren „Güggeli“, ihren heißgeliebten Hähnchen, sind die Schweizer zu keinen Kompromissen bereit. Werden sie nicht tierfreundlich aufgezogen, regelmäßigen Gesundheitskontrollen unterzogen und sind sie nicht absolut frisch, kommen sie nicht auf den Tisch. Das Schweizer Unternehmen Ernst Kneuss Geflügel hat sich für die wählerischen Eidgenossen daher etwas Besonderes einfallen lassen: Es druckt ein sogenanntes OnVu-Etikett, einen Zeit-Temperatur-Indikator, auf die Kartonschachtel seiner „Bachofe-Güggeli“, das die Hähnchen auf ihrer Reise in den Handel begleitet. Eine spezielle Pigmentfarbe im Inneren eines Apfelsymbols wird beim Verpacken mit UV-Licht bestrahlt und erscheint blau. Anschließend beginnt die Farbe abhängig von Zeit und Temperatur auszubleichen. Je länger ein Güggeli warm gelagert wurde, desto schneller erfolgt der Farbumschlag. Ist das Innere des Apfel blasser als die Referenzfarbe des Randes, weiß der Verbraucher: Das Hähnchen sollte nicht mehr gegessen werden.


„Mit den Etiketten machen wir die Frische und Qualität unserer Produkte für unsere Kunden überprüfbar und unterstreichen so unsere Qualitätsphilosophie“, erklärt Kneuss-Chef Daniel Kneuss. Der Geflügelhersteller führte das OnVu-Etikett bereits 2008 ein, andere Unternehmen wollen nun nachziehen. „Wir verhandeln weltweit mit Fastfood- und Handelsketten“, sagt Martin Angehrn, Leiter OnVu bei BASF. Der deutsche Chemiekonzern erwarb 2008 den Schweizer Farbspezialisten Ciba, der den Indikator gemeinsam mit dem deutschen Maschinenbauer Bizerba entwickelt hat.

Mindesthaltbarkeitsdatum reicht nicht


Wer seinen Kunden absolute Produktsicherheit garantieren will, muss die gesamte logistische Kette von der Produktion bis zum Verbraucher überwachen. Das gilt besonders für leicht verderbliche Nahrungsmittel und pharmazeutische Produkte. Immer wieder zeigt sich: Die Gefahr durch Gammelware oder unbrauchbare Medikamente ist groß. Bisher können sich Verbraucher nur am Mindesthaltbarkeitsdatum orientieren. Es zeigt an, wie lange ein Produkt bei regelrechter Lagerung ohne Qualitätseinbuße verwendet werden kann. Das Problem: Wird die Kühlkette unterbrochen oder dringt Feuchte ein, wird es vorzeitig unbrauchbar und kann die Gesundheit der Verbraucher gefährden. Andererseits sind Nahrungsmittel nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums oft noch frisch, werden aber vorsichtshalber entsorgt – und so unnötig Ressourcen verschwendet. Zeit-Temperatur-Indikatoren zeigen den Frischegrad exakt an und können Müll vermeiden. „Somit tragen sie auch zur Nachhaltigkeit bei“, sagt Angehrn.

Weil immer mehr Verbraucher Wert auf gesunde und grüne Produkte mit Zusatznutzen legen, rechnen Experten mit einem starken Wachstum des „Smart Packaging“-Marktes. Der US-Marktforscher MarketsandMarkets schätzt, dass der weltweite Umsatz mit intelligenten Verpackungen im Zeitraum 2010 bis 2015 um jährlich 8,2 Prozent auf rund 24 Milliarden US-Dollar steigen wird. Wobei die Analysten neben den Farbetiketten auch die Radiofrequenztechnik (RFID) auf dem Vormarsch sehen. In die Verpackungen integrierte Mikrochips sammeln über Sensoren stetig Informationen über den Zustand eines Produktes wie Feuchte oder Temperatur und schlagen bei Über- oder Unterschreitung programmierter Schwellenwerte Alarm. Oder die Chips helfen Patienten, Medikamente in der richtigen Dosierung und pünktlich einzunehmen: Ist es Zeit für die Arznei, ertönt ein Signal. Die Prozessoren können aber noch mehr: Gefüttert mit Daten wie Abfüllort oder Herstelldatum, lassen sich ihre Produkte lückenlos zurückverfolgen – ein wichtiges Feature gegen Fälschungen.

Die Industrie sieht großes Potenzial in den Chips und treibt ihre Entwicklung eifrig voran. Die Organic Electronics Association (OE-A) zum Beispiel, eine Arbeitsgruppe im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), arbeitet an der Kommerzialisierung druckbarer organischer Elektronik. „Preiswerte, dünne, flexible Elektronik, die durch den Aufbau auf flexiblen Polyestersubstraten leicht in Verpackungen integriert werden können, werden künftig aus dem Handel nicht mehr wegzudenken sein“, sagt OE-A-Vorsitzender Wolfgang Mildner. Mit RFID könnten große Informationsmengen über Waren blitzschnell abgerufen oder aufgeladen werden. Die Technik stehe damit für Echtheitsgarantie und Distributionssicherheit.  Auch auf der interpack vom 12.-18. Mai 2011, der weltweit bedeutendsten Veranstaltung der Verpackungsbranche, wird die „kommunizierende“ Verpackung ein wichtiges Thema sein.

Frische aus der Folie

Künftige Verpackungen sollen noch mehr leisten: Sie treten in Wechselwirkung mit dem Füllgut, eliminieren schädlichen Sauerstoff und Mikroben und verbessern so die Haltbarkeit und Qualität der Produkte. In Japan werden sauerstoffabsorbierende Kissen, sogenannte Sachets, bereits seit Jahren zum Haltbarmachen von Gemüse oder Fisch genutzt. Europäer und US-Amerikaner akzeptieren die auffälligen Verpackungselemente mit der Aufschrift „Nicht essen!“ jedoch nicht so bereitwillig. Forscher des Fraunhofer-Instituts für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV) in Freising haben daher elegantere Konservierungs-Lösungen entwickelt. „Wir integrieren Sauerstoffabsorber wie Eisen in die Polymermatrix des Packstoffs“, sagt IVV-Materialentwickler Sven Sängerlaub. So seien sauerstoffempfindliche Getränke wie Bier oder Fruchtsäfte in derart präparierten PET-Flaschen länger genießbar. Zudem bietet das IVV der Industrie eine antimikrobiell wirksame Folie an. Sie gibt Sorbinsäure an die Oberfläche des Lebensmittels, den primären Angriffspunkt für Kontaminationen, ab und konserviert es so. Auf der interpack können sich Produkthersteller ein detailliertes Bild von den Innovationen des IVV machen.

Kritiker argumentieren nun, bei aktiven Verpackungen beeinträchtigten zusätzliche Chemikalien die Natürlichkeit der Produkte. „Für den Lebensmittelschutz werden nur harmlose geruchs- und geschmacksneutrale Stoffe verwendet“, entgegnet Sängerlaub. Zudem könne durch antimikrobielle Stoffe wie Sorbinsäure die Einarbeitung von Konservierungsstoffen in das Produkt vermieden werden. „Das fördert gerade einen gesunden Lebensstil.“ Ein größeres Problem sieht der Wissenschaftler in den hohen Kosten für die Markteinführung neuer Verpackungslösungen. Dafür müsste die Industrie ihre Verpackungslinien modernisieren und ihre neuen Verpackungen umfassend testen. „Das erschwert den Transfer vom Labor in die Serienfertigung“, sagt Sängerlaub.

Maschinenbauer rüsten sich

Verpackungsspezialisten und deren Zulieferer spekulieren dennoch darauf, dass der Bedarf der Industrie an „Smart Packs“ kräftig anzieht – und investieren in die Erweiterung ihres Produktportfolios. „Zwar erfordern neue Produkte und Kampagnen hohe Investitionen, doch verspricht die wachsende Nachfrage der Verbraucher nach Waren mit Mehrwert den Firmen langfristig wirtschaftliche Gewinn“, sagt OE-A-Vorsitzender Mildner. Der Hamburger Kunststoffspezialist Albis Plastic etwa offeriert Verpackungsmittelproduzenten unter dem Namen „Shelfplus O2“ einen nach eigenen Angaben „hocheffizienten“ eisenbasierten Sauerstoffabsorber, der dem natürlichen Kunststoff je nach Lebensmittel und Verpackungsform beigemischt wird. Der österreichische Dosenhersteller Pirlo wiederum versteckt ein Silicagel-Kissen in einen perforierten Kunststoffeinsatz im Deckel seiner neuen Weißblechdose „DryCan“ für Kaffee und Tee. „Dieser neue Verpackungsbestandteil wirkt feuchtigkeitsregulierend und unterbindet die Klumpenbildung in pulverförmigen Produkten“, erklärt Pirlo-Chef Julius Lüthi.

Auch bei den intelligenten Verpackungen entwickeln sich Innovationen rasch. Der deutsche Bosch-Konzern bietet mit dem „Smart Wallet“ eine Umverpackung für feste Arzneimittel an, die sich zusätzlich mit einem Mikrochip ausstatten lässt. Ihren Namen trägt die Bosch-Schachtel aber nicht nur wegen der integrierbaren Intelligenz, sondern auch, weil sie besonders leicht und kostengünstig zu fertigen sein soll. „Die Anlage zur Herstellung von Smart Wallets hat – verglichen mit den herkömmlichen Wallet-Verpackungsmaschinen – eine kleinere Grundfläche und erfordert insgesamt ein kleineres Investitionsvolumen“, erklärt Bosch-Produkmanager Helmut Deichert. Der Schlüssel zur Effizienz der Smart Wallets liege in ihrer vorgeklebten äußeren Hülle, die auf einer herkömmlichen Kartoniermaschine aufgestellt und mit einem Blister, einer Sichtverpackung für Tabletten, beladen werden. Dabei ließen sich je nach Maschinentyp bis zu 300 Wallets pro Minute herstellen, erklärt Deichert.

Komplexe Verpackungen zügig fertigen – das können auch Maschinen der deutschen Firma Körber, der italienischen IMA oder des Schweizer Unternehmens Pago. Es bietet einen RFID-tauglichen Etikettierautomaten an, der Mikrochips nicht flach, sondern als abstehender Flag auf dem Produkt anbringt. So wird bei Flüssigkeiten und Metallverpackungen der Funk nicht gestört.