Im Dämmerzustand

In der "Bar Barbara" im Erdgeschoß eines ziemlich nüchternen Plattenbaus am Rand der Altstadt von Wroclaw hat sich die Organisation des Kulturhauptstadt-Jahres 2016 eingemietet. Café, Bar, Vortragssäle, ein Infostand, architektonischer Industriechic, gefällig.

Sprachlich einseitig

Viele Materialien gibt es hier zum Programm; Broschüren, Flyer, Postkarten. Sprachlich ist man allerdings nur auf einen Teil Europas vorbereitet: nur auf Polnisch sind die Drucksorten zu haben.

Auch auf Nachfrage lassen sich keine englischsprachigen oder deutschsprachigen Materialien auftreiben. Spätestens hier wundert es auch nicht mehr, dass die Organisatoren der Kulturhauptstadt zumindest bis heute auch kaum auf Englisch oder Deutsch oder einer anderen Sprache ihre Social Media-Kanäle wie Twitter oder Facebook füllen. Es gäbe ja auch wenig, wohin man verlinken könnte für das europäische Publikum: die Website ist auch nur sehr eingeschränkt übersetzt.

Ein dichtes Wochenende

Mit bildstarken Umzügen, die von verschiedenen Punkten der Stadt bis ins Zentrum führen, wird an diesem Wochenende die Europäische Kulturhaupstadt Wroclaw eröffnet. "Erwachen" haben die Organisatoren die Choreographie genannt und neben dem Festumzug werden zwischen 15. und 17. Januar rund 100 Veranstaltungen geboten - ein Wochenende, das offenbar deutlich stimmiger und ehrgeiziger inszeniert wird als das, was dann bis Ende 2016 folgt.

Program by Random

Das Programm insbesondere in der Disziplin "Visuelle Künste", kurariert von Michal Bienek, speist sich erstaunlicherweise zu einem Teil aus Projekten, die ohnehin schon lange fix im Kulturkalender Wroclaws verankert sind. So findet die sehenswerte Think Tank Lab Triennale für Illustration und Zeichnung schon seit 1965 in Wroclaw statt. Die Ausstellungen, Workshops und Konferenzen wurden in diesem Jahr schlicht für das Kulturhauptstadt-Programm adaptiert. Das TIFF-Festival für Fotografie gab es auch schon im Vorjahr und ist keineswegs eine Eigenleistung der Kulturhauptstadt-Organisatoren.

Andere der insgesamt 18 Programmpunkte und Projekte waren schon vorbei, bevor das Kulturhauptstadt-Jahr überhaupt begonnen hat: die Ausstellung "Dispossession" war eine Begleitveranstaltung zur 56. Biennale in Venedig und damit seit November des Vorjahres wieder geschlossen.

Die Installation "Invasion" von Jerzy Kosalka wurde auch schon lang ins Kulturhauptstadt-Programm verräumt. Das Ensemble von Figuren im Pop Art Stil befand sich am Flughafen Wroclaw. Dort werden es ankommende Touristen allerdings vergeblich suchen: es wurde bereits im August 2015 dort wieder entfernt. 

Bereits seit Juli 2015 vorbei ist die thematisch spannende Ausstellung "Resolutionen" in der Galerie "Dizajn", die vom Einfluss von Grafikdesignern auf das gesellschaftliche und politische Leben erzählt hat. Im Programmbuch der Kulturhauptstadt, herausgegeben erst im Juni des Vorjahres, hat man sie praktischer Weise trotzdem geschummelt. 

Ambitionierte Ziele

Insgesamt 25 Millionen Euro Budget wurden aufgestellt für das gesamte Jahr, in dem Wroclaw gemeinsam mit der zweiten Kulturhauptstadt San Sebastian in Spanien neue kulturelle Markierungen setzen will. Doppelt so viele Touristen wie bisher sollen in diesem Jahr Wroclaw besuchen, das ist zumindest das Ziel der Organisatoren und die Investitionen für das Kulturhauptstadt-Jahr über den 31. Dezember 2016 hinaus wirken. Bei anhaltend miserabler Kommunikationsarbeit der Organisatoren steht zu befürchten, dass dies nicht gelingen wird.