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Paywalls

21.05.2013 10:09

Andere Tonlage

Der slowakische Paywall-Spezialist Piano Media wagt sich nun an die großen Märkte und hat Deutschland im Visier. Die gleichen Paywall-Strategien wie in der Slowakei werden dort aber nicht funktionieren.

Klarer Fall von Medien-Mikado. So jedenfalls könnte gedeutet werden, was Thomás Bella, CEO des slowakischen Paywall-Anbieters Piano Media in europäischen Verlagshäusern beobachtet: „Die Verlage warten immer auf die Nummer eins oder zwei im jeweiligen Markt, doch dann soll alles ganz schnell gehen.“, so Bella gegenüber 4c. Gerade in Deutschland zeigt sich dieses Muster: seit der Axel Springer Verlag vor einigen Monaten die Tageszeitung „Die Welt“ online hinter eine Bezahlschranke gesperrt hat und dies auch teilweise für das Boulevard-Flaggschiff, die „Bild“-Zeitung, plant, rüsten einige andere deutsche Verlage auch ihre Online-Angebote mit Paywalls auf. Thomás Bella gefällt das naturgemäß. „Unser Fokus bei der Expansion liegt in den nächsten Monaten sicher mehr auf Mittel – und Westeuropa. Und da hat der deutsche Markt sicher Priorität gegenüber dem österreichischen“.

 

Eine Wand, ein Land

 

Bisher hat sich Piano Media auf vergleichsweise kleine, strukturell überschaubare Märkte konzentriert. In der Slowakei erhält der Leser für rund 3,90 Euro monatlich Zugriff auf 50 Premium-Angebote von elf Zeitungen, Zeitschriften und Magazinen – eine beinahe flächendeckende Servicierung des überschaubaren und nicht besonders dynamischen Medienmarktes Slowakei. In Polen haben sich im Juli des vergangenen Jahres 42 Titel für die Zusammenarbeit mit Piano Media entschieden. 40 Prozent der Erlöse erhält dabei der jeweilige Medienpartner,  bei dem das Online-Abo abgeschlossen wird, 30 Prozent werden unter den Partnern nach der Verweildauer bei den unterschiedlichen Angeboten aufgeteilt, 30 Prozent kassiert Piano Media.

 

Neue Paywall-Lösung

 

In Deutschland stünden die Slowaken vor einer ungewohnten Situation, wenn sie ihre Expansion forcieren würden. Dort übernimmt mit dem Springer-Verlag bereits ein anderer die Rolle des Eisbrechers und eine nationale Einigung unter den Medien auf die Piano Media-Lösung wird auch nicht stattfinden. „Gerade große Märkte wie die USA oder Deutschland sind schwer zu bearbeiten. Da werden keine nationalen Systeme funktionieren. Regionale und Verlagslösungen sind gefragt“, sagt Piano-Kommunikationschef David Brauchli. Vorteilhaft sind dort zudem allerdings die breit genutzten Zahlungssysteme wie Kreditkarten oder Paypal. Deshalb gibt es jetzt „Piano Solo“, ein Produkt, das Verlagen einen maßgeschneiderten Zugang zum Bezahlsystem bietet und damit schnell umsetzbar ist. In diesem Fall gibt es eine Lizenzgebühr und der Kunde richtet sein Bezahlsystem nach seinen Wünschen ein.

Inhalte-Tuning

Hans-Joachim Fuhrmann, Mitglied der Geschäftsleitung beim Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), kann übergreifenden und individuellen Lösungen etwas abgewinnen: „Aus Kundensicht hat es natürlich großen Charme, an einer einzigen Station Halt zu machen und dort auf bequeme Art und Weise alle Informationswünsche erfüllt zu bekommen. Und das Ganze mit einem unkomplizierten zentralen Bezahlvorgang.“, so Fuhrmann gegenüber 4c. Diese enge Kooperation von Verlagen bei der gemeinsamen Vermarktung von Bezahlinhalten sieht er als eine Option. Für wichtig hält er aber ebenso, „dass jeder Verlag hier seine eigenen Erfahrungen macht und auch individuell entscheidet, welchen Weg er gehen will. Free, Freemium, Premium, Metered-Modell, Entwicklung von digitalen Abos, Bundles von Print, App und bezahlten Inhalten im Netz - es gibt derzeit sehr viele Testfelder.“ Einig sind sich alle in einem Punkt: Paid Content-Seiten müssen inhaltlich mehr bieten, als es die Gratisversionen bisher taten. „Vor allem die Redaktionen sind gefordert“, erklärt Fuhrmann, „den Lesern auf allen Kanälen so relevante und gute Inhalte zu liefern, dass die Menschen darauf nicht verzichten wollen.“

Kassenschlager

„Einer unserer größten Erfolge bis jetzt ist die Verbreitung von Dokumentarfilmen mit unserem slowakischen Partner „týzdéň“, erklärt David Brauchli. Über die Piano-Abo-Plattform des Magazins brachte die bekannte slowakische Dokumentarfilmerin Zuzana Piussi ihr jüngstes Werk unters Volk, nachdem sich alle slowakischen Vertriebe wegen rechtlicher Unstimmigkeiten verweigert hatten. Der Film generierte mehr Einnahmen als jeder andere Film von Piussi zuvor und “týzdéň” gewann tausende neue Abonnenten. Aktuell startet die polnische Zeitung „Gazeta Wyborcza“ im Internet einen Video-on Demand-Service mit Filmen vom polnischen Independent Filmfestival. Die Filmmacher freuen sich über eine Vertriebsplattform und Monetarisierung ihrer Werke und die Zeitung hofft auf Abonnenten.

Ein zu zahlendes Exklusiv-Angebot wird auch die deutsche Zeitung „Bild“ auf ihrer Homepage anbieten. Nur sind dort traditionell Independent-Filme weniger gefragt. Deshalb sicherte man sich Rechte an bewegten Bildern der deutschen Fußball-Bundesliga und wird die Spielberichte früher ins Netz stellen als sie im Free-TV ausgestrahlt werden. In Deutschland findet das Medien-Mikado langsam ein Ende.

Ingo Woelk

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